Bildungsforschungsinstitut BIFIE berichtet über Entwicklung der flächendeckenden
standardisierten Reifeprüfung
Wien (pk) - Aus Fehlern lernen: mit diesem Vorsatz geht das Bildungsforschungsinstitut BIFIE die bundesweite
Zentralmatura im heurigen Schuljahr an. Das erschließt sich aus dem BIFIE-Bericht zur standardisierten kompetenzorientierten
Reife- und Diplomprüfung, den das Bildungsministerium dem Nationalrat übermittelt hat. Darin wird konkret
auf die Zwischenfälle eingegangen, die im Frühjahr 2014 in punkto Datensicherheit und bei Schulversuchen
aufgetreten sind. Neben der Identifikation und Behebung von Schwächen nehme man für die Reife- und Diplomprüfung
2015 zusätzliche Qualitätskontrollen vor, unterstreichen die VerfasserInnen.
Hauptteil des umfangreichen Schriftstücks ist allerdings ein Überblick über die Prozess- und Arbeitsschritte
bei den Feldtestungen und Schulversuchen im Vorjahr, mit denen die Schulen auf die neue Reife- und Diplomprüfung
vorbereitet wurden. Schwerpunkt war dabei die Evaluierung der Schulversuche in Deutsch, Englisch (BHS), Latein
und Griechisch sowie Angewandter Mathematik, die 2013 zum ersten Mal stattfanden. Insgesamt zeigte sich der Großteil
von LehrerInnen und SchülerInnen zufrieden mit Durchführung und Aufgabenstellungen. Auch die begleitende
Information durch das BIFIE wurde seitens der Lehrkräfte gut aufgenommen, Kritikpunkt war jedoch die als nicht
ausreichend empfundene Kommunikation von Änderungen im Zusammenhang mit den Prüfungen.
Reifeprüfung neu statt Matura alt: BIFIE begleitet Umstieg
Durch die sogenannte Zentralmatura mit einheitlich vom BIFIE vorgegebenen Aufgaben und Korrekturanleitungen sollen
Prüfverfahren und Beurteilung bei der Reifeprüfung objektiver und transparenter werden, so der Grundgedanke.
Überdies biete die standardisierte Reife- und Diplomprüfung zuverlässigere und international vergleichbare
Aussagen über die tatsächlich erworbenen Kompetenzen der SchülerInnen. Ein Stufenmodell der Kompetenzen
für jedes Fach, mit ExpertInnen aus dem Schulwesen anhand der Lehrpläne entwickelt, dient als Grundlage
der Beurteilung der neuen Prüfungsform. Das BIFIE hilft bei der Korrekturarbeit über die Website bzw.
online-Helpdesks und mit einer telefonischen Hotline.
Gemäß Novelle des Schulunterrichtsgesetzes findet die Abschlussprüfung in standardisierter Form
in Allgemeinbildenden höheren Schulen (AHS) verpflichtend als Reifeprüfung dieses Schuljahr statt, an
Berufsbildenden höheren Schulen als Reife- und Diplomprüfung 2015/16. Um den geregelten Übergang
vom alten zum neuen Prüfungsmodell sicherzustellen, liefen 2013 in allen Bundesländern Schulversuche
mit über 20.000 KandidatInnen. Außerdem wurde an 338 Schulen (Februar/März) bzw. 220 Schulen (November)
bei Feldtestungen an der Nachjustierung von potenziellen Klausuraufgaben gearbeitet. Dazu bewertete man in sämtlichen
Fächern die Übereinstimmung der Aufgaben mit von TestexpertInnen erarbeiteten Gütekriterien. Das
Programm zur Implementierung der Reifeprüfung ist erweitert worden und umfasst nun neben Probeklausuren (in
Form von Schularbeiten oder informeller Kompetenzmessung) verstärkt Informations- und Fortbildungsangebote.
Bei der Erarbeitung der Reifeprüfungsaufgaben strebt das BIFIE eine größtmögliche Einbindung
der direkt Betroffenen an. Die Aufgaben zur standardisierten kompetenzorientierten Reife- und Diplomprüfung
werden von Lehrkräften erstellt und mit Feedbackschleifen an die AufgabenmoderatorInnen des BIFIE übermittelt.
Nach einer Freigabe durch das Bildungsinstitut gehen die Aufgaben in Feldtestungen an SchülerInnen der 8.
AHS-Klassen bzw. 5. BHS-Jahrgänge, die Zentralkorrektur der feldgetesteten Aufgaben erfolgt wiederum mit Beteiligung
der AHS- und BHS-LehrerInnen, die zur Erstellung der Prüfungen beigetragen haben. Details zur Entwicklung
der Klausuraufgaben in den spezifischen Fächern sowie Beispielaufgaben weist der Bericht in eigenen Abschnitten
aus.
Kompensationsprüfungen zur Wiederholung von nicht bestandenen Reifeprüfungen finden heuer zum ersten
Mal statt. Laut BIFIE ist bei deren Abwicklung wegen des geringen zeitlichen Spielraums zwischen schriftlicher
und mündlicher Reife- und Diplomprüfung eine besonders enge Zusammenarbeit mit den beteiligten Schulen
erforderlich. Die zwei Tage, an denen die Kompensationsprüfungen stattfinden, gibt das Bildungsministerium
vor.
Schulversuche 2013: Großteils gutes Feedback
Nach einer ersten Zentralmatura in Mathematik (AHS) 2012 wurde der Schulversuch 2013 auf sämtliche relevanten
Prüfungsfächer ausgedehnt. Bei den Maturaprüfungen im Mai 2013 nutzten 88% aller AHS standardisierte
Klausuraufgaben, von den BHS nahmen immerhin 21% an der neuen Reifeprüfung teil. Unter den Bundesländern
war Wien mit den meisten Schulen repräsentiert, gefolgt von Oberösterreich und der Steiermark. Besonders
bei der erstmaligen Durchführung des Schulversuchs in Deutsch konstatierte das BIFIE eine gute Akzeptanz an
den Schulen.
Aus den Post-Test-Analysen der Reife- und Diplomprüfungen 2013 ging eine breite Zustimmung unter den LehrerInnen
hervor, da die Notenverteilung kaum Änderungen aufwies. Eher oder sehr zufrieden zeigten sich die meisten
Lehrkräfte auch bei den Befragungen zu Begleitmaßnahmen (76%) und Organisation bzw. Durchführung
(92%) der Prüfungen. Kritik gab es am nicht immer zufriedenstellenden Informationsaustausch mit dem BIFIE,
etwa bei Adaptierungen der Vorlagen, und mangelnden Fortbildungsangeboten. Insgesamt wurde jedoch von 83% aller
befragten LehrerInnen die Zentralmatura positiv aufgenommen, wenn auch drei Viertel dadurch kaum eine Entlastung
in ihrer Unterrichtsarbeit wahrnahmen. Die Hälfte der PädagogInnen fühlte sich in der autonomen
Gestaltung des Unterrichts eingeschränkt.
Bei den SchülerInnen ergaben die Befragungen, dass die Verständlichkeit der Arbeitsanweisungen grundsätzlich
als eher oder sehr hoch bewertet wird. Nur ein geringer Prozentsatz befand die Arbeitszeit als zu kurz.
BIFIE: Anfangsschwierigkeiten behoben
Den Schülerprotesten gegen die Zentralmatura Ende 2013 begegneten BIFIE und Bildungsministerium mit vermehrten
Informationsveranstaltungen über die Reifeprüfung für SchülerInnen, Eltern und LehrerInnen.
Mit der Bundesschülervertretung einigte man sich überdies auf einen Aktionsplan, in dem unter anderem
die Beurteilungsvorgaben präzisiert wurden und eine Plattform mit Übungsaufgaben für SchülerInnen
online ging. Klarstellungen gab es seitens des Ministeriums über die Zusammenstellung von Schularbeiten nach
dem neuen Format, das den kompetenzorientierten Unterricht widerspiegelt.
Auf die Diskussion im Februar 2014 über die Datensicherheit am BIFIE reagierte das Bildungsministerium mit
einem Audit, das die sichere Datenverwaltung im Bildungsforschungsinstitut feststellte. Die Schulversuche heuer
konnten deswegen zwar vom BIFIE wie geplant durchgeführt werden. In der Umsetzung kam es aber erneut zu Problemen
und folglich zu teils heftiger Kritik, wie der Bericht vermerkt. Der höhere Schwellenwert zur Beurteilung
von Englischaufgaben, der unzureichende Ausdruck von Prüfheften in Mathematik und die fehlende Kontextualisierung
eines Deutschmaturatextes mit NS-Ideologie werden als Gründe der Aufregung genannt.
In allen Fällen habe das BIFIE die nötigen Konsequenzen gezogen, heißt es weiter. Geachtet werde
nun darauf, dass die Schulen Informationen über variable Schwellenwerte zur Benotung tatsächlich klar
übermittelt bekommen und dass dem zeitgeschichtlichen Hintergrund bei allen Aufgaben erhöhtes Augenmerk
geschenkt wird. Der Mangel an Prüfungsmaterialien für die Mathematik-Reifeprüfung konnte rasch behoben
werden, berichtet das BIFIE. Binnen weniger Minuten hätten die betroffenen Schulen einen elektronischen Download
mit den fehlenden Aufgaben erhalten.
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