Nationalrat durchleuchtet rechtliche Aufarbeitung der Immobilien-Affäre
Wien (pk) - Die Privatisierung von bundeseigenen Wohnbaugesellschaften wie der BUWOG unter dem damaligen
Finanzminister Karl-Heinz Grasser machten die Grünen am 05.11. im Nationalrat zum Thema. Abgeordnete Gabriela
Moser (G) forderte von Justizminister Wolfgang Brandstetter Auskunft über den Stand etwaiger Strafverfahren
dazu. In den Jahren 2011 und 2012 hatte sich ein Untersuchungsausschuss des Nationalrats mit der Klärung von
Korruptionsvorwürfen rund um diese Immobiliengeschäfte befasst.
Hintergrund der von den Grünen in der NR-Sondersitzung verlangten Kurzen Debatte bildete die schriftliche
Antwort des Justizministers auf eine im Juli erfolgte Anfrage von Gabriela Moser (G), wieweit die Verfahren zu
vermuteten illegalen Absprachen und Provisionszahlungen in Zusammenhang mit dem Verkauf von über 62.000 Bundeswohnungen
gediehen sind. Sie vermisse eine offensive Informationspolitik des Justizministeriums darüber, hielt Moser
dem Justizminister vor. Brandstetter räumte ein, sein Ressort müsse die Kommunikation nach außen
verbessern. Im Fall einer spezifischen Ermittlungseinstellung seien jedoch aus Datenschutzgründen keine Mitteilungen
ergangen und bei der BUWOG liege die lange Bearbeitung im komplexen Sachverhalt begründet, um die Qualität
des Verfahrens zu gewährleisten.
Moser: Intransparenz bei Kommunikation des Justizministeriums
Laut Moser wurde der Grundstein für die sogenannte BUWOG-Affäre im Jahr 2000 gelegt, als die Regierung
aus ÖVP und FPÖ beschloss, die fünf Wohnbaugesellschaften in Bundesbesitz am freien Markt zu verkaufen.
Über sein persönliches Netzwerk habe Finanzminister Grasser unter anderem mit Beratung durch die Investmentbank
Lehman Brothers die Verkäufe abgewickelt – und zwar zu für die Republik ungünstigen Konditionen.
Überdies hätten Scheinrechnungen dabei Provisionszahlungen verschleiert, die wiederum über raffinierte
Firmenkonstruktionen auf ausländische Konten gelangten, vermutet die ehemalige Vorsitzende des Korruptionsuntersuchungsausschusses
von 2011/12.
Nicht zufrieden ist Moser vor allem mit der Kommunikation der juristischen Entscheidungen in den fraglichen Immobiliengeschäften.
Die Einstellung des Ermittlungsverfahrens zum Kauf der Immobilie Nordbergstraße - wo die Wirtschaftsuniversität
Wien 2003 einmietete - durch ein Konsortium der Baufirma Porr anstelle der Bundesimmobiliengesellschaft (BIG),
sei etwa nicht erklärt worden. Bekanntheit erlangte dieses Geschäft durch den Mitschnitt eines Telefonats
zwischen dem Immobilienmakler Ernst Karl Plech und dem Lobbyisten Walter Meischberger, bei dem Letzterer die Aussage
"Wo woar mei Leistung" tätigte, als es um die Provisionen ging. Ebenso kritisiert Moser die Informationspolitik
des Justizministeriums zu den langen Verfahren bei den Wohnbaugesellschaften; das alles schwäche das Ansehen
der Justiz in der Bevölkerung massiv.
Verständlich sei für sie zwar, konstatierte Moser, dass komplexe Causen wie die BUWOG viel Zeit beanspruchen,
der Bevölkerung stehe aber zu, über die Gründe für lange Verfahren informiert zu werden. Selbst
sah sie als eine der Ursachen für schleppende Ermittlungen die Verpflichtung der Staatsanwaltschaft, vor jedem
Ermittlungsschritt die Berichtskette zu durchlaufen. Bis zu zwölf Stellen würden mit diesen Berichten
befasst, meinte die Grünen-Mandatarin, das System der Berichtspflicht sei folglich ineffizient und gehöre
abgeschafft.
Brandstetter: Vertrauen in Justiz durch Information stärken
"Die Justiz lebt vom Vertrauen, das man in sie setzt", unterstrich Justizminister Wolfgang Brandstetter.
Mosers Kritik sei daher nachvollziehbar, die Öffentlichkeit habe ein Recht auf Erklärungen dafür,
weswegen Verfahren eingestellt werden und welche Personen dies betraf. Generell müsse sein Ressort also die
Kommunikation verbessern. Allerdings habe es gerade im Fall Nordbergstraße gute Gründe gegeben, die
Angelegenheit nicht aktiv zu verlautbaren, denn zwei Beschuldigte seien aus gesundheitlichen Gründen vernehmungsunfähig
gewesen. Aufgrund der besonders schutzwürdigen Interessen der Betroffenen wurden keine Namen genannt. Der
Minister versicherte überdies, die Verfahrenseinstellungen durch die Korruptionsstaatsanwaltschaft habe neben
der Oberstaatsanwaltschaft Wien und dem Justizministerium auch der Rechtsschutzbeauftragte genehmigt, wie es die
Strafprozessordnung vorsieht.
Zum zweiten Kritikpunkt der Grünen Abgeordneten hielt Brandstetter fest, die Berichtspflicht betreffe die
Korruptionsstaatsanwaltschaft überhaupt nicht, da sie erst am Ende ihrer Ermittlungen Bericht legen müsse.
Gerade weil bei öffentlichkeitswirksamen Verfahren die Dauer oft als zu lang erscheint, habe man hier die
Berichterstattung an nächsthöhere Stellen massiv reduziert. Nach diesem Muster wolle er die Berichtspflicht
für Staatsanwälte insgesamt verringern, so der Justizminister. Im großen Sachverhaltskomplex der
BUWOG täten alle Beteiligten ihr Möglichstes, es werde hier wohl bald eine Entscheidung über die
weiteren Schritte geben.
Rolle der Staatsanwaltschaft als Knackpunkt in der Justiz
Für Albert Steinhauser (G) war die Ankündigung Brandstetters, die Berichtspflicht reformieren zu wollen,
begrüßenswert. Der Grüne Justizsprecher erwartet aber zudem eine Reform des Weisungsrechts, wie
er sagte. Immerhin habe der Justizminister seinen Willen dazu bei Amtsantritt zu verstehen gegeben. Ob Weisungen
an die Staatsanwaltschaft erteilt werden, müsse aus dem politischen Tagesgeschäft herausgenommen werden,
befand Steinhauser, die Weisungsspitze im Justizministerium sei daher vom Minister an eine andere Stelle zu übertragen.
Der von Brandstetter eingesetzte Weisenrat für Fälle der Befangenheit des Ministers helfe nämlich
gerade in clamorosen Fällen wenig beim Vertrauensaufbau in der Öffentlichkeit. Steinhausers Bereichskollege
von der SPÖ, Johannes Jarolim, wertete das Thema Weisungskette ebenfalls als diskussionswürdig. Gut sei
jedenfalls, dass der Minister bereits die Zahl der Berichtsaktenversendungen reduziert habe, sagte der Sozialdemokrat
mit Hinweis auf den Wegfall der obligatorischen Zwischenberichte durch die ermittelnde Staatsanwaltschaft.
Ungeachtet dessen, betonte Jarolim, gebe es immer noch zu wenige StaatsanwältInnen für ein schnelles
und gründliches Abarbeiten der bestehenden Aktenfülle. Ähnlich sieht dies Walter Rosenkranz (F).
Das Vertrauen in die Justiz könne nur mit einer ausreichend besetzten Staatsanwaltschaft gewonnen werden.
Kritisch bemerkte der Freiheitliche zur Anfrage der Grünen indes, das Parlament dürfe sich nicht zu sehr
in die strafrechtlichen Ermittlungen einmischen, sondern habe nur die politische Dimension der Vorfälle zu
bewerten. Besonders der Datenschutz sei zu beachten, bekräftigte Gabriele Tamandl (V), auch bei Prominenten.
Natürlich habe die Öffentlichkeit zu erfahren, wie Verfahren voranschreiten, solange schutzwürdige
Interessen gewahrt werden. Diesen sorgfältigen Umgang erwartete NEOS-Mandatar Gerald Loacker wiederum mit
dem Geld der SteuerzahlerInnen, das offenbar bei den gegenständlichen Causen eine große Rolle gespielt
habe. Loacker kritisierte in diesem Zusammenhang vor allem das Auftreten der Politik, die dem öffentlichen
Bild der Justiz mit ihrem Verhalten schade; so impliziere beispielsweise der Personalmangel bei der Staatsanwaltschaft,
die Bundesregierung sei kaum an einer lückenlosen Aufklärung interessiert.
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