Die Themenausstellung der ÖBB "Verdrängte Jahre - Bahn und Nationalsozialismus
in Österreich 1938 - 1945" Von 4. - 7. November 2014 im Europa Parlament in Brüssel
Brüssel/Wien (öbb) - Die Eisenbahn in Österreich hat eine über 175jährige Geschichte.
Neben enormen technischen Errungenschaften und die Bedeutung der Bahn für die industrielle Revolution, befassen
sich die ÖBB aber auch mit den dunklen Zeiten des Systems Schiene: Von 1938 bis 1945 waren die Österreichischen
Bundesbahnen (BBÖ) ein Teil der Deutschen Reichsbahn und eine der wichtigsten Stützen des nationalsozialistischen
Staates. Ohne die Eisenbahn als Transportmittel wären die Kriegslogistik der deutschen Wehrmacht und die Massentransporte
in die Vernichtungslager nicht machbar gewesen.
Christian Kern, CEO der ÖBB-Holding AG und CER-Vorsitzender: "Aus Verschweigen wird Vergessen. Wir wollen
etwas dafür tun, dass die Erinnerung von uns mitgetragen wird und weitergegeben wird. Das gehört zu unserer
gesellschaftlichen Verantwortung."
Diesem Zeitabschnitt ist die Themenausstellung "Verdrängte Jahre -Bahn und Nationalsozialismus in Österreich
1938 - 1945" gewidmet, die nun auch in Brüssel zu sehen ist und in der die österreichischen Bundesbahnen
ihr dunkelstes Kapitel aufarbeiten.
"Verdrängte Jahre" im Europäischen Parlament
Heute wurde die ÖBB-Themenausstellung im Europäischen Parlament in Brüssel eröffnet. Ulrike
Lunacek, Vizepräsidentin des Europäischen Parlaments, hielt in ihrer Eröffnungsrede fest: "Eines
der Plakate dieser Ausstellung zeigt den NS-Eisenbahnslogan "Die Räder müssen rollen für den
Sieg". Gerollt sind die Räder Tausender Lokomotiven und Waggons im Dienste der NS-Herrschaft jedoch für
die größte Niederlage der Menschlichkeit auf diesem Kontinent, für Gewalt und Grausamkeit, für
Vernichtung und Tod. Ich gratuliere den ÖBB, dass sie von sich aus die Aufarbeitung dieses dunklen Kapitels
ihrer Geschichte angestoßen haben - wer den Umgang Österreichs und vieler österreichischer Institutionen
mit der NS-Zeit kennt, weiß, dass das keine Selbstverständlichkeit ist. Diese Ausstellung basiert auf
dem Engagement von ÖBB-Mitarbeiterinnen und -Mitarbeitern, von ÖBB-Lehrlingen bis hin zu ZeitzeugInnen."
Auch Johannes Hahn, Kommissar für Nachbarschaftspolitik und EU-Erweiterung,
gratuliert den ÖBB zur mutigen Ausstellung: "Diese Ausstellung lehrt uns viel über die Schwächen
und Abgründe der Menschheit. Gleichzeitig ist sie aufschlussreich, bildend und berührend. Das Europäische
Parlament als Bürgerkammer ist dabei der richtige Ort für die kritische Auseinandersetzung." Thematisiert
wird die Bedeutung des Systems Bahn im 2. Weltkrieg gleichermaßen wie die Lehren aus diesen Erkenntnissen
für die Zukunft Europas.
Für EU-Abgeordneten Jörg Leichtfried ist die ÖBB-Themenausstellung deshalb ein wichtiges Zeichen:
"Wir verdrängen nicht", so Jörg Leichtfried, Mitglied im Verkehrsausschuss und Vizepräsident
der sozialdemokratischen Fraktion im Europäischen Parlament, "wir blicken ganz bewusst auf die dunklen
Kriegsjahre zurück und stellen im Europäischen Parlament in Brüssel die wesentlichen Erkenntnisse
aus. Warum? Um blinde Flecken aufzuarbeiten und in weiterer Folge den Blick auch darauf zu richten, warum es zu
diesem Friedensprojekt Europäische Union gekommen ist."
Denn die Rolle der Bahn im Zweiten Weltkrieg war eine zentrale. "Die Eingliederung der Österreichischen
Bundesbahnen in die Struktur des Dritten Reiches nach dem Anschluss 1938 hatte zur Folge, dass Züge für
die Deportation der Juden in Österreich benutzt wurden, und so zu der fast völligen Auslöschung
der jüdischen Gemeinschaft dieses Landes beigetragen haben.", so Raya Kalenova, Executive Vice-President
des European Jewish Congress in ihrer Rede. "Auch das ist Teil der Geschichte."
Eisenbahner im Widerstand
Viele Eisenbahner waren Helfer des NS-Regimes. Die nationalsozialistischen Machthaber versuchten ab März
1938 die Bahnbediensteten an ihr Regime zu binden. Eisenbahnerinnen und Eisenbahner hatten strengere Regeln als
Berufsbeamte zu befolgen, mussten "jederzeit rückhaltlos für den nationalsozialistischen Staat eintreten"
und sie wurden flächendeckend einer politischen Untersuchung und Überwachung unterzogen. Dennoch waren
sie maßgeblich am Widerstand gegen den Nationalsozialismus beteiligt. 154 Eisenbahner wurden wegen Ihres
Widerstandes zum Tode verurteilt und hingerichtet, 135 starben in Konzentrationslagen oder Zuchthäusern, 1.438
wurden zu KZ- oder Zuchthausstrafen verurteilt.
Den Anfängen zu wehren, dieser Satz darf keine leere Formel sein. Denn "heutzutage haben wir es mit fest
verwurzeltem Nationalismus und Intoleranz, sozialem Anarchismus, der in den Straßen zur Schau getragen anstatt
in der Wahlkabine kundgetan zu werden, zu tun", mahnte Maurice Sosnowski, Präsident des Comité
de coordination des organisations juives in Belgien angesichts des jüngsten Anschlags auf das Jüdische
Museum in Brüssel.
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