Unterrichtsausschuss stimmt Ausweitung des Förderprogramms zur Basisbildung zu
Wien (pk) - Das Förderprogramm Erwachsenenbildung wird zwei weitere Jahre laufen. Die Verlängerung
der entsprechenden Finanzierungsvereinbarung von Bund und Ländern wurde am 04.11. im Unterrichtsausschuss
mehrheitlich genehmigt. Bis 2017 sollen ab nächstem Jahr 54,6 Mio. € bereitgestellt werden, um Jugendlichen
ohne Pflichtschulabschluss bzw. gering qualifizierten Erwachsenen das Nachholen von Bildungsabschlüssen und
die Teilnahme an Programmen zur Basisbildung kostenlos anzubieten.
Auf die Vertagung einigte sich die Ausschussmehrheit aus SPÖ und ÖVP bei mehreren Anträgen der Opposition.
Konkret waren das Forderungen der Grünen nach Abschaffung von Sonderschulen und Landesschulräten, Politischer
Bildung als Pflichtfach, sowie nach mehr Bewegungsangeboten im Schulalltag; NEOS-Vorschläge zur Fortbildung
von LehrerInnen und zur SchuldirektorInnen-Bestellung; und die Anliegen der FPÖ, Schulsprengel aufzulösen
sowie die Finanzierung von Pflichtschulen zu reformieren.
Nachholen der Pflichtschulbildung wird weiter finanziert
Nachholbedarf in Sachen Basisbildung gebe es ausreichend in Österreich, erschließt sich aus der Regierungsvorlage,
der bis auf die Freiheitlichen alle Fraktionen zustimmten. Einer Studie der Organisation für wirtschaftliche
Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) zufolge würden bis zu einer Million ÖsterreicherInnen zwischen
16 und 65 Jahren nicht über ausreichende Kompetenzen in Lesen, Schreiben und Rechnen verfügen. Eingebettet
wird das Förderprogramm zum Erwerb von Grundkompetenzen in bundesweit einheitliche Qualitätsstandards,
unter anderem für Anbieter und Inhalte der Bildungsmaßnahmen. Insgesamt hätten somit weitere 19.400
Personen die Möglichkeit, ihr Bildungsniveau zu erhöhen, begrüßte Bildungsministerin Gabriele
Heinisch-Hosek die von Bund und Ländern getroffene Vereinbarung.
Eine zweite Chance eröffne sich damit für Personen jeden Alters, denen es an Schlüsselkompetenzen
für den Eintritt in die Gesellschaft mangelt, lobten auch Elisabeth Grossmann und Erwin Preiner (beide S)
die Initiative. Brigitte Jank (V) fügte an, nicht zuletzt verbesserten sich durch das Nachholen von Basisbildung
die Jobchancen, denn ein fehlender Schulabschluss führe oft in die Arbeitslosigkeit. Ausschussvorsitzender
Walter Rosenkranz warf allerdings kritisch ein, er erwarte sich bei den Bildungsmaßnahmen des Unterrichtsministeriums
im Sinne der effizienteren Gestaltung verstärkte Zusammenarbeit mit dem Sozialressort. Konkret sah er Ungereimtheiten
bei der Budgetsituation für das Programm, worauf Bildungsministerin Gabriele Heinisch-Hosek versicherte, vom
Finanzminister seien die bis 2017 nötigen Mittel zugesagt. Daniela Holzinger (S) wies zudem darauf hin, dass
Gelder aus dem Europäischen Sozialfonds zusätzlich in den Fördertopf flössen.
Harald Walser (G) und Gerald Loacker (N) befürworteten das Förderprogramm zwar grundsätzlich, werteten
es jedoch letztlich als Beleg für ein Versagen im bestehenden Schulsystem. Dabei würden sich die Kosten
für den Staat erhöhen, wenn schon PflichtschülerInnen die Grundkompetenzen im Lesen, Schreiben und
Rechnen nicht ausreichend vermittelt werden. Speziell bei der Lesekompetenz brauche es mehr Förderung, gerade
an den Volksschulen, spezifizierte Walser und fand dabei einen Unterstützer in Robert Lugar (T). Unzureichende
Basisbildung bei SchülerInnen dürfe nicht den Schulen allein angelastet werden, hielt daraufhin Ministerin
Heinisch-Hosek fest. Im Grunde sei es eine gesamtgesellschaftliche Verantwortung, Kinder in einem bildungsfreundlichen
Umfeld aufwachsen zulassen. Abgesehen davon, räumte sie ein, sehe sie tatsächlich in der frühen
Trennung der SchülerInnen in ihrer Schullaufbahn nach der Volksschule ein Problem. Dadurch würden Bildungsnachteile
im Elternhaus allzu häufig vererbt.
Oppositionsanträge zur Entpolitisierung und mehr Autonomie in der Warteschleife
In vielen Bereichen des Schulsystems orten FPÖ, Grüne und NEOS Veränderungsbedarf und legten dies
in mehreren Entschließungsanträgen dar, die SPÖ und ÖVP aber alle vertagten. Zentrales Anliegen
der Opposition ist die Schaffung entpolitisierter und möglichst autonom agierender Schulstandorte. Die Vertagung
wurde vielfach mit dem Hinweis begründet, dass eine Bildungsreformkommission ein Gesamtpaket vorlegen soll.
All diese Themen würden derzeit bereits auch in einer Arbeitsgruppe zwischen Bund und Ländern behandelt,
sagte Ministerin Heinisch-Hosek, die es für falsch hielt, Einzelteile zum jetzigen Zeitpunkt herauszunehmen.
Sie wolle kein Stückwerk, sondern ein großes Ganzes, hielt sie fest.
Der Grüne Bildungssprecher Harald Walser regt etwa an, die bestehenden Landesschulräte generell durch
regionale Bildungsdirektionen zu ersetzen und diese zu entpolitisieren. Auch soll nach Auffassung der Grünen
das Amt der proporzmäßig bestellten VizepräsidentInnen der Landesschulräte und des Stadtschulrates
Wien abgeschafft werden.
Die Forderung der Grünen nach Entpolitisierung wurde von den anderen Oppositionsparteien unterstützt.
Der Ausschussvorsitzende Walter Rosenkranz (F) wollte jedoch den Angriff Walsers hinsichtlich der Nominierung eines
21jährigen FPÖ-Kandidaten für den Posten des Vizepräsidenten des Wiener Stadtschulrates nicht
hinnehmen. Für Rosenkranz geht es darum, das System der Landesschulräte anders und vor allem effizienter
zu gestalten. Die Entscheidung des Wiener Bürgermeisters, den Posten nicht zu besetzen, hält er für
einen Verfassungsbruch. Auf eine entsprechende Frage reagierte Heinisch-Hosek mit dem Hinweis, dass sie dem Landeshauptmann
in diesem Fall keine Weisung erteilen könne.
Die Anträge der NEOS wiederum zielen auf mehr Schulautonomie und Stärkung der DirektorInnen ab. Funktionierende
Schulautonomie brauche geeigneten DirektorInnen, gibt NEOS-Bildungssprecher Matthias Strolz in seinem Antrag zu
bedenken. Er skizziert daher ein neues Verfahren zur Auswahl von SchuldirektorInnen, wobei neben einer hochwertigen
Leitungsausbildung die objektive Ermittlung der besten Kandidatin bzw. des besten Kandidaten maßgeblicher
Faktor sein muss. Zur Ankurbelung der Lehrerfortbildung rät Strolz, neben den Pädagogischen Hochschulen
auch Universitäten und private Anbieter für die Fortbildung des Lehrpersonals zuzulassen. Wichtig sei
überdies, vermehrt die unterrichtsfreie Zeit für Fortbildungsmaßnahmen zu nutzen. Die Direktoren
seien Manager und Gestalter der Schulen, sie sollen auch für die Auswahl der LehrerInnen sowie für deren
Fortbildung verantwortlich sein, unterstrich Gerald Loacker (N) den Vorstoß seiner Fraktion. Dieser Antrag
sei inhaltlich überholt, entgegnete ihm Erwin Preiner (S), denn was im Antrag gefordert werde, sei jetzt schon
Realität. Die Ministerin wandte sich auch dagegen, die Schule als einen Betrieb beziehungsweise als ein Unternehmen
zu betrachten.
Opposition für Abschaffung der Schulsprengel
FPÖ-Bildungssprecher Walter Rosenkranz und sein Parteikollege Gerald Hauser beziehen in einem Antrag erneut
für die Auflösung der Schulsprengel Position. Das stärke nicht nur die Wahlfreiheit der Eltern,
in welche öffentliche Pflichtschule sie ihre Kinder schicken, auch einen qualitätssteigernden Wettbewerb
zwischen den Schulen bewirke man damit, unterstützte Anneliese Kitzmüller (F)die Forderungen. Derzeit
seien Eltern Bittsteller, wenn sie für ihr Kind den Schulsprengel wechseln wollen, warf Gerald Loacker von
den NEOS ein. Grundsätzlich fand die Initiative auch bei den anderen Oppositionsparteien Zustimmung, sie wurde
jedoch von SPÖ und ÖVP vertagt.
Außerdem macht sich die FPÖ für eine Reform der Finanzierung des Pflichtschulerhalts. Die Gemeinden
seien oftmals in ihrer Verantwortung für Errichtung, Erhaltung und Auflassung allgemein bildender Pflichtschulen
finanziell überlastet.
Vollständige Inklusion versus Wahlfreiheit für die Eltern
Eine umfassendere Diskussion ergab sich zum Thema Inklusion. Nach Meinung der Grünen sollten die Sonderschulen
der Vergangenheit angehören, sie sollen in Kompetenzzentren für inklusiven Unterricht umgewandelt werden.
Dort ließen sich die pädagogischen und schulischen Rahmenbedingungen nach den Bedürfnissen aller
SchulpartnerInnen gestalten, erläuterte Abgeordnete Helene Jarmer (G). Das derzeitige Sonderschulsystem laufe
der UN-Konvention für die Rechte von Menschen mit Behinderung zuwider, die Österreich 2008 ratifiziert
hat. Als positives Beispiel nannte sie Südtirol, wo die Inklusion sehr gut funktioniere. Franz-Joseph Huainigg
(V) erinnerte in diesem Zusammenhang an den Nationalen Aktionsplan der Bundesregieruing, wonach Modellregionen
eingerichtet werden sollen. Er machte sich auch für die Wahlfreiheit der Eltern stark. Ebenso will Ausschussvorsitzender
Walter Rosenkranz (F) die Wahlfreiheit der Eltern nicht antasten. Jedes Kind sei individuell, sagte er, deshalb
sollten die Eltern entscheiden können. Damit konnte sich Harald Walser (G) nicht einverstanden erklären.
In vielen Regionen hätten heute die Eltern keine Wahl, befand er, außerdem sei in der UN-Konvention
das Recht des Kindes festgeschrieben, inklusiv unterrichtet zu werden.
"Ungeduldig" in der Frage der Inklusion zeigte sich auch Bildungsministerin Gabriele Heinisch-Hosek.
In Tirol, der Steiermark und Kärnten würden in nächster Zeit Modellregionen eingerichtet, informierte
sie, ihr Ziel sei es, bis 2020 schrittweise eine Annäherung an eine inklusive Gesellschaft zu erreichen. Es
gehe darum, das Machbare anzudenken, so die Ministerin, die gleichzeitig unterstrich, dass Inklusion als gesellschaftspolitisches
System gelebt werden müsse und nicht allein an der Schule hänge.
Mehr Bewegung in der Schule als Präventionsmaßnahme
Um mehr Bewegung in die Gespräche über verstärkten Turnunterricht an Schulen zu bringen, fordert
Harald Walser (G) 2 Mio. € aus dem Bildungsbudget für das kommende Jahr. Schulen würden aus diesem Topf
je bis zu 1000 € erhalten, wenn sie das Geld zweckgebunden für Bewegungsinitiativen einsetzen, die wiederum
autonom gestaltbar sind. Der zu Fuß zurückgelegte Schulweg, bewegter Unterricht oder Bewegungsspiele
für den Pausenhof wären kostengünstige Alternativen zur täglichen Turnstunde, die sich aus
Ressourcengründen häufig an den Schulstandorten nicht umsetzen lasse, so Walser. Sein Vorschlag würde
die tägliche Bewegungseinheit sicherstellen und liege auch im Sinne der Schulautonomie, bekräftigte Walser
im Ausschuss. Sein Vorschlag wurde auch von FPÖ-Bildungssprecher Walter Rosenkranz unterstützt. Manfred
Hofinger (V) verwies in seinem Vertagungsantrag auf das 6-Punkte-Programm der Regierung, worin der täglichen
Bewegung ein besonderer Schwerpunkt gewidmet sei, außerdem liege eine Gesetzesnovelle derzeit zur Begutachtung
vor. Bundesministerin Gabriele Heinisch-Hosek stellte klar, dass die von der Regierung vorgesehenen 10 Mio. € für
mehr Bewegung in der Schule ein Teil der 18 Mio. € darstellen, die ganztägigen Schulformen zur Verfügung
stehen werden. "Wir öffnen auch die Türen für Vereine", sagte sie.
Politische Bildung darf keine parteipolitische Bildung sein
Als eine aus demokratiepolitischen Gründen gestellte "Uraltforderung" bezeichnete Harald Walser
(G) schließlich seine Initiative, Politische Bildung als Pflichtfach ab der 7. Schulstufe in allen Schultypen
vorzusehen. Den derzeitigen Zustand der politischen Bildung hält er für besorgniserregend, denn es sei
ein Glücksspiel, ob sich derzeit LehrerInnen mit diesem Thema auseinandersetzen. Walter Rosenkranz von der
FPÖ warnte in diesem Zusammenhang vor Parteipolitik im Unterricht, wenn er auch prinzipiell für mehr
politische Bildung eintrat. Die Abgeordneten Daniela Holzinger (S) und Asdin El Habbassi (V) bezeichneten die geplante
Einführung von Pflichtmodulen als einen Schritt in die richtige Richtung. Die Etablierung der Politischen
Bildung als Pflichtfach sei finanziell derzeit nicht machbar, gab Ministerin Heinisch-Hosek zu bedenken. Es sei
aber im Rahmen von Schulversuchen bereits heute möglich, ein derartiges Pflichtfach zu führen, auch werde
die Erweiterung der Schulautonomie dafür Wege öffnen.
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