Vor 20 Jahren wurde für Überschuldete in Österreich der Privatkonkurs geschaffen.
Sinkende Konkurszahlen sind für Schuldenberatungen ein Aufruf, weiter Hürden abzubauen.
Wien (schuldenberatung) - Am 1.1.1995 trat das Gesetz für einen Privatkonkurs in Österreich in
Kraft. Es war ein Meilenstein im Kampf gegen Überschuldung, weil es einen Neustart für Menschen bietet,
die nicht mehr in der Lage wären, ihre hohen Schulden zu Lebzeiten gänzlich zurückzuzahlen. Seit
1995 haben fast 110.000 Personen Privatkonkurs angemeldet.
Zuletzt sorgten sinkende Privatkonkurs-Zahlen für Schlagzeilen. Hans W. Grohs, Geschäftsführer
der Dachorganisation der staatlich anerkannten Schuldenberatungen, asb, relativiert: "Nach 20 Jahren pendeln
sich die Zahlen langsam auf fast 10.000 Privatkonkurse im Jahr ein. Zu dem erzählen sinkende Zahlen auch von
tausenden Betroffenen, für die die Hürden eines Privatkonkurses immer noch zu hoch sind - denen der Neustart
somit verwehrt bleibt."
Die Dachorganisation der staatlich anerkannten Schuldenberatungen lädt heute Vormittag zu einem Festakt anlässlich
20 Jahre Privatkonkurs ins Justizministerium im Palais Trautson. Ausgehend von der soliden Arbeit der Schuldenberatungen
und der Justiz belegen ExpertInnen aus diesen Bereichen sowie aus Soziologie und Armutsforschung die große
Bedeutung der Schuldenregulierung für Betroffene und die Gesellschaft. Parallel lädt heute die SPÖ
zu einer Klubenquete zu Schulden, Kreditklemme und Privatinsolvenz ins Parlament, bei der ebenfalls Vertreter der
Schuldenberatungen ihre Expertise beisteuern.
"20 Jahre Privatkonkurs sind durchaus ein Grund zu Feiern", sagt Hans W. Grohs. "Nun müssen
wir gemeinsam und interministeriell daran arbeiten, um das Verfahren treffsicherer zu machen, noch mehr Menschen
einen Neustart zu ermöglichen und somit das EU-Ziel der Verringerung von Armut zu unterstützen. Dies
entspricht auch den Zielvorgaben im Regierungsprogramm."
"Mein Leben mit dem Privatkonkurs" im Palais Trautson
Georg Kodek, Richter am Obersten Gerichtshof, sowie Andreas Konecny, Vorstand des Instituts für Zivilverfahrensrecht
an der Uni Wien, berichten von den Entwicklungsschritten des Schuldenregulierungsverfahrens. Michael Chalupka,
Direktor der Diakonie Österreich, unterstreicht die Wichtigkeit der Schuldenregulierung für die Armutsbekämpfung.
Götz Lechner, Soziologe aus Bamberg, erläutert das Tabu des Scheiterns in unserer Gesellschaft. Brigitte
Schwent, langjährige Schuldenberaterin, und Monika Widauer-Scherf, Psychotherapeutin, beschreiben die Ausnahmesituation,
in der sich Menschen in finanziell auswegloser Situation befinden. Die Aussicht auf Entschuldung über einen
Privatkonkurs leistet einen wesentlichen Beitrag zur wirtschaftlichen, physischen und psychischen Gesundheit der
Betroffenen.
Die Geschichte der staatlich anerkannten Schuldenberatungen ist eng verknüpft mit jener des Privatkonkurses.
Sie haben einen gesetzlichen Auftrag und durch die vom Justizministerium vergebene staatliche Anerkennung die Möglichkeit,
SchuldnerInnen vor Gericht zu vertreten. "Wenn überschuldete Menschen nach einer Schuldenregulierung
wieder in vollem Ausmaß am wirtschaftlichen und sozialen Leben teilhaben können, nutzt das nicht nur
ihnen und ihren Familien. Gläubiger profitieren, weil sie rasch den maximal möglichen Anteil ihrer Forderungen
erhalten. Der Staat profitiert, weil aus EmpfängerInnen von Sozialleistungen wieder Einzahlende ins Sozialsystem
werden. Und die Wirtschaft gewinnt kaufkräftige KonsumentInnen", sagt Hans W. Grohs am 04.11. im Rahmen
der Veranstaltung "Mein Leben mit dem Privatkonkurs" im Palais Trautson.
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