Kunstgenuss Essen im LENTOS

 

erstellt am
14. 11. 14
10.00 MEZ

Von der Linzer Torte bis zur Bosna – von 14. November 2014 bis 22. März 2015
Linz (lentos) - Riesen-Erdäpfel als Skulptur, Käse und Schokolade an die Wand gehängt, eine Küche aus Draht als plastische Zeichnung, saftige Früchte, üppige Speisereste, tanzende Würste, Rezepte zum Kunstwerk erhoben und gemeinsames Essen und Kochen als neue Kunstform - Essen aus einem neuen Blickwinkel betrachtet.

Essen ist Lebensnotwendigkeit, es verbindet den Menschen auf elementarste Weise mit der Welt, es vergegenwärtigt den ewigen Zyklus von Leben und Tod. Essen ist aber auch als sozial normierte und kulturell geprägte Handlung fundamentaler Bestandteil gesellschaftspolitischer Prozesse wie religiöser Riten. Als Teil unserer kulturellen Identität ist Essen daher seit jeher eine Inspirationsquelle für kreatives Schaffen. Die virtuose malerische Wiedergabe von Essbarem war seit dem 16. Jahrhundert dem Stillleben vorbehalten. Saftige Früchte, pralles Gemüse und üppige zum Verzehr angerichtete Speisen dienen aber nicht nur dem Augenschmaus, sondern symbolisieren im metaphorischen Sinn Körperlichkeit und Leben, Vergänglichkeit und Tod. Die diesem Verfall innewohnende Schönheit verdeutlichen die Fotografien toter Schweine von Madame d'Ora ebenso wie die Abfallbilder von Frenzi Rigling oder die düster atmosphärischen Früchte- und Gemüsepolaroids von Sabine Jelinek

Seit den 1960er Jahren ist Essen nicht mehr nur Darstellungsgegenstand, sondern wird zum Kunstmittel, seine Verarbeitung und Bearbeitung zum künstlerischen Prozess und seine Zubereitung zur Kunstaktion. Auf die Symbolkraft von Essen in der christlichen Tradition verweisen die Tierschlachtungen des Orgien-Mysterien-Theaters von Hermann Nitsch, und mit dem Teilen eines Brotlaibs unmittelbar auf ihrem Bauch rückt VALIE EXPORT in ihrer Kunstperformance, Homo Meter II Fragen nach Fruchtbarkeit, Geburt und Vergänglichkeit in den Mittelpunkt.

Als eigene Kunstrichtung postuliert die Eat Art die "Einheit von Kunst und Leben". Daniel Spoerris Fallenbilder - abgegessene Tische als Tafelbild an die Wand gehängt - visualisieren diesen Schnittpunkt zwischen Natur und Kultur. Als stumme Zeugen eines ewigen Kreislaufs zeigen sie eine Momentaufnahme aus dem Zyklus des Lebens. Dieter Roth verdeutlicht das Prozesshafte allen Seins über die Verwesung und Zersetzung von Essbarem.

Für Peter Kubelka ist "das Kochen nicht nur ein bildender Prozess wie andere Künste, sondern beides: Unmittelbares Eingreifen in die Natur und künstlerisch bildender Prozess". Weiterführend verknüpft Paul Renner Kochen und Kunst zu einer Performance Art im Rahmen gemeinsamer Koch- und Esserlebnisse.

Essen ist seit jeher Manifestation kultureller Zugehörigkeit, die ihren Ausdruck in bestimmten, für eine Region typischen Speisen findet. Heinz Cibulka zeigt in diesem Sinne Essen eingebettet in religiöse Rituale, Feierlichkeiten und den alltäglichen Kreislauf menschlicher Existenz. Essen vermag aber auch im Gegenzug als Katalysator für die Integration fremder kultureller Einflüsse dienen, wie die Geschichte der Bosna und die Videoporträts von Linzer Märkten anschaulich illustrieren.

Das Essverhalten der Gegenwart wird von zunehmender Genussfeindlichkeit und der Entfremdung des Menschen vom Ursprung seiner Nahrungsressourcen bestimmt. Robert F. Hammerstiel entlarvt in seinen Plastikstillleben Ersatzwelten und Wunschprojektionen der Werbung, die die Suche der Menschen nach einer heilen Welt bedienen. Genmanipuliertes Saatgut ist Thema der Arbeit von Lisl Ponger, und den Wandel von Essen als elementarem Grundbedürfnis zum Spaßfaktor einer Freizeitkultur verdeutlicht uns gigantisch vergrößertes Popcorn von Maria Bichler und Angelika Windegger.

Von 1900 bis heute zeigt die Ausstellung mit rund 100 Werken aus den Beständen des LENTOS Kunstmuseum, des NORDICO Stadtmuseum, aus zahlreichen Galerien und Privatsammlungen mit Werken von Albin Egger-Lienz, Rosa Scherer, Albert Paris Gütersloh, Alfred Wickenburg, Marie-Louise von Motesiczky, Edward Weston, Madame d'Ora, VALIE EXPORT, Hermann Nitsch, Otto Muehl, Rudolf Schwarzkogler, Dieter Roth, Daniel Spoerri, Alois Mosbacher, Heinz Cibulka, Paul Renner, Lisl Ponger, PRINZGAU/podgorschek, Frenzi Rigling und Ursula Hübner, um nur einige zu nennen, eine Bandbreite künstlerischen Schaffens, die die Relevanz der Grundsubstanz Nahrung als Verbindungsglied von Kunst und Leben verdeutlicht.

 

 

 

Allgemeine Informationen:
http://www.nordico.at

 

 

 

 

 

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