Parlament verlangt Steuerharmonisierung und Transparenz bei nationalen Steuervorschriften
Brüssel (europarl) - EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker erschien am 12.11. persönlich
zur außerordentlichen Aussprache über die Bekämpfung von Steuervermeidung, ausgelöst durch
die jüngsten Enthüllungen über Steuervergünstigungen für multinationale Unternehmen in
Luxemburg.
Juncker unterstrich, dass die Steuervorschriften in Luxemburg nicht illegal waren. Er gab jedoch zu, dass es "wahrscheinlich
ein gewisses Maß an Steuervermeidung in Luxemburg, wie auch in anderen Ländern, gegeben hat". "Das
gibt es überall in Europa, weil die Steuerharmonisierung nicht ausreichend ist", erklärte er, und
fügte hinzu, dass EU-Kommissar Moscovici Vorschläge für einen automatischen Informationsaustausch
nationaler Steuervorschriften vorlegen wird.
Der Vorsitzende der EVP-Fraktion Manfred Weber (DE) sagte, er sei zuversichtlich, dass Juncker die aktuellen Probleme
lösen wird. "Es war nicht die EU, die hier gescheitert ist, sondern die Mitgliedstaaten selbst, die keine
Bemühungen unternommen haben, ihre Körperschaftssteuer-Bemessungsgrundlagen zu harmonisieren. Wir brauchen
Transparenz bei nationalen Steuervorschriften genauso wie harmonisierte Besteuerungsgrundlagen", fügte
er hinzu.
Der S&D-Vorsitzende Gianni Pittella (IT) sagte, er sei "empört darüber, dass Menschen von großen
Unternehmen geschädigt werden, die keine Steuern dort zahlen, wo sie Gewinne machen. Steuervermeidung gibt
es auf der ganzen Welt, und das Schlimmste ist, dass sie nicht einmal illegal ist. Deshalb muss das Gesetz geändert
werden". Pittella schlug drei Maßnahmen vor: erstens, eine klare Definition von 'Steueroasen', zweitens,
schwere Sanktionen bei Verstößen und drittens, eine nach Ländern gegliederte Berichterstattung
für Steuern.
Kay Swinburne (UK) von der EKR forderte ebenfalls weiterführende Maßnahmen vor allem gegen aggressive
Steuervermeidung und hob die Notwendigkeit einer nach Ländern aufgeschlüsselten Berichterstattung über
Steuervorschriften hervor. "Das ist längst überfällig", sagte sie. Das Parlament sollte
allerdings das Ergebnis der Untersuchung von EU-Kommissarin Vestager abwarten, bevor es sich ein Urteil bildet,
fügte sie hinzu.
Der Vorsitzende der ALDE-Fraktion Guy Verhofstadt (BE) sagte, die Untersuchung der Kommission muss vor Jahresende
abgeschlossen sein, und sich nicht auf nur drei Länder beschränken, sondern allgemein mit dem Problem
der Steuerhinterziehung. Er forderte die Einsetzung eines besonderen Untersuchungsausschusses im Europäischen
Parlament und rief andere Fraktionen dazu auf, dies zu unterstützen. "Dies ist auch ein klarer Fall,
wo wir mehr Europa brauchen, um gemeinsame Vorschriften zur Einhaltung der Steuervorschriften und einen Konvergenzkodex
einzuführen, nicht aber eine allgemeine Harmonisierung, weil wir gar nicht wissen, auf welcher Ebene wir denn
harmonisieren sollen", sagte er.
Gabriele Zimmer (GUE/NGL, DE) verlangte von Juncker, er solle sein Handeln als ehemaliger Premierminister Luxemburgs
erklären und sagen, warum er es Unternehmen ermöglichte, Steuern in seinem Land zu vermeiden und damit
die Mittel zur Bekämpfung von Armut und zur Schaffung von Arbeitsplätzen zu begrenzen.
Philippe Lamberts (Grüne/EFA, BE) sagte, es ist höchste Zeit, die Steuerkriege in Europa zu beenden.
"Die davon profitieren, das sind die multinationalen Unternehmen und die Superreichen, während die öffentlichen
Finanzen Europas und damit der EU-Bürger die Opfer sind". Er verlangte von EU-Kommissarin Vestager, ihre
Untersuchung auszuweiten.
Paul Nuttall (EFDD, UK) sagte: "Herr Juncker, im Europawahlkampf setzten Sie sich für den Kampf gegen
Steuerhinterziehung durch multinationale Unternehmen ein, aber in Ihrem eigenen Land ließen Sie eine solche
Praxis zu. Die Bürger sind skeptisch, weil Sie wollen, dass sie nur Ihren Worten, nicht aber Ihren Taten folgen.
Entweder, Sie treten zurück oder Sie legen Ihr Amt bis zum Ende der Untersuchung nieder".
Bruno Gollnisch (Fraktionslos, FR) warf Juncker vor, Skandale zur Erweiterung seiner Macht zu nutzen. Er sagte,
dass Steuerharmonisierung nicht nötig ist, aber dass die multinationalen Unternehmen ihre Steuern dort zahlen
sollen, wo sie Gewinne machen. Er äußerte sich besorgt darüber, dass Angehörige der EU-Kommission,
angeführt von Präsident Juncker, die verschiedenen Fälle von Steuervermeidung untersuchen, einschließlich
Luxemburg.
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