EU-Unterausschuss begrüßt Kompromiss trotz einiger Wermutstropfen
Wien (pk) - Für die Mitgliedstaaten der EU soll es in Zukunft eine bessere rechtliche Absicherung für
Entscheidungen geben, den Anbau von gentechnisch veränderten Organismen (GVO) zu verbieten. Sie können
zwar nicht von vornherein festlegen, gentechnikfrei zu bleiben, dennoch soll ein neues System de facto das Selbstbestimmungsrecht
der einzelnen Länder in dieser Frage gewährleisten. Ein entsprechendes Dokument lag dem EU-Unterausschuss
des Nationalrats am 11.11. vor. Gesundheitsministerin Sabine Oberhauser begrüßte den EU-Vorschlag als
einen Kompromiss, der die Möglichkeit bietet, ein Land nachhaltig gentechnikfrei zu halten.
Das Thema ist insofern hoch aktuell, als sich heute auch der Umweltausschuss des Europäischen Parlaments mit
der Materie befasst hat. Nach derzeitigem Stand ist ein zweistufiges Modell vorgesehen. So können die Firmen
einen Antrag auf Zulassung von Saatgut für ganz Europa stellen. Die EU-Kommission verhandelt daraufhin mit
dem Konzern über Ausnahmen für einzelne Länder. Stimmt das Unternehmen nicht zu, kann in einem zweiten
Verfahren erneut von einem Mitgliedstaat eine Ausnahme beantragt werden, indem nationale Besonderheiten angeführt
werden.
Konzerne haben noch immer zu viel Mitspracherecht
Dieser Vorschlag wurde auch heute im EU-Unterausschuss allseits begrüßt. Österreich brauche eine
ausgewogene und nachhaltige Landwirtschaft, mit dem neuen Richtlinienentwurf könne man das nun selbst entscheiden,
freute sich Christine Muttonen (S). "Das nun festgelegte Selbstbestimmungsrecht ist in unserem Sinne",
zeigte sich auch Franz Leonhard Eßl (V) zufrieden. Gerald Loacker (N) sprach von einem Schritt in die richtige
Richtung, auch wenn er Verständnis für geäußerte Bedenken zeigte.
Diese Bedenken wurden vor allem von Wolfgang Pirklhuber (G) artikuliert, wobei auch er die vorliegende Einigung
nicht grundsätzlich ablehnte. Ihm ist jedoch die Tatsache ein Dorn im Auge, dass noch immer einem Konzern
zugebilligt wird, seine Zustimmung zu einer staatlichen Entscheidung zu geben, in diesem Fall gentechnikfrei zu
bleiben. Durch das zweistufige Verfahren wird aber dennoch, wenn auch über den Umweg der Kommission, die Entscheidung
des Staates abgesichert. Das sei "zynisch", ärgerte sich Pirklhuber und wies auf den Umweltausschuss
des Parlaments hin, der festgehalten habe, dass Konzerne nicht in die Entscheidungskompetenz von Staaten eingebunden
werden dürfen. Auch Marcus Franz vom Team Stronach hielte es für besser, wenn die Entscheidungskompetenz
direkt bei den Staaten liegen würde und nicht der Umweg über die Kommission gesucht werden müsste.
Johannes Hübner (F) bezweifelte, dass der Vorschlag WTO-konform ist, da die Zulassung über die Europäische
Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) läuft. Diesen Einwand konnte Ministerin Oberhauser entkräften,
indem sie darauf hinwies, dass eine Prüfung die Übereinstimmung mit den Regeln der WTO ergeben habe.
Hannes Weninger (S) appellierte daraufhin, dieses Fenster, das die EU nun eröffnet, zu erkennen und zu nutzen.
Er habe Verständnis für die Kritik, aber Österreich versuche seit vielen Jahren aus der "GVO-Falle"
herauszukommen, daher dürfe man diese einmalige Chance nicht vergeben.
Derzeit nur ein genetisch verändertes Saatgut zugelassen
Nach geltender Regel darf innerhalb der EU grundsätzlich ein Saatgut angebaut werden, wenn die EFSA nach eingehender
Prüfung und Risikoeinschätzung die Genehmigung erteilt. Die EU-Mitgliedstaaten haben aufgrund einer Schutzklausel
in der entsprechenden EU-Regelung die Möglichkeit, den Anbau gentechnisch veränderter Produkte auf ihrem
Gebiet zu verbieten. Sie müssen diese Entscheidung begründen und zeigen, dass diese GVO Menschen und
Umwelt schaden. Österreich würde aber nach jetziger Rechtslage einer Klage von einem Konzern nicht standhalten
können, gab Gesundheitsministerin Oberhauser zu bedenken.
Derzeit wird nur ein genetisch verändertes Saatgut in der EU angebaut, nämlich der insektenresistente
Mais MON 810 von Monsanto. Österreich hat jedoch genauso wie Deutschland, Bulgarien, Griechenland, Ungarn,
Italien, Luxemburg und Polen von der Schutzklausel Gebrauch gemacht und ist bislang, auch im Sinne des innerstaatlichen
Konsens, gentechnikfrei geblieben.
Nun haben einige Mitgliedsländer mehr Freiheit und Flexibilität eingefordert mit der Begründung,
dass es sich um ein "Thema mit ausgeprägter nationaler, regionaler und lokaler Bedeutung handelt, weil
es mit der Bodennutzung, den lokalen landwirtschaftlichen Strukturen und dem Schutz oder der Erhaltung von Lebensräumen,
Ökosystemen und Landschaften verknüpft ist" heißt es in dem vorliegenden Dokument. Dem kommt
nun die EU durch den Änderungsvorschlag zur bestehenden Richtlinie nach und hebt in diesem Zusammenhang auch
das Subsidiaritätsprinzip hervor. Es soll vor allem auch die Entscheidungsfreiheit der VerbraucherInnen, der
LandwirtInnen und der WirtschaftsteilnehmerInnen gewahrt und auch mehr Klarheit für alle Beteiligten geschaffen
werden, bekräftigt die EU-Kommission. Gleichzeitig hält die Kommission fest, dass das gemeinsame Zulassungsverfahren
und insbesondere der Evaluierungsprozess durch diese Flexibilität nicht beeinträchtigt werden soll.
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