Konjunktur in träger Abschwächungsphase

 

erstellt am
11. 11. 14
10.00 MEZ

Wien (wifo) - Erste Schätzungen zum BIP weisen auf eine Stagnation der österreichischen Wirtschaft im III. Quartal 2014 hin. Die der Wirtschaftsentwicklung vorlaufenden Indikatoren zeigen für die kommenden Monate eine weitere leichte Verschlechterung der Lage an. Noch liegen keinerlei Anzeichen für eine anschließende Belebung der Dynamik vor, jedoch scheint auch kein stärkerer Einbruch bevorzustehen. Die heimische Konjunktur befindet sich in einer trägen Abschwächungsphase.

Der österreichischen Wirtschaft fehlen zur Zeit die Wachstumsimpulse sowohl aus dem Inland als auch aus dem Ausland. Die Konsumnachfrage leidet unter der ungünstigen Einkommenssituation der privaten Haushalte, und die Unternehmen zögern Investitionsentscheidungen aufgrund der schlechten Wirtschaftsaussichten hinaus.

Das größte Problem ist aber die Schwäche der Warenexporte sowohl in die Länder des Euro-Raumes als auch die Schwellenländer, welche der Weltwirtschaft in den vergangenen Jahren wichtige Impulse verliehen hatten.

Nur in den USA wächst die Wirtschaftsleistung derzeit kräftig. Auf einen Anstieg des BIP im II. Quartal um real 1,1% gegenüber der Vorperiode folgte im III. Quartal abermals eine kräftige Erhöhung um 0,9%. Während die Notenbank der USA wegen der voranschreitenden Erholung auf dem Arbeitsmarkt ihr Wertpapierankaufsprogramm zur Ausweitung der Geldmenge eingestellt hat, schwenkt die Fiskalpolitik noch nicht auf einen restriktiveren Kurs ein. Die Neuverschuldung des Gesamtstaates erreicht 2014 voraussichtlich rund 6% des BIP; die Staatsschuld wächst damit anhaltend (2013: 105% des BIP).

Im Euro-Raum verringerte sich die Konjunkturdynamik hingegen wieder. Betroffen ist hier vor allem die Industrie - der Produktionsindex sank im August gegenüber Juli um 1,8%; der Anstieg im Juli um 0,9% hatte den Rückgang in den zwei Monaten zuvor nicht ausgeglichen. Die Schwäche der Konsumnachfrage dämpft weiterhin den Verbraucherpreisauftrieb. Nach einer Inflationsrate von 0,3% im September wird gemäß einer ersten Schätzung im Oktober ein Wert von 0,4% erwartet. Zudem scheint die Finanzmarktkrise noch nicht ganz überwunden: Beim jüngsten Stresstest der EZB entsprachen 25 der 130 geprüften systemrelevanten Banken im Euro-Raum nicht, und 13 davon konnten das fehlende Eigenkapital bislang noch nicht aufbringen. Die Unsicherheiten zeigen sich auch auf den Finanzmärkten, im Oktober etwa schnellten die Renditen griechischer Staatsanleihen innerhalb weniger Tage von 6,7% auf über 9% hinauf.

Der Mangel an Auslandsnachfrage bewirkte gemeinsam mit schleppendem Wachstum des Konsums und dem Rückgang der Investitionen im III. Quartal eine Stagnation der österreichischen Wirtschaft. Bereits in den zwei Quartalen zuvor war eine schrittweise Abnahme der wirtschaftlichen Dynamik festzustellen gewesen. Der Industrieproduktionsindex sank im Juli gegenüber dem Vormonat um 0,7% und im August um 2,4%. Im Vorjahresvergleich betrug der Rückgang im August 2,3%. Der WIFO-Frühindikator wies auch im September und Oktober auf eine anhaltend abwärtsgerichtet Entwicklung hin, welche zumindest bis Ende 2014 andauern wird.

Die heimischen Banken bestanden den Stresstest der EZB; nur ein Institut muss mit zusätzlichem Eigenkapital versorgt werden.

Dem europäischen Trend folgend verlangsamte sich die Inflation auch in Österreich (September 1,6%, August 1,7%). Preiserhöhend wirkten abermals die Mieten und einige Nahrungsmittelpreise.

Trotz der geringen Konjunkturdynamik wurde die Beschäftigung auch im Oktober etwas ausgeweitet, jedoch stieg zugleich die Arbeitslosigkeit neuerlich. Im Oktober registrierte das AMS 310.300 Arbeitslose. Die saisonbereinigte Arbeitslosenquote verharrte damit auf 8,6%.



Methodische Hinweise und Kurzglossar

Periodenvergleiche
Zeitreihenvergleiche gegenüber der Vorperiode, z. B. dem Vorquartal, werden um jahreszeitlich bedingte Effekte bereinigt. Dies schließt auch die Effekte ein, die durch eine unterschiedliche Zahl von Arbeitstagen in der Periode ausgelöst werden (etwa Ostern). Im Text wird auf "saison- und arbeitstägig bereinigte Veränderungen" Bezug genommen.

Die Formulierung "veränderte sich gegenüber dem Vorjahr . . ." beschreibt hingegen eine Veränderung gegenüber der gleichen Periode des Vorjahres und bezieht sich auf unbereinigte Zeitreihen.

Die Analyse der saison- und arbeitstägig bereinigten Entwicklung liefert genauere Informationen über den aktuellen Konjunkturverlauf und zeigt Wendepunkte früher an. Die Daten unterliegen allerdings zusätzlichen Revisionen, da die Saisonbereinigung auf statistischen Methoden beruht.

Wachstumsüberhang
Der Wachstumsüberhang bezeichnet den Effekt der Dynamik im unterjährigen Verlauf (in saisonbereinigten Zahlen) des vorangegangenen Jahres (t0) auf die Veränderungsrate des Folgejahres (t1). Er ist definiert als die Jahresveränderungsrate des Jahres t1, wenn das BIP im Jahr t1 auf dem Niveau des IV. Quartals des Jahres t0 (in saisonbereinigten Zahlen) bleibt.

Durchschnittliche Veränderungsraten
Die Zeitangabe bezieht sich auf Anfangs- und Endwert der Berechnungsperiode: Demnach beinhaltet die durchschnittliche Rate 2005/2010 als 1. Veränderungsrate jene von 2005 auf 2006, als letzte jene von 2009 auf 2010.

Reale und nominelle Größen
Die ausgewiesenen Werte sind grundsätzlich real, also um Preiseffekte bereinigt, zu verstehen. Werden Werte nominell ausgewiesen (z. B. Außenhandelsstatistik), so wird dies eigens angeführt.

Produzierender Bereich
Diese Abgrenzung schließt die NACE-2008-Abschnitte B, C und D (Bergbau und Gewinnung von Steinen und Erden, Herstellung von Waren, Energieversorgung) ein und wird hier im internationalen Vergleich verwendet.

Inflation, VPI und HVPI
Die Inflationsrate misst die Veränderung der Verbraucherpreise gegenüber dem Vorjahr. Der Verbraucherpreisindex (VPI) ist ein Maßstab für die nationale Inflation. Der Harmonisierte Verbraucherpreisindex (HVPI) ist die Grundlage für die vergleichbare Messung der Inflation in der EU und für die Bewertung der Preisstabilität innerhalb der Euro-Zone ( siehe auch http://www.statistik.at/ ).

Die Kerninflation als Indikator der Geldpolitik ist nicht eindeutig definiert. Das WIFO folgt der gängigen Praxis, für die Kerninflation die Inflationsrate ohne die Gütergruppen unverarbeitete Nahrungsmittel und Energie zu verwenden. So werden knapp 87% der im österreichischen Warenkorb für den Verbraucherpreisindex (VPI 2010) enthaltenen Güter und Dienstleistungen in die Berechnung der Kerninflation einbezogen.

WIFO-Konjunkturtest und WIFO-Investitionstest
Der WIFO-Konjunkturtest ist eine monatliche Befragung von rund 1.500 österreichischen Unternehmen zur Einschätzung ihrer aktuellen und künftigen wirtschaftlichen Lage. Der WIFO-Investitionstest ist eine halbjährliche Befragung von Unternehmen zu ihrer Investitionstätigkeit ( http://www.konjunkturtest.at/ ). Die Indikatoren sind Salden zwischen dem Anteil der positiven und jenem der negativen Meldungen an der Gesamtzahl der befragten Unternehmen.

Arbeitslosenquote
Österreichische Definition: Anteil der zur Arbeitsvermittlung registrierten Personen am Arbeitskräfteangebot der Unselbständigen. Das Arbeitskräfteangebot ist die Summe aus Arbeitslosenbestand und unselbständig Beschäftigten (gemessen in Standardbeschäftigungsverhältnissen). Datenbasis: Registrierungen bei AMS und Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger.

Definition gemäß ILO und Eurostat: Als arbeitslos gelten Personen, die nicht erwerbstätig sind und aktiv einen Arbeitsplatz suchen. Als erwerbstätig zählt, wer in der Referenzwoche mindestens 1 Stunde selbständig oder unselbständig gearbeitet hat. Personen, die Kinderbetreuungsgeld beziehen, und Lehrlinge zählen zu den Erwerbstätigen, nicht hingegen Präsenz- und Zivildiener. Die Arbeitslosenquote ist der Anteil der Arbeitslosen an allen Erwerbspersonen (Arbeitslose plus Erwerbstätige). Datenbasis:
Umfragedaten von privaten Haushalten (Mikrozensus).

Begriffe im Zusammenhang mit der österreichischen Definition der Arbeitslosenquote
Personen in Schulungen: Personen, die sich zum Stichtag in AMS-Schulungsmaßnahmen befinden. Für die Berechnung der Arbeitslosenquote wird ihre Zahl weder im Nenner noch im Zähler berücksichtigt.

Unselbständig aktiv Beschäftigte: Zu den "unselbständig Beschäftigten" zählen auch Personen, die Kinderbetreuungsgeld beziehen, sowie Präsenzdiener mit aufrechtem Beschäftigungsverhältnis. Zieht man deren Zahl ab, so erhält man die Zahl der "unselbständig aktiv Beschäftigten".

 

 

 

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