Autorin stellte Stiefkind der deutschen Literatur, die Erzählung, wieder in den Mittelpunkt
Wien (bpd) - "Ich freue mich, den diesjährigen Erich-Fried-Preis an Judith Hermann für ihr
Schaffen, für ihre erzählerische Kraft und Meisterschaft überreichen zu dürfen", sagte
Bundesminister Josef Ostermayer am 23.11. bei der Verleihung der Auszeichnung im Literaturhaus in Wien.
Detlev Rünger, Botschafter der Bundesrepublik Deutschland in Österreich, freute sich, dass der Preis
an Judith Hermann, "eine der bekanntesten Schriftstellerinnen Deutschlands", ging. Er betonte in seinen
Worten zudem die enge Verbindung zwischen Deutschland und Österreich. Erich Fried spiegle diese Verbindung
im Guten wie im Bösen wider.
Walter Hinderer, Präsidiumsmitglied der Internationalen Erich-Fried-Gesellschaft, beschrieb in seinen Begrüßungsworten
die alleinige Jurorin Monika Maron als geistreiche Erzählerin. Die deutsche Autorin und Essayistin hätte
sich ohne zu zaudern auf diese verantwortungsvolle Aufgabe eingelassen. In diesem Zusammenhang käme Maron
auch entgegen, dass ihr "niemals die Fähigkeit abhandengekommen ist, etwas zu denken oder zu sprechen".
Auch Bundesminister Ostermayer würdigte die Verantwortung der Solojurorin: "Es ist ein bemerkenswerter
Vorgang, die Entscheidung einer einzelnen Person zu übertragen und zu überlassen."
Jurorin Monika Maron widmete sich in ihrer Laudatio dem Schaffen der Preisträgerin Judith Herrmann. Vor 16
Jahren hätte sie mit ihrem ersten Buch "Sommerhaus, später" sowohl Literaturkritiker als auch
ihre Leser in einen Rausch versetzt, obwohl es sich um eine Erzählung, das "literarische Stiefkind",
und nicht um einen Roman gehandelt hätte. Judith Hermanns Protagonisten seien getrieben von einer "Sehnsucht,
die ihren Gegenstand nicht kennt", und in Erwartung, "irgendein Tag oder Geschehnis würde den Weg
weisen". Desillusion und zugleich große Sehnsucht würden unsere Generation einen. Die Kunst Judith
Hermanns sei es, "Momente zu fixieren und ihnen literarische Gestalt zu geben".
Die in Berlin geborene Preisträgerin Judith Hermann bedankte sich in ihrer Rede für den Preis. Sie hätte
sich nach langer Zeit wieder mit dem "in jeglicher Hinsicht politischen" Schriftsteller Erich Fried und
seiner von Vertreibung und Krieg geprägten Lebensgeschichte, die untrennbar mit seinem literarischen Schaffen
verknüpft ist, beschäftigt. Sie selbst habe im Zuge dessen erkannt: "Ich schreibe, um das Einzelne
im Text zu verstecken und in Sicherheit zu bringen", um festzustellen, in einer unglaubhaften Wirklichkeit
zu leben. In ebendieser müsse alles mit allem zusammenhängen.
Die Erich-Fried-Gesellschaft wurde genau ein Jahr nach dem Tod Erich Frieds im Jahr 1989 gegründet und ist
bis heute ein Dreiländerprojekt, in dem die deutschsprachige Literatur in Deutschland, der Schweiz und Österreich
Sitz und Stimme hat. Seit ihrer Gründung versammelt sie einige der wichtigsten und bedeutendsten Schriftsteller
unter einem Dach. In ihrem Präsidium sitzen zurzeit unter anderem Ilse Aichinger, Elfriede Jelinek, Adolf
Muschg, Christoph Hein und Friederike Mayröcker.
Der mit 15.000 Euro dotierte Erich-Fried-Preis wird seit 1990 durch die Internationale Erich-Fried-Gesellschaft
für Literatur und Sprache vergeben und von der Sektion Kunst im Bundeskanzleramt gestiftet. Der Preis wird
auf Vorschlag einer jährlich wechselnden, autonom entscheidenden Jurorin oder eines Jurors vergeben.
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