Bevor die Kunstwerke den ErbInnen der ursprünglichen BesitzerInnen übergeben werden,
können sie noch ein letztes Mal besichtigt werden.
Linz (lentos) - Der Linzer Gemeinderat stimmte am 20.11. dem Antrag des Verwaltungsausschusses der Museen
der Stadt Linz zu, drei Gemälde aus der Sammlung des LENTOS zu restituieren. Bei den drei Kunstwerken handelt
es sich um die Gemälde Maiwiese (Maienwiese), 1915, von Emil Nolde sowie Othello (Der Mohr), 1884, und Schwabing
(Blick aus dem Atelierfenster), 1891, von Lovis Corinth.
Die Maiwiese (Maienwiese) gehörte ursprünglich dem in Hamburg lebenden Arzt Dr. Otto Siegfried Julius.
Aufgrund seiner jüdischen Herkunft wurde er von den NS-Machthabern verfolgt und flüchtete im September
1938 in die Schweiz und 1939 weiter in die USA. Nach seiner überstürzten Flucht versuchte Dr. Julius
seine Kunstsammlung unter falschem Namen an die Adresse eines Bekannten in die Schweiz zu schicken. Auf dem Transportweg
verliert sich jedoch die Spur der Kunstsammlung. Die Maiwiese (Maienwiese) gelangte in späterer Folge in den
Besitz des Salzburger Galeristen Friedrich Welz, von dem es die Stadt Linz im November 1953 erwarb.
Die beiden Gemälde von Lovis Corinth, Othello (Der Mohr) und Schwabing (Blick aus dem Atelierfenster) befanden
sich im Eigentum des Berliner Handelsrichters, Kaufmanns und Kunstsammlers Jean Baer bzw. nach dessen Tod im Jahr
1930 seiner Witwe Ida Baer. Zwischen 1939 und ihrer Deportation nach Theresienstadt im August 1942, wo sie im selben
Jahr starb, verlor Ida Baer die Verfügungsgewalt über die Kunstsammlung. Der weitere Verbleib der Kunstwerke
bleibt unbekannt, ebenso der Zeitpunkt, zu dem Wolfgang Gurlitt in den Besitz der Werke gekommen war. Als Gurlitt
der Stadt Linz 1953 einen Teil seiner Sammlung, im Rahmen der Gründung der Neuen Galerie der Stadt, verkaufte,
befanden sich die beiden Gemälde darunter.
Aus den vorliegenden Forschungsergebnissen ergab sich, dass der Verlust der Verfügungsmacht über die
Kunstwerke in unmittelbarer Folge der Verfolgung von Otto Siegfried Julius bzw. Ida Baer durch die NS-Herrschaft
eingetreten war. Ein Rückgabetatbestand im Sinne des österreichischen Kunstrückgabegesetzes liegt
damit vor.
Im Sinne einer größtmöglichen Objektivierung des Sachverhalts ersuchte die Stadt Linz den für
Restitutionsfälle der österreichischen Bundesmuseen zuständigen Kunstrückgabebeirat um eine
ergänzende Beurteilung. Dieser schloss sich den dargestellten Schlussfolgerungen an und empfahl in beiden
Fällen die Restitution der Gemälde.
Zu Beginn nächsten Jahres werden alle drei Kunstwerke nun an die ErbInnen nach Otto Siegfried Julius bzw.
Ida Baer in Nordamerika übergeben und in deren Privatbesitz
übergehen. Vor Abschluss aller Formalitäten und Transportvorbereitungen ermöglicht das LENTOS all
seinen BesucherInnen, die Gemälde noch ein letztes Mal besichtigen zu können.
In einem Raum der aktuellen Sammlungspräsentation sind die Werke nun von 25.11.2014 bis 11.01.2015 ausgestellt.
Provenienzforschung im LENTOS und bisherige Ergebnisse
Zur Provenienz der Sammlung der Neuen Galerie bzw. des LENTOS, insbesondere jener Werke, die von Wolfgang Gurlitt
1953 bzw. 1956 an die Stadt verkauft wurden, wird seit Jahren geforscht. 1999 veröffentlichte die Stadt Linz
einen ersten Bericht (Walter Schuster: Die Sammlung Gurlitt der Neuen Galerie der Stadt Linz. Linz 1999). Zur Intensivierung
der Recherchen wurde im Auftrag des Bürgermeisters und des Magistratsdirektors im Jahr 2007 ein Arbeitskreis
für Provenienzforschung eingerichtet. Geleitet von Stella Rollig, künstlerische Direktorin der Museen
der Stadt Linz, gehören ihm weiters der kaufmännische Direktor Dr. Gernot Barounig, die Leiterin der
Gemäldesammlung des LENTOS Dr.in Elisabeth Nowak-Thaller, der Direktor des Archivs der Stadt Linz Mag. Dr.
Walter Schuster sowie die renommierte Provenienzforscherin Dr.in Vanessa Voigt aus Deutschland an.
Auf Grundlage der Ergebnisse der Forschungsarbeiten sowie mehrerer externer Gutachten wurden seither folgende Kunstwerke
restituiert:
1999: Lesser Ury, Die Näherin (Inv. Nr. 138)
an die Erben nach einem Berliner Kunstsammler
2003: Egon Schiele, Stadt am Fluss (Inv. Nr. 13)
an die Erben nach Daisy Hellmann
2009: Gustav Klimt, Damenbildnis (Inv. Nr. 149)
an die Erben nach Aranka Munk
2011: Wilhelm Trübner, Bildnis Carl Schuch (Inv. Nr. 104)
einvernehmliche Abgeltung an die Erben nach Harry Fuld
2012: Anton Romako, sechs Gemälde
an die Erbin nach Dr. Oskar Reichel
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