Krisenherde Ukraine und Syrien im Mittelpunkt der NR-Debatte über den Außenpolitischen
Bericht 2013
Wien (pk) - Neben Sanktionen braucht es im Konflikt zwischen Russland und der Ukraine auch den Dialog. Außenminister
Sebastian Kurz unterstützte in der Debatte des Nationalrats über den mit einer Mehrheit aus SPÖ,
ÖVP, Grünen, Team Stronach und NEOS zur Kenntnis genommenen Außenpolitischen Bericht 2013 am 20.11.
die Bestrebungen der Europäischen Union, ein neues Gesprächsklima mit Russland zu schaffen und zeigte
sich zuversichtlich, dass es der neuen EU-Außenbeauftragten Federica Mogherini gelingen werde, wieder zu
einer proaktiven Außenpolitik zurückzukehren. Beim zweiten zentralen Thema der Debatte, der Lage in
Syrien, verabschiedete das Plenum eine einstimmige Entschließung, in der alle sechs Fraktionen dazu aufrufen,
einen humanitären Korridor an der syrisch-türkischen Grenze zu errichten, um die Versorgung und Selbstverteidigung
der Menschen in der von IS-Kämpfern bedrohten Stadt Kobane zu ermöglichen.
Einig waren sich die Abgeordneten auch in der Missbilligung des Vorgehens der saudischen Behörden gegen den
Blogger Raif Badawi, wobei der der Debatte zugrundeliegende einstimmig angenommene Entschließungsantrag der
Grünen auch Anlass für eine kritische Bewertung des König Abdullah Dialogzentrums in Wien gab.
Konsens bestand schließlich über den Beitritt Österreichs zum Rahmenabkommen des Europarats über
den Wert des Kulturerbes sowie über die Ratifikation des revidierten Europäischen Übereinkommens
zum Schutz des archäologischen Erbes. Abgerundet wurde der außenpolitische Teil der Nationalratssitzung
mit der einstimmigen Genehmigung des Rücktritts Österreichs vom Gemeinsamen Rohstofffonds, die die Abgeordneten
vor allem mit dem geringen quantitativen Operationsvolumen begründeten.
SPÖ gegen Rhetorik des Kalten Krieges
Im Konflikt zwischen Russland und der Ukraine müsse endlich Schluss mit der Eskalation sein, betonte Josef
Cap namens der SPÖ. Eine Rhetorik des Kalten Krieges würde letztlich mit Atomraketen auf beiden Seiten
enden, warnte er. Dialog, und nicht Konfrontation, war auch die Devise seiner Fraktionskolleginnen Christine Muttonen
und Gisela Wurm, die mehr OSZE und weniger NATO forderten. Frieden gibt es nicht durch militärische Blöcke,
sondern nur durch kulturelle und wirtschaftliche Brücken, stand dabei für Muttonen fest. SPÖ-Klubobmann
Andreas Schieder wiederum sah Österreichs Außenpolitik auch durch die neue Form des Terrors vor große
Herausforderungen gestellt, sprach aber auch das Verhältnis zu Saudi-Arabien an. Das Wiener Dialogzentrum
mache nur dann Sinn, wenn es auch Fragen der Menschenrechte und der Grundrechte behandelt, gab er zu bedenken.
ÖVP für Außenpolitik auf Basis des Dialogs
Der Dialog dürfe niemals aufgegeben werden, sei es nun im Ukraine-Konflikt, in der arabischen Welt oder im
Verhältnis zum Iran, war auch für ÖVP-Klubobmann Reinhold Lopatka klar. Wenn Wien heute eine zentrale
Rolle beim Dialog zwischen Kulturen und Religionen einnimmt, dann sei dies vor allem auch ein Verdienst von Außenminister
Kurz, fügte er an. Elisabeth Pfurtscheller von der Volkspartei machte auf den Konflikt in Syrien aufmerksam
und berichtete von ihren Erlebnissen als Mitglied einer Beobachtergruppe an der syrisch-türkischen Grenze.
Sie begrüßte mit Nachdruck die einstimmige Entschließung des Nationalrates, die die Bildung eines
humanitären Korridors zur Versorgung der bedrohten Menschen fordert. Ihr Fraktionskollege Franz-Joseph Huainigg
hob die Leistungen Österreichs in der Entwicklungszusammenarbeit hervor und sah darin vor allem auch einen
Beitrag zur Friedenssicherung. Große Bedeutung maß er in diesem Zusammenhang der Möglichkeit zu,
ein freiwilliges Sozialjahr in Entwicklungsländern zu absolvieren.
FPÖ warnt vor Trendwende in der Südtirol-Politik
Heftige Kritik kam hingegen von der FPÖ. Ihr außenpolitischer Sprecher Johannes Hübner warf der
Regierung vor, in dem Papier menschenrechtlich bedenkliche Ereignisse wie den Umsturz in Ägypten zu beschönigen,
und stellte fest, der Bericht sei von geradezu "volksdemokratischen Zügen" getragen. Werner Neubauer
(F) stieß sich vor allem an den Bemerkungen zu Südtirol, in denen er eine grundlegende Trendwende erkannte.
Es gehe nicht an, die derzeitige Autonomie als Ersatz für das Selbstbestimmungsrecht zu sehen, kritisierte
er. Empörte reagierte Neubauer in diesem Zusammenhang auch auf die Behauptung des italienischen Staatspräsidenten
Giorgio Napolitano, Südtirol habe sich freiwillig an Italien angeschlossen. FPÖ-Mandatar Reinhard Eugen
Bösch richtete seinen Blick auf die Situation am Balkan und konstatierte, die Entwicklung in Bosnien und im
Kosovo zeige, dass Europa in dieser Region mit seinem Latein am Ende ist. Das multiethnische Projekt sei gescheitert,
die Krise habe sich bloß verschärft. Für Bösch stellte sich nun die Frage, ob es klug war,
verfeindete Volksgruppe zum Zusammenleben zu zwingen.
Grünen fordern Eigenständigkeit in der Außenpolitik
Für die Grünen vermisste Peter Pilz Eigenständigkeit in der österreichischen Außenpolitik,
dies insbesondere im Konflikt zwischen Russland und der Ukraine, aber auch angesichts der Autonomiebestrebungen
in den Kurdengebieten und des Umgangs mit der PKK. Kritische Worte fand er überdies auch für das König
Abdullah Dialogzentrum in Wien. "Entweder werden die Menschenrechte in Saudi-Arabien respektiert oder wir
sperren den saudischen Laden zu", brachte er seinen Unmut auf den Punkt. Seine Fraktionskollegin Tanja Windbüchler-Souschill
wiederum sah in der Außenpolitik auch die Energie- und Klimapolitik angesprochen und vermisste österreichische
Schritte zur Finanzierung des Klimaschutzes. Heftig kritisierte sie zudem auch die Kürzung der EZA-Mittel,
wobei sie meinte, die Politik der Regierung sei in diesem Bereich von "vollkommener Wurschtigkeit" gekennzeichnet.
Team Stronach drängt auf gesamteuropäische Lösung in der Asylpolitik
Jessi Lintl (T) wandte sich der Asylproblematik zu und ortete dabei Defizite in der Europäischen Union. Angesichts
der wachsenden Migrationsströme sei es höchste Zeit für eine gesamteuropäische Lösung,
mahnte sie. Konkret drängte Lintl auf ein konsequentes Vorgehen gegen Schlepper sowie auf eine gezielte Entwicklungszusammenarbeit,
um den Aufbau tragfähiger Strukturen in den notleidenden Ländern zu unterstützen.
NEOS gegen Aufweichung der Russland-Sanktionen
Europa darf die Hoffnungen der ukrainischen Bevölkerung, die ihre Zukunft als Mitglied der europäischen
Wertegemeinschaft sieht, nicht enttäuschen, warnte Christoph Vavrik von den NEOS. Eine Lösung des Konflikts
müsse demokratisch erfolgen, zugleich gelte es aber, gemeinsam standhaft gegenüber jenen zu sein, die
ihre Interessen mit Gewalt durchsetzen wollen. Vavrik wandte sich in diesem Sinn gegen eine Aufweichung der Sanktionen
gegenüber Russland, zumal diese seiner Meinung nach bloß zu einer weiteren Eskalation führen würden.
Klar war für den NEOS-Sprecher, dass die Aggression Russlands die Sicherheit gefährdet.
Kurz: Neben Sanktionen braucht es Dialog
Solange es zu keiner Verbesserung der Situation kommt, müsse man an den Sanktionen festhalten, gab Außenminister
Sebastian Kurz zu bedenken, der aber gleichzeitig die Bedeutung des Dialogs mit Russland hervorhob. Er begrüßte
in diesem Zusammenhang die Bemühungen der neuen EU-Außenbeauftragten Mogherini, ein neues Gesprächsklima
mit Moskau herzustellen. Heftig kritisierte Kurz Grünen-Sicherheitssprecher Pilz, der in der Debatte bemerkt
hatte, die Aggression im russisch-ukrainischen Konflikt sei vom Westen ausgegangen.
Nationalrat verurteilt Vorgehen Saudi-Arabiens gegen Blogger Raif Badawi
1.000 Peitschenhiebe und eine Geldstrafe von einer Million Riad drohen dem Blogger Raif Badawi wegen "Beleidigung
des Islam" und Betreibens einer liberalen Website. Die Abgeordneten aller Fraktionen brachten ihre Missbilligung
des Vorgehens der saudischen Behörden zum Ausdruck und unterstützten einen Entschließungsantrag
der Grünen, in dem Tanja Windbüchler-Souschill den Nichtvollzug der Strafe, die sofortige Freilassung
sowie eine Amnestie Badawis fordert und Außenminister Kurz zu einem diesbezüglichen Engagement gegenüber
Saudi-Arabien aufruft.
Wenn es um die Meinungs- und Religionsfreiheit geht, dann dürfe man nicht wegschauen, zeigte sich ÖVP-Mandatar
Franz Eßl überzeugt. Bestätigt wurde er von Petra Bayr (S), die auf die Unterdrückung der
Presse- und Meinungsfreiheit in weiten Teilen der Welt hinwies und dazu aufrief, in Saudi-Arabien zum Aufbau einer
starken Zivilgesellschaft beizutragen. Unterstützung kam auch von der FPÖ, deren Sprecher Roman Haider
allerdings weitergehende Schritte forderte. Sein Antrag, in dem er an die Regierung appellierte, sich für
die umgehende Abschaffung aller mit den Grund- und Menschenrechten unvereinbaren Strafen in Saudi-Arabien, insbesondere
Enthauptung, Steinigung und Auspeitschung, einzusetzen, blieb allerdings in der Minderheit. Christoph Vavrik von
den NEOS schließlich sah Österreich aufgefordert, in seiner Außenpolitik auch auf Werte zu setzen
und sich im Umgang mit anderen Staaten nicht ausschließlich von wirtschaftlichen Interessen treiben zu lassen.
Die Schließung des Dialogzentrums wäre seiner Meinung nach aber bloß eine billige symbolische
Geste.
Kulturelles und archäologisches Erbe im Fokus von internationalen Übereinkommen
Einstimmig genehmigte der Nationalrat den Beitritt Österreichs zum Rahmenabkommen des Europarats über
den Wert des Kulturerbes für die Gesellschaft, das vor allem die Verpflichtung zur Förderung und Sicherung
des freien, demokratischen Zugangs zum kulturellen Erbe als Ausdruck des Rechts auf freie Teilhabe am kulturellen
Leben enthält. Konsens bestand zudem auch über die Ratifikation des revidierten Europäischen Übereinkommens
zum Schutz des archäologischen Erbes. Ziel ist hier die Schaffung eines Rechtssystems zum Schutz der Bodendenkmäler,
so etwa durch Errichtung eines Inventars, Einrichtung von archäologischen Schutzzonen sowie der Verpflichtung
zur Meldung von Funden an die zuständigen Behörden.
Die Ratifizierung der beiden Abkommen unterstreiche die hohe Sensibilität Österreichs in Sachen Kultur,
meinte ÖVP-Abgeordnete Claudia Durchschlag, der Anton Heinzl von den Sozialdemokraten mit der Bemerkung beipflichte,
Österreich werde mit der Unterzeichnung einmal mehr seinen Ruf als Kulturnation gerecht.
Grünen-Kultursprecher Wolfgang Zinggl nahm die Debatte zum Anlass, die Kritik seiner Fraktion am geplanten
Transatlantischen Freihandelsabkommen TTIP zu deponieren, wobei er insbesondere die kulturellen Gestaltungsmöglichkeiten
Europas gefährdet sah. In einem Entschließungsantrag, der bei der Abstimmung mehrheitlich angenommen
wurde, appellierte er an die Bundesregierung, im Zuge der TTIP-Verhandlungen mit allen zu Gebote stehenden Mitteln
darauf hinzuarbeiten, dass das von Österreich und den anderen EU-Mitgliedstaaten ratifizierte UNESCO-Übereinkommen
über den Schutz und die Förderung der Vielfalt kultureller Ausdrucksformen auch in den TTIP-Vertragstext
aufgenommen wird. FPÖ-Abgeordneter Walter Rosenkranz lehnte namens seiner Fraktion den Antrag der Grünen
ab, wobei er argumentierte, man dürfe nicht einmal den Anschein von Verhandlungen über TTIP erwecken.
Österreich tritt vom Gemeinsamen Rohstofffonds zurück
Mit dem Rücktritt vom Gemeinsamen Rohstofffonds (GF) bezweckt Österreich die Rückholung nicht sinnvoll
genutzter Mittel. Ein von den Abgeordneten einstimmig verabschiedetes Bundesgesetz ermöglicht in diesem Sinn
die gänzliche Rückführung der österreichischen Leistungen in der Höhe von rund 1,538 Mio.
€. Begründet wird der Rücktritt, wie ÖVP-Abgeordnete Claudia Durchschlag in der Debatte erklärte,
vor allem mit dem geringen quantitativen Operationsvolumen des Fonds. Auch lasse die aktuell diskutierte Reform
keine positive Antwort auf die Fragen nach Sinnhaftigkeit und Zweckmäßigkeit des GF zu. Es erscheine
daher nicht gerechtfertigt, die bisherigen Beiträge weiterhin brach liegen zu lassen bzw. neue Beiträge
zu leisten.
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