Bisher 17 ausländische Betriebe für österreichischen Arbeitsmarkt gesperrt
Wien (pk) - Betriebe, die ihren MitarbeiterInnen zu wenig Lohn zahlen oder ihnen andere zustehende Leistungen
vorenthalten, müssen künftig mit höheren Strafen rechnen. Der Nationalrat hat am 20.11. mit Zustimmung
aller Fraktionen mit Ausnahme der FPÖ ein entsprechendes Gesetzespaket auf den Weg gebracht. Damit sollen
Schlupflöcher, die sich in der Praxis bei der Vollziehung des 2011 beschlossenen Lohn- und Sozialdumpinggesetzes
gezeigt haben, geschlossen werden. Grundsätzlich zeigten sich alle Fraktionen mit den verschärften Bestimmungen
zufrieden, nur der FPÖ gehen die Maßnahmen nach wie vor viel zu wenig weit. Einige Teile des umfangreichen
Arbeits- und Sozialrechtsänderungsgesetzes 2014 ( ASRÄG 2014) stießen auch bei den Grünen
und den NEOS auf Kritik.
Mit dem Gesetzespaket wird unter anderem die Lohnkontrolle auf alle Entgeltbestandteile ausgedehnt, die Nichtvorlage
von Lohnunterlagen und Entsendemeldungen schärfer sanktioniert und die Vorschreibung von Sicherheitsleistungen
erleichtert. Zudem werden einzelne Strafen angehoben und ArbeitnehmerInnen künftig automatisch über verhängte
Strafbescheide wegen Unterentlohnung informiert. Weitere Bestimmungen betreffen bürokratische Erleichterungen
für Unternehmen, etwa was Arbeitsaufzeichnungspflichten und die Einberufung des Arbeitsschutzausschusses betrifft,
einen erleichterten Zugang von NebenerwerbslandwirtInnen und KindergeldbezieherInnen zum Arbeitslosengeldbezug
und Anpassungen im Arbeitszeitgesetz an eine neue EU-Verordnung über den Einsatz von Fahrtenschreibern im
Straßenverkehr.
Ergänzend zum Gesetzespaket beschloss der Nationalrat eine Änderung des Arbeitsruhegesetzes, um sicherzustellen,
dass Störungen der Wochenendruhe, Wochenruhe, Feiertagsruhe und Ersatzruhe von den Unternehmen jedenfalls
weiter aufgezeichnet werden. Eine Novelle zum Arbeitsmarktpolitik-Finanzierungsgesetz, der zufolge auch im kommenden
Jahr Einnahmen aus der Arbeitslosenversicherung für die Finanzierung von Kurzarbeit bereitgestellt werden
können, fand die Zustimmung aller Fraktionen, ausgenommen der NEOS.
In Form einer einstimmig angenommenen Entschließung ersuchen die Abgeordneten Sozialminister Rudolf Hundstorfer,
eine wissenschaftliche Studie zum Thema Gewalt und sexueller Missbrauch an behinderten Menschen in Auftrag zu geben.
Sie griffen damit eine Anregung der Grünen auf. Weitere Oppositionsanträge blieben in der Minderheit.
SPÖ und ÖVP unterstreichen Bedeutung des Kampfs gegen Lohndumping
In der Debatte unterstrichen die Abgeordneten der Koalitionsparteien die Bedeutung des Gesetzespakets. Beim Kampf
gegen Lohn- und Sozialdumping schalte man einen Gang höher, hielt etwa SPÖ-Abgeordneter Rainer Wimmer
fest. Die Praxis habe gezeigt, dass es notwendig sei, in einigen Punkten nachzuschärfen. So werde es durch
die verpflichtende Bereitstellung von Lohnunterlagen schwieriger "zu schwindeln", meinte er. Für
unseriöse Firmen werde es außerdem erheblich teurer.
ÖVP-Sozialsprecher August Wöginger machte darauf aufmerksam, dass die Höchststrafe für die
Nichtbereitstellung von Lohnunterlagen deutlich angehoben wird. Gleichzeitig sehe man nach dem Motto "beraten
statt strafen" künftig von Verwaltungsstrafen ab, wenn nur geringfügige und unabsichtliche Vergehen
gegen die gesetzlichen Bestimmungen vorliegen. Die vorgesehenen Entbürokratisierungsschritte für Unternehmen
bringen ihm zufolge keine Nachteile für ArbeitnehmerInnen.
Sowohl Wöginger als auch Wimmer äußerten sich auch über die Bereitstellung zusätzlicher
Mittel für Kurzarbeit erfreut. Dieses Instrument habe es Österreich ermöglicht, gut durch die Krise
zu kommen, betonte Wimmer.
Abgeordneter Walter Schopf (S) wies darauf hin, dass man in den vergangenen Jahren wegen Lohn- und Sozialdumping
rund 1.000 Strafanzeigen erstattet und 20 Mio. € Strafgeld verhängt habe. In manchen Branchen liege etwa die
Überstundenentlohnung im Argen, hob er hervor.
FPÖ gehen gesetzliche Bestimmungen zu wenig weit
Die FPÖ begründete die Ablehnung des Gesetzespakets damit, dass die Bestimmungen gegen Lohn- und Sozialdumping
trotz der vorgesehenen Verschärfungen nach wie vor mangelhaft seien. In ein paar Jahren werde man das Gesetz
wieder repariert werden müssen, prophezeite Abgeordnete Dagmar Belakowitsch-Jenewein. Wenn Österreich
nicht strenger vorgehe, würden die Arbeitslosenzahlen in Österreich weiter in die Höhe schnellen,
warnte sie.
Die FPÖ spricht sich unter anderem für die Einrichtung eines öffentlich zugänglichen Registers
für Verwaltungsstrafen wegen Lohn- und Sozialdumpings und eine Verschärfung des Gewerberechts zur Verhinderung
von Scheinfirmen im Bau- und im Baunebengewerbe aus. Weiters sollten die Behörden die Möglichkeit erhalten,
Baustellen zu schließen. Da man Anmeldungen zur Sozialversicherung im Ausland nicht überprüfen
könne, schlägt Belakowitsch-Jenewein zudem vor, eine Pflicht zur Abführung von Sozialversicherungsbeiträgen
in Österreich zu verankern.
Um die gesetzlichen Bestimmungen effizient kontrollieren zu können, plädiert die FPÖ dafür,
die Zahl der Dienstposten bei der Finanzpolizei zu verdoppeln und eine Taskforce zwischen Sozialministerium, AMS,
Arbeitsinspektorat, Finanzpolizei, Polizei und Gewerbebehörde einzurichten. Überdies regt sie an, auch
auffällig gewordene ArbeitnehmerInnen zu belangen und beispielsweise ein Arbeits- und Aufenthaltsverbot für
ausländische ArbeitnehmerInnen zu verhängen, wenn sie zum zweiten Mal im Rahmen eines Lohn- und Sozialdumpingfalls
erfasst wurden. Bekräftigt wurden die Forderungen der FPÖ durch einen Entschließungsantrag, der
bei der Abstimmung allerdings in der Minderheit blieb.
Abgeordneter Rupert Doppler (F) beklagte, dass es immer mehr Fremdfirmen auf österreichischen Baustellen gebe.
Heimischen Firmen mit Eigenpersonal sei es fast nicht mehr möglich, zu Aufträgen zu kommen.
Grüne orten Aufweichung von Arbeitnehmerschutzbestimmungen
Seitens der Grünen kündigte Abgeordnete Birgit Schatz trotz Kritik an einzelnen Punkten die Zustimmung
ihrer Fraktion zum Gesetzespaket an. Viele der nunmehr vorgesehenen Gesetzesverschärfungen im Bereich Lohn-
und Sozialdumping hätten die Grünen bereits 2011 beantragt, betonte sie. Auch bei den neuen Bestimmungen
ortet sie in einigen Bereichen noch Verbesserungsbedarf, etwa was die Möglichkeit von Verbandsklagen und die
Verständigung der ArbeiternehmerInnen über Strafbescheide wegen Unterentlohnung betrifft.
Schatz hegt vor allem die Befürchtung, dass ArbeitnehmerInnen um ihre gegenüber dem Arbeitgeber bestehenden
Entgeltansprüche umfallen, wenn sie erst bei Vorliegen eines Strafbescheids wegen Unterentlohnung informiert
werden. Das könnte in vielen Fällen aufgrund der in den Kollektiverträgen verankerten Verfallsfristen
viel zu spät sein, moniert sie und verlangt eine Information der ArbeitnehmerInnen bereits bei Vorliegen einer
Anzeige wegen Lohn- und Sozialdumpings. Um die Wirksamkeit des Gesetzes zu erhöhen, urgierte Schatz außerdem
eine Stärkung der entsprechenden Kontrollstrukturen, ein von ihr eingebrachter Entschließungsantrag
blieb aber ebenso in der Minderheit wie ein Abänderungsantrag, der sich neben dem Bereich Lohn- und Sozialdumping
auch auf andere Teile des Gesetzespakets bezog.
Aus dem Gesetz streichen wollte Schatz etwa auch die vorgesehenen bürokratischen Erleichterungen für
Unternehmen. Da durch diese ihrer Meinung nach die Arbeitnehmerschutzbestimmungen aufgeweicht werden, stimmten
die Grünen in Zweiter Lesung auch gegen diesen Teil des Gesetzespakets. Im Konkreten kritisierte Schatz etwa
die Reduzierung der verpflichtenden Sitzungen des Arbeitsschutzausschusses auf einen pro Jahr und die mögliche
Funktionsüberschneidung von Sicherheitsvertrauenspersonen und Präventivfachkräften.
Team Stronach und NEOS begrüßen gesetzliche Nachschärfungen
Abgeordnete Waltraud Dietrich gab zu bedenken, dass nicht nur der Produktions- und Industriestandort Österreich
durch die Abwanderung von Betrieben in das Ausland sukzessive geschwächt werde. Durch "das Schlupfloch
Entsenderichtlinie" würden auch immer mehr ausländische ArbeitnehmerInnen auf österreichischen
Baustellen arbeiten, kritisierte sie. Dietrich begrüßte daher die verschärften Bestimmungen gegen
Lohn- und Sozialdumping. Man müsse aber auch noch gegen weitere Schlupflöcher vorgehen, forderte sie.
Immer mehr Zimmermädchen würden als Einzelunternehmerinnen in Hotels arbeiten, das gleiche gelte für
FriseurInnen in Friseursalons. Damit unterlaufe man die Kollektivverträge. Zustimmend äußerte sich
Dietrich auch zur Aufstockung der Mittel für Kurzarbeit.
Grundsätzlich begrüßt wurden die verschärften Gesetzesbestimmungen auch von den NEOS. Abgeordneter
Gerald Loacker bedauerte allerdings, dass Anregungen seiner Fraktion, die einzelne Bestimmungen seiner Meinung
nach praxistauglicher gemacht hätten, bei den Ausschussberatungen nicht aufgegriffen wurden. Man dürfe
Unternehmen nicht unter Generalverdacht stellen, unterstrich er und brachte daher neuerlich einen Antrag mit Abänderungsvorschlägen
ein.
Im Konkreten fordert Loacker, auf die Verpflichtung, Lohnunterlagen am Arbeitsort bereitzuhalten, zu verzichten,
wenn die steuerliche Vertretung des Unternehmens durch einen befugten Dritten wahrgenommen wird. Zudem machte er
sich dafür stark, ArbeitnehmerInnen erst dann über eine Unterentlohnung zu informieren, wenn ein rechtskräftiger
Strafbescheid vorliegt, um Rechtsunsicherheit und Misstrauen zu vermeiden. Adaptiert wissen wollte er außerdem
die Bestimmungen über die Zustellung von Strafbescheiden an ausländische Unternehmen sowie die Bestimmungen
über Entsendungen.
NEOS-Abgeordneter Josef Schellhorn sprach sich neuerlich für eine Arbeitszeitflexibilisierung aus. Mit längeren
Durchrechnungszeiträumen wäre es auch möglich, Kurzarbeit zu vermeiden, meinte er. Ebenfalls viel
zu starr sind für ihn die Vorgaben für Teilzeitbeschäftigung. SPÖ-Abgeordneter Markus Vogl
zeigt sich allerdings skeptisch, was die Einführung von Arbeitszeitkonten betrifft.
Hundstorfer: 17 ausländische Firmen für heimischen Arbeitsmarkt gesperrt
Sozialminister Rudolf Hundstorfer wies darauf hin, dass bislang 17 ausländische Firmen wegen Lohn- und Sozialdumping
für den österreichischen Arbeitsmarkt gesperrt wurden. Im Zuge der Kontrolle von rund 28.000 Firmen hat
man knapp 1.000 Anzeigen erstattet. Jeweils die Hälfte davon betraf in- und ausländische Betriebe. Österreich
sei das einzige europäische Land, in dem der Tatbestand der Unterentlohnung verwaltungsstrafrechtlich verfolgt
werde, machte der Minister geltend.
Was die Eintreibung von Verwaltungsstrafen betrifft, setzt Hundstorfer auf die demnächst in Kraft tretende
Durchführungsrichtlinie zur EU-Entsenderichtlinie. Diese werde es erleichtern, Verwaltungsstrafen im Ausland
zu exekutieren, sagte er. Der FPÖ hielt der Sozialminister vor, sich durch die Ablehnung des vorliegenden
Gesetzespakets für die Beibehaltung von Missständen auszusprechen. Nicht richtig ist für ihn zudem
die von der FPÖ aufgestellte Behauptung, dass das Personal bei der Finanzpolizei reduziert werde.
Auf die Forderung der FPÖ, das Personal der KIAB von 535 auf 1.070 zu verdoppeln, ging ÖVP-Abgeordneter
Gabriel Obernosterer ein, er hat dafür kein Verständnis. Seiner Ansicht nach werden die Betriebe ausreichend
kontrolliert.
Leichterer Zugang zu Arbeitslosengeld für NebenerwerbslandwirtInnen
Von allen Fraktionen positiv gewertet wurde, dass NebenerwerbslandwirtInnen mit extrem geringen Einkünften
aus der Landwirtschaft künftig wieder Arbeitslosengeld erhalten, wenn sie ihre Beschäftigung verlieren.
Auch die Mitberücksichtigung von Zeiten des Kinderbetreuungsgeldbezugs bei der Berechnung der Anwartschaft
auf Arbeitslosengeld stieß auf breite Zustimmung. Voraussetzung ist, dass neben dem Kindergeldbezug mindestens
14 Wochen sonstiger Anwartschaftszeiten vorliegen.
Es sei zu begrüßen, dass NebenerwerbslandwirtInnen mit Kleinstbetrieben wieder Zugang zum Arbeitslosengeld
erhalten, hoben unter anderem die Abgeordneten Harald Jannach (F) und Johann Höfinger (V) hervor. Jannach
übte allerdings scharfe Kritik daran, dass die Forderung der FPÖ, die Förderung von großen
Agrarbetrieben zu kürzen, bei der gestrigen Abstimmung im Nationalrat auch von der SPÖ abgelehnt wurde.
Zustimmend zur Gesetzesänderung äußerte sich auch Abgeordnete Birgit Schatz (G). Sie bedauerte
allerdings, dass für Selbstständige nicht die gleichen Regelungen gelten wie für NebenerwerbslandwirtInnen.
Auch Selbstständige sollten nach Verlust einer unselbstständigen Beschäftigung Zugang zu Arbeitslosengeld
haben, sofern sie im gegenständlichen Monat keine Einkünfte über der Geringfügigkeitsgrenze
erreichen, beantragte sie.
Bei der Abstimmung wurde das Arbeits- und Sozialrechtsänderungsgesetz 2014 in Dritter Lesung mit den Stimmen
der SPÖ, der ÖVP, der Grünen, des Team Stronach und der NEOS beschlossen. Den Änderungen im
Arbeitslosenversicherungsgesetz hatte zuvor in Zweiter Lesung auch die FPÖ zugestimmt. Die Abänderungsanträge
der Grünen und der NEOS blieben in der Minderheit. Mit dem Beschluss sind auch zwei Entschließungsanträge
der FPÖ zum Themenkomplex Lohn- und Sozialdumping und zum Arbeitslosenbezug von Nebenerwerbslandwirten sowie
ein Entschließungsantrag der Grünen zur Anrechnung von Zeiten des Kindergeldbezugs für den Erhalt
von Arbeitslosengeld miterledigt.
Die mit dem Arbeits- und Sozialrechtsänderungsgesetz in Zusammenhang stehende Änderung des Arbeitsruhegesetzes
wurde vom Nationalrat ebenfalls mehrheitlich verabschiedet. Gleiches gilt für die Änderung des Arbeitsmarktpolitik-Finanzierungsgesetzes,
wobei bei der Abstimmung ein rein formaler S-V-Abänderungsantrag berücksichtigt wurde.
Abgelehnt wurden schließlich der Entschließungsantrag der FPÖ betreffend Anti-Lohn- und Sozialdumpingoffensive
und der Entschließungsantrag der Grünen betreffend Aufstockung der Personalressourcen bei der Lohnkontrolle.
FPÖ für 1.600 € Mindestlohn, Grüne für verpflichtungsfreie Tage für Arbeitslose
Mitverhandelt mit dem Gesetzespaket wurde ein Antrag der FPÖ, in dem Abgeordneter Herbert Kickl und seine
FraktionskollegInnen die Einführung eines Mindestlohns von 1.600 €, eine Mindestpension von 1.200 € und weitere
Maßnahmen zur Vermeidung von Armut fordern. Ein Antrag der Grünen zielte darauf ab, auch Arbeitslosen
bis zu 20 verpflichtungsfreie Tage im Jahr zuzugestehen, um ihnen etwa gemeinsame Auslandsreisen mit ihrer Familie
ohne Streichung des Arbeitslosengeldes zu ermöglichen. Beide Anträge fanden keine Zustimmung im Plenum.
Bekräftigt wurde die Forderung der FPÖ nach einem Mindestlohn von 1.600 € von Abgeordneter Dagmar Belakowitsch-Jenewein.
In vielen Branchen verdienten die ArbeiternehmerInnen zu wenig, um sich das Leben in Österreich leisten zu
können, kritisierte sie.
Sozialminister Rudolf Hundstorfer wies demgegenüber darauf hin, dass die Umsetzung des Forderungspakets der
FPÖ 10 Mrd. € an Mehrkosten verursachen und viele kleinere Unternehmen in Bedrängnis bringen würde.
9 Mrd. € kostet laut Abgeordneter Gertrude Aubauer (V) allein die Forderung nach einer Mindestpension von 1.200
€, diese "Riesensumme" stehe nicht zur Verfügung. Der ÖVP gehe es demgegenüber um stabile
Pensionen, die auch langfristig finanzierbar seien. Als zentrales Anliegen der SeniorInnen nannte sie außerdem
eine Gebührenbremse.
Abgeordnete Judith Schwentner unterstrich die Forderung der Grünen, verpflichtungsfreie Tage für Arbeitslose
gesetzlich zu verankern. Es gehe nicht um Urlaub für arbeitslose Menschen, wie fälschlicherweise immer
wieder behauptet werde, vielmehr sollten Arbeitslose die Möglichkeit erhalten, sich ein paar Tage woanders
aufzuhalten, sei es im In- oder Ausland, skizzierte sie. Das sei auch in Deutschland und der Schweiz gängige
Praxis. In Österreich seien die Betroffenen hingegen vom Goodwill ihres AMS-Betreuers abhängig, wollten
sie etwa zu einer Hochzeit oder einem Begräbnis fahren.
Der Vorstoß der Grünen wurde allerdings von den anderen Fraktionen abgelehnt. Man tue Arbeitslosen mit
dieser Forderung nichts Gutes, zeigten sich sowohl Abgeordneter Gabriel Obernosterer (V) als auch Sozialminister
Rudolf Hundstorfer überzeugt. In der Bevölkerung wäre kein Verständnis für einen solchen
Schritt vorhanden. In dringenden Angelegenheiten bekämen Arbeitslose ohnehin eine Freistellung, konstatierte
Obernosterer, auch eine Urlaubsreise ins Ausland mit der Familie sei möglich, wenn man sich vom Arbeitslosenbezug
abmelde.
Keinen Anlass für eine Gesetzesänderung sehen auch die Abgeordneten Dagmar Belakowitsch-Jenewein (F),
Waltraud Dietrich (T) und Robert Lugar (T). Lugar sprach sogar von einem Schlag ins Gesicht für arbeitende
Menschen. Man solle die Bereitschaft der Gesellschaft, Arbeitslose zu unterstützen, nicht überstrapazieren,
mahnte er. Zudem könne man von Arbeitslosen durchaus verlangen, einen etwaigen Urlaub selbst zu bezahlen.
Verständnis für den Antrag der Grünen äußerte lediglich Abgeordneter Gerald Loacker (N).
Statt "mit der populistischen Keule draufzuhauen", solle man ernsthaft über das Anliegen diskutieren,
forderte er. Dass die NEOS den Antrag dennoch ablehnen werden, begründete er damit, dass sie ein paar Details
anders regeln würden.
Weitere Oppositionsanträge abgelehnt
Nicht durchsetzen konnte sich die Opposition auch mit weiteren Anträgen. Der Nationalrat schloss sich Empfehlungen
des Sozialausschusses an und lehnte Anträge der FPÖ zur vollständigen Abschaffung von Luxuspensionen
und Pensionsprivilegien ( 509/A(E)) sowie zur Gewährung von Ersatzzeiten für Heimkinder in der Pensionsversicherung
ab ( 156/A(E)). Auch ein Antrag des Teams Stronach für ein einheitliches Sozialversicherungssystem in Österreich
blieb in der Minderheit.
In der Debatte brachten Sprecher der NEOS Entschließungsanträge auf Einführung einer Pensionsautomatik
sowie auf Parteienstellung betroffener Sozialversicherungsanstalten und betroffener Versicherter vor der Schlichtungsstelle
der Sozialversicherungsträger ein – auch diese Anträge wurden abgelehnt.
In der Debatte meinten die Abgeordneten Erwin Spindelberger (S) und Michael Hammer (V) für die Koalitionsparteien,
die Frage der Sonderpensionen sei geregelt. Spindelberger warf der FPÖ vor, an dieser Stelle Neid zu schüren,
und verwahrte sich entschieden dagegen, in erworbene Pensionsrechte einzugreifen. Hammer erinnerte daran, dass
die FPÖ der Begrenzung der Luxuspensionen nicht zugestimmt habe. Das Team Stronach wiederum argumentiere mit
behaupteten, aber nicht nachgewiesenen Ineffizienzen bei der Sozialversicherung für eine Vereinheitlichung
und übersehe, dass eine Zentralisierung Probleme schaffe statt löse. Wichtiger für die BürgerInnen
seien mehr Transparenz und ein One-Stopp-Shop. Die ÖVP stehe aber für Gespräche zur Optimierung
der Sozialversicherungen bereit, sagte Hammer.
Seitens der Opposition entgegnete Waltraud Dietrich (T), die Großparteien hätten sich in 22 Sozialversicherungen
ein Funktionärsnetzwerk aufgebaut, das ineffizient arbeite und endlich durch ein einheitliches System für
alle ÖsterreicherInnen ersetzt werden sollte. "Wir wollen ein einheitliches Pensionssystem statt vieler
Beitrags- und Leistungssysteme. Auch die vielen Sozialversicherungen sollen zusammengelegt werden", stimmte
Judith Schwentner (G) zu. Bedauerlicherweise verstünden SPÖ und ÖVP die Zeichen der Zeit nicht und
hielten an einem teuren und ungerechten Versicherungssystem fest.
Zur Frage der Gewährung von Pensionsersatzzeiten für Heimkinder, die ein Lehr- oder Beschäftigungsverhältnis
hatten, ohne voll sozialversicherungsrechtlich abgesichert gewesen zu sein, hielt es Dagmar Belakowitsch-Jenewein
(F) für unverständlich, ehemaligen Heimkindern Leistungen vorzuenthalten, die diese sich erarbeitet haben.
Die SPÖ spreche oft von Kinderrechten, sie sollte sich daher einen Ruck geben und sich für eine sehr
kleine Gruppe von Menschen in Österreich einsetzen. - Johann Hechtl (S) lobte Minister Hundstorfer, der das
Problem der Pensionsprivilegien aufgegriffen und Sonderpensionen begrenzt habe. Für die Pensionen ehemaliger
Heimkinder seien die jeweiligen Arbeitgeber zuständig, hielt Hechtl fest.
Von einer "lächerlichen Pensionsbegrenzung", die die Vertreter der Regierungsparteien als Fortschritt
verkaufen wollten, sprach Gerald Loacker (N) und zeigte Verständnis für die Hartnäckigkeit der FPÖ.
Loacker plädierte für ein flexibles Pensionssystem, das auf legitime Rechte Junger und Alter Rücksicht
nehme und beantragte einen Pensionsautomatismus nach Maßgabe der Lebenserwartung und Produktivitätsentwicklung.
Hundstorfer um Problemlösung für ehemalige Heimkinder bemüht
Sozialminister Rudolf Hundstorfer erinnerte an eine ASVG-Novelle und sein Bemühen um Lösungen für
Pensionsansprüche ehemaliger Heimkinder. Pensionsnachzahlungen wurden in einigen Bundesländern, darunter
auch in Wien, hervorragend gelöst. Bei speziellen Einzelfällen könne der "Weiße Ring"
helfen. Beim Thema "Luxuspensionen" erinnerte der Minister daran, dass die Bundesregierung erstmals in
bestehende Pensionen eingegriffen hat und das Pensionssystem der Nationalbank umgestellt wird. Die FPÖ hingegen
schütze Milliardäre, indem sie eine Vermögensbesteuerung ablehne.
Nikolaus Alm (N) wandte sich dagegen, Einzelpersonen-Unternehmer unfreiwillig zu Unselbständigen zu machen
und so mit zusätzlichen Sozialabgaben zu belasten. Ein von ihm eingebrachter Entschließungsantrag zielte
darauf ab, sowohl allen betroffenen Sozialversicherungsträgern als auch den betroffenen Versicherten formal
Parteienstellung zu gewähren, wenn die sozialversicherungsrechtliche Zuordnung von ArbeitnehmerInnen strittig
ist.
Während Abgeordneter Rupert Doppler (F) keine Notwendigkeit für 22 verschiedene Sozialversicherungen
in Österreich erkennen konnte und verlangte, die Doppel- und Mehrfachversicherungspflicht abzuschaffen, sah
sein Fraktionskollege Werner Neubauer die Jugend von Seiten der Regierung im Stich gelassen, sowohl in der Bildungspolitik
als auch bei der Pensionssicherheit. Zugleich litten die PensionistInnen unter niedrigen Pensionen und die Attraktivität
des Wirtschaftsstandortes nehme ab, kritisierte er. Neubauer verlangte die Wiedereinführung des Alleinverdiener-Absetzbetrags
und die Abschaffung des Pensionssicherungsbeitrags.
Gewalt gegen behinderte Menschen: Nationalrat verlangt eine Studie
Vom Nationalrat aufgegriffen wurde eine Forderung der Grünen. Die Abgeordneten ersuchen Sozialminister Rudolf
Hundstorfer einstimmig, gemeinsam mit der Volksanwaltschaft eine wissenschaftliche Studie in Auftrag zu geben,
um zu eruieren, inwieweit Menschen mit Behinderungen in Österreich Gewalt und sexuellem Missbrauch ausgesetzt
sind. Vor allem behinderte Frauen seien häufig von sexueller Gewalt betroffen, in vielen Fällen werde
der Missbrauch in Behinderteneinrichtungen begangen, begründet Grün-Abgeordnete Helene Jarmer ihre Initiative.
Sie hofft, das Thema durch die Erstellung einer Studie enttabuisieren zu können.
Die Studie sei ein wichtiger erster Schritt zum Schutz behinderter Menschen vor Gewalt, sagte Ulrike Königsberger-Ludwig
(S) und präzisierte: "Gewalt tritt nicht nur in physischer Form, sondern auch als Beleidigung, Beschimpfung
und Ignoranz in Erscheinung". Dem stimmte Helene Jarmer (G) zu, wies auf die besondere Verletzlichkeit behinderter
Menschen wegen ihrer Abhängigkeit hin und fügte hinzu, dass Gewaltausübung auch darin bestehen könne,
Menschen falsche Medikamente zu geben. Gefragt seien Prävention, Aufklärung und das Eintreten für
ein würdiges Leben aller Menschen. Franz-Joseph Huainigg (V) schloss sich mit der Forderung an, insbesondere
auf sexuellen Missbrauch in Pflegeheimen und Kinderheimen zu achten. Auch in der Medizin gelte es, die körperlichen
Schutzgrenzen behinderter Menschen zu wahren. Außerdem sollte man die Unantastbarkeit der Menschenwürde
in der Verfassung verankern.
Es sei notwendig, aktuelle Zahlen zum Thema Missbrauch von Menschen mit Behinderungen sowie über sexuellen
Missbrauch von Heimkindern zu erheben und dabei mit der Volksanwaltschaft zusammenzuarbeiten, die die Wahrung der
Menschwürde in Pflegeinstitutionen beobachte, sagte
Carmen Schimanek (F) und dankte der Antragstellerin Helene Jarmer für ihre Initiative. Sein Bekenntnis zur
gemeinsamen Entschließung verknüpfte Marcus Franz (T) damit, den Menschen, die Behinderte pflegen, seine
Anerkennung auszudrücken. Sozialminister Rudolf Hundstorfer dankte für die einstimmige Beschlussfassung
und der Volksanwaltschaft und sagte Informationen über die Ausgestaltung der Studie an die Fraktionen zu.
Positive Wortmeldungen kamen auch von Gerald Loacker (N), der auf weitere Sechs-Parteienanträge zum Thema
behinderte Menschen hoffte, und von Johann Hell (S), der sich von der Studie nicht nur Daten über Behinderteneinrichtungen,
sondern auch über die Pflege zu Hause erwartete.
Ein Fall von Alltagssexismus
Schließlich lehnte der Nationalrat einen Entschließungsantrag der FPÖ ab, in dem Abgeordnete
Dagmar Belakowitsch-Jenewein den Ausschank eines Getränks mit sexistischem Namen am Stand der Fraktion Sozialdemokratischer
Gewerkschafterinnen (FSG) beim letzten Donauinselfest kritisiert und Vorkehrungen fordert, um derartiges in Zukunft
zu verhindern. Der Ausschank sei selbstverständlich zu verurteilen, der Antrag der FPÖ aber abzulehnen,
weil er polemisch sei, so der Tenor der anderen Fraktionen.
Markus Vogl von der SPÖ entschuldigte sich namens der Fraktion sozialistischer GewerkschafterInnen ausdrücklich
für diesen Vorfall und bezeichnete es als notwendig, das Bewusstsein gegenüber dem Alltagssexismus, insbesondere
in der Werbung, zu schärfen. Der FPÖ aber gehe es nicht um Alltagssexismus, sondern darum, eine andere
Partei anzuschwärzen.
Judith Schwentner (G) forderte dazu auf, sich mit den vielen Fällen von Sexismus zu befassen, über die
im Gleichbehandlungsausschuss verhandelt werde. Ihr Fraktionskollege Peter Pilz lehnte es ab, dem ÖGB generell
Sexismus vorzuwerfen. Auf seine Aufforderung an die FPÖ, Konsequenzen aus sexistischen Vorfällen in ihren
Reihen zu ziehen, reagierte Dagmar Belakowitsch-Jenewein (F) mit dem Hinweis darauf, alle diesbezüglichen
Vorwürfe seien längst aufgeklärt. Die FPÖ trete entschieden gegen Sexismus und ganz besonders
gegen Kinderpornografie auf.
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