Salzburg (gluck-forschungsstelle) - Am 23. November 2014 um 11:00 wird im Solitär des Mozarteums die 7.
Gluck-Matinee, organisiert von der Gluck-Forschungsstelle und der Nürnberger Versicherung in Kooperation mit
dem Musikum Salzburg, stattfinden. Gemäß dem festlichen Anlass, dem 300. Geburtstag des Komponisten
Christoph Willibald Gluck, wurden für das Programm Kompositionen gewählt, die für unterschiedliche
höfische Feiern geschrieben wurden oder wie Glucks wohl berühmtestes Werk Orfeo ed Euridice als „Azione
teatrale“ in der Tradition der Festoper standen. Die Auswahl bietet somit selten gehörte Raritäten aus
dem Oeuvre Glucks, die für den Mezzo-Sopran der jungen Sängerin Sofiya Almazova ausgewählt wurden.
Musizieren wird das Projektorchester des Musikum aus eigens für das Konzert zusammengestellten begabten, jungen
Musikern.
Mit Orfeo ed Euridice komponierte Gluck im Sinne der Bestrebungen um ein erneuertes Musiktheater zum Ende des
18. Jahrhunderts ein Werk auf den Mythos des Künstlers Orpheus, der mit seiner Musik alle Hindernisse überwinden,
Furien besänftigen, Amor für sich gewinnen und seine geliebte Euridice vom Tod erretten kann. Die Komposition
sorgte nach ihrer Wiener Uraufführung 1762 selbst im weit entfernten Paris für Aufsehen. Für den
Altkastraten Gaetano Guadagni wurde sein Auftritt in der Titelpartie zum Triumpf. Sofiya Almazova wird eine der
berühmtesten Arien ‚Mille pene, ombre moleste’ interpretieren.
Bei der kaum bekannten Komposition La Semiramide riconosciuta handelte es sich um eine Festoper, die anlässlich
des Geburtstags der Kaiserin Maria Theresia im Jahr 1748 komponiert wurde. Es war das erste große Auftragswerk
für den Musiker Gluck, der zu diesem Zeitpunkt als Mitglied einer Wandertheatertruppe wirkte. Mit dem Text
wurde ein symbolisch gehaltvoller Stoff gewählt: Maria Theresia kämpfte mit allen Mitteln für die
Durchsetzung der „Pragmatischen Sanktion“, einem Dekret ihres Vaters Karl VI., das auch weiblichen Mitgliedern
der Habsburger Familie den Regierungsanspruch sichern sollte, was mehrere europäische Staaten jedoch nicht
anerkennen wollten. Die Hauptfigur der Oper, die als Mann verkleidete Semiramis, die heimliche Babylon regiert,
mit Maria Theresia zu identifizieren, war ein leichtes. Verkörpert wurde die Titelrolle durch die Sängerin
Vittoria Tesi, berühmt für ihre Schauspielkunst und tiefe Stimmlage. Auf dem Programm stehen Arien ihrer
Partie, die Glucks Talent für die Komposition von Opere serie zeigen. Dem Wiener Hofdichter Pietro Metastasio,
der die Textvorlage geschaffen hatte, offenbarte sich dieses zunächst nicht: Es handle sich um eine „erzvandalische
Musik“, ließ er verlauten. Beim Publikum war sie jedoch erfolgreich und so musste er schließlich eingestehen:
„Semiramis va alle stelle“.
Weniger Erfolg hatten die Hochzeitsopern Telemaco und das Ballett Semiramis: Anlass für die Kompositionen
war die zweite Vermählung des Kaisers Joseph II., Maria Theresias Sohn, mit der bayerischen Prinzessin Maria
Josepha, in die er nur widerwillig und auf nachdrückliches Insistieren seiner Mutter einwilligte. Vielleicht
war dies der Grund dafür, dass beide Hochzeitskompositionen auf wenig festlichen Stoffen basieren: Telemaco
sucht auf der Insel der Zauberin Circe nach seinem Vater Ulisses, den er aus ihren Fängen befreit. Anstelle
eines glücklichen Endes, das selbst für einen geringeren Anlass der Opernkonvention entsprochen hätte,
steht eine furiose Wutarie der Circe, in der sie Rache schwört und die Zerstörung ihrer Insel ankündigt.
Die Reaktion des Publikums auf das ungewöhnliche Werk war dementsprechend verhalten. Die Arien, die für
die Gluck-Matinee gewählt wurden, entstammen der Partie des Telemaco, die erneut Gaetano Guadagni auf den
Leib geschrieben wurde und sich somit für den Mezzosopran Almazovas eignen.
Noch drastischer war die Wahl des Semiramis-Stoffs für das Ballett, dessen zentrales Motiv der Muttermord
ist. Nach Don Juan war es der zweite große Wiener Versuch mit dem pantomimischen Ballett, eine dramatische
Handlung durch Gebärden und Mimik auszudrücken, statt tänzerische Virtuosität in Form eines
Divertissements zu präsentieren. „Die Musik ist die Poesie der pantomimischen Ballette“, schrieb der Choreograph
Gasparo Angiolini in sein Vorwort zu Semiramis und entsprechend dramatisch fiel Glucks Musik auf das düstere
Sujet aus, was die Hochzeitsgäste schockierte und irritierte Ablehnung hervorrief.
Für den freudigen Anlass einer Hochzeit mag die Komposition übermäßig tragisch ausgefallen
sein, sie zeigt jedoch die Schaffenskraft Glucks als Komponist von musikalischer Dramatik. Christoph Willibald
Gluck mit der Aufführung dieser selten gespielten Instrumentalmusik zu seinem 300. Geburtstag zu würdigen,
die seine Begabung auf unbekanntem Terrain zeigt, ist gerade für das diesjährige Jubiläum mehr als
angemessen.
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