Studie zeigt: Österreicher sind kritisch, wissen aber zu wenig über Antibiotika
Wien (ikb) - Die neueste Studie zum „Einsatz von Antibiotika bei Halsschmerzen“ – durchgeführt von
meinungsraum.at und beauftragt von RB Österreich, an der 500 Österreicherinnen und Österreicher
ab 16 Jahren teilgenommen haben – zeigt, dass 75 Prozent der Befragten der Einnahme von Antibiotika kritisch gegenüber
stehen. Schon bei „banalen Krankheiten“ wie Halsschmerzen sind viele in Bezug auf eine geeignete Behandlung überfragt
und suchen Hilfe bei Arzt oder Apotheker. Das Ergebnis der Studie veranschaulicht deutlich: In Österreich
wird die Einnahme von Antibiotika zwar grundsätzlich kritisch hinterfragt, dennoch herrscht großer Aufklärungsbedarf.
Jeder vierte Österreicher schätzt die Wirkung von Antibiotika falsch ein und denkt, dass diese virale
Infekte behandeln. Nur knapp ein Drittel der Befragten kennt den Unterschied zwischen viralen und bakteriellen
Infekten – der für die Behandlung von Halsschmerzen ausschlaggebend ist. 73 Prozent der Befragten wissen nicht,
dass es Halsschmerztabletten mit Antibiotika gibt. Und mehr als die Hälfte der Befragten erkundigt sich bei
Arzt oder Apotheker nicht nach dem Wirkstoff eines Medikaments. Was diese Ergebnisse für Patienten, Arzt und
Apotheker bedeuten, diskutierte eine interdisziplinäre Expertenrunde beim diesjährigen European Antibiotics
Awareness Day.
Pünktlich zum Start der Halssschmerzsaison sind viele Betroffene auf der Suche nach einer geeigneten Behandlung
von Halsschmerzen und stellen sich häufig Fragen wie: Altbewährte Hausmittel wie Salbeitee, Gurgeln oder
Inhalieren von Kräutermischungen, eine Beratung in der Apotheke oder lieber gleich zum Arzt? Viele Betroffene
sind bei banalen Halsschmerzen überfordert und es kommt häufig zu Fehleinschätzungen. Im Rahmen
der neuesten Studie zu „Einsatz von Antibiotika bei Halsschmerzen“ wurden 500 Österreicherinnen und Österreicher
ab 16 Jahren zum Umgang mit Antibiotika befragt. Die Studienergebnisse zeigen klar, dass sich viele der Befragten
bei der Entscheidung einer Behandlung hilflos fühlen, da der Wirkstoff in den meisten Medikamenten für
sie nicht sofort ersichtlich ist. 37 Prozent der Befragten wählen daher die Apotheke als erste Anlaufstelle
bei Halsschmerzen und wünschen sich eine kompetente Beratung des Apothekers/ der Apothekerin.
Die Frage nach dem Wirkstoff
Bei der Behandlung von Halsschmerzen ist die Unterscheidung zwischen viralen und bakteriellen Infekten wesentlich,
da Antibiotika nur bakterielle Infekte bekämpfen. Experten mahnen zur Vorsicht bei der Einnahme von Antibiotika,
das ist vielen Betroffenen bereits bewusst. Patienten verlassen sich bei der Wahl ihrer Behandlung meist auf die
Empfehlung des Apothekers oder des Arztes. 53 Prozent der Befragten erkundigen sich deshalb nicht nach dem Wirkstoff
des Medikamentes. Allerdings wünschen sich 77 Prozent der Befragten eine gute Beratung von Seiten des Apothekers
und erwarten dabei auch konkrete Produktempfehlungen als Alternativen zu den bereits bekannten Medikamenten. „Es
ist zu beobachten, dass immer mehr Menschen mit Halsschmerzen zuerst in die Apotheke kommen, anstatt zum Arzt zu
gehen. Unsere Beraterrolle, ob jemand zum Arzt gehen soll oder sich selbst behandeln kann, ist daher stark gefragt.
Viele unserer Kunden sind oft überrascht, wenn Sie den genauen Wirkstoff ihres altbewährten Medikamentes
erfahren“, so Mag. Kurt Vymazal, Apotheker in Wien. „Wir sind bemüht unseren Kunden immer wieder neue Alternativen
aufzuzeigen. Bei banalen Halsschmerzen eignet sich beispielsweise der Ibuprofen-Abkömmling Flurbiprofen zur
Behandlung sehr gut, da der Wirkstoff schmerzstillend, entzündungshemmend sowie nebenwirkungsarm ist und das
unabhängig davon, ob es sich um einen bakteriellen oder viralen Infekt handelt.“
Halslutschtabletten mit Antibiotika – gibt es das wirklich?
Halslutschtabletten wirken schnell, schonend und vor allem gezielt auf die entzündete Region im Hals – das
ist die allgemein bekannte Meinung über Lutschtabletten ohne jedoch ihren Wirkstoff zu kennen. 73 Prozent
der Befragten wissen nicht, dass es Halslutschtabletten mit Antibiotika gibt. Nur jeder zehnte Österreicher
hat schon mal von Antibiotika in Lutschtabletten gehört. „Viele Patienten nehmen schon seit Jahren die gleichen
Lutschtabletten, oftmals haben sie diese schon als Kinder von ihren Eltern bekommen und haben den Wirkstoff nie
hinterfragt. Sie sind dann überrascht, wenn das Mittel ihrer Wahl ein Antibiotikum enthält. Hier ist
eine Aufklärung definitiv gefragt“, erzählt Univ.-Prof. Dr. Matthäus Grasl, Facharzt für HNO-Heilkunde
in Wien. „Leider herrscht in der Bevölkerung oftmals noch der Irrglaube, dass alle Halsschmerzen gleich zu
behandeln sind. Jedoch spielt gerade für die Behandlung eine Unterscheidung zwischen viralen und bakteriellen
Halsschmerzen eine große Rolle.“ Die Studie zeigt, dass nur 49 Prozent der Befragten den Unterschied zwischen
bakteriellen und viralen Halsschmerzen kennen.
Aufklärung im Umgang mit Antibiotika
Bei der Einnahme von Antibiotika wird häufig nicht bedacht, dass diese im und auf den ganzen Körper wirken.
Der ungerechtfertigte Einsatz von systemischen Antibiotika trägt wesentlich zur Resistenzentwicklung bei,
die sich auf den gesamten Körper auswirkt. Im Vergleich zu anderen Ländern sind die Antibiotika-Resistenzen
in Österreich noch relativ selten, obwohl unkomplizierte Halsschmerzen oft falsch behandelt werden. Das im
Jahr 2013 gegründete Austrian Respiratory Infection Therapy Board (ART-Board) setzt sich seither für
einen verantwortungsvollen Gebrauch von Antibiotika ein. Auch die Ergebnisse der Studie haben hier ganz klar Nachholbedarf
gezeigt, da immer noch 25 Prozent der Befragten glauben, dass virale Infekte mit Antibiotika behandelt werden müssen.
„Viele Patienten unterschätzen die Auswirkungen von Antibiotika. Resistenzen beschränken sich nicht nur
auf den Bereich, für den ich ein Antibiotikum einnehme. Halsschmerzen sind ein vieldeutiges Symptom und gerade
bei Erwachsenen keine Diagnose und somit keine zwingende Indikation für Antibiotika. Nur der Arzt kann entscheiden,
wann der Einsatz gerechtfertigt ist. Eine Aufklärung über den Wirkstoff ist hier sehr wichtig“, erklärt
OA Dr. Oskar Janata, Facharzt für Infektionskrankheiten, Hygieneteam Sozialmedizinisches Zentrum Ost Donauspital.
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