Grazer ForscherInnen entwickeln künstliche Tränen mit Schutzfunktion
Graz (meduni) - Histamin ist ein Naturstoff, der im menschlichen Körper als Regulator an einer Reihe
von wichtigen Prozessen beteiligt ist und durch enzymatische Reaktionen aus der Aminosäure Histidin gebildet
wird. ForscherInnen an der Universitäts-Augenklinik der Medizinischen Universität Graz fanden nun erstmals
heraus, dass Histamin auch unter Einfluss von UV-Licht und Ozon aus Histidin gebildet werden kann.
Histamin: Gewebshormon der Körperabwehr
Histamin wirkt im menschlichen Organismus als Gewebshormon bzw. als Neurotransmitter. Damit erfüllt es
mehrere zentrale Aufgaben: So ist es maßgeblich an der Abwehr körperfremder Stoffe beteiligt, stimuliert
die Sekretion von Magensaft, wirkt gefäßerweiternd und damit blutdrucksenkend und steuert den Schlaf-Wach-Rhythmus,
die Appetitkontrolle sowie die Lernfähigkeit. "Die Bildung von Histamin erfolgt aus der Aminosäure
Histidin", erklärt Andrea Heidinger, MSc, Wissenschafterin an der Universitäts-Augenklinik der Medizinischen
Universität Graz. "Anschließend wird es im Körper in Vesikeln verpackt und in den Mastzellen
und weiteren Zellen des Körpers gespeichert". Histamin ist in unterschiedlicher Konzentration in beinahe
allen Nahrungsmitteln enthalten. Eine große Menge dieser Substanz kann im menschlichen Körper erheblichen
Schaden anrichten. Daher muss die Substanz regelmäßig abgebaut werden. "Der Abbau im Körper
geschieht über die beiden Enzyme Diaminoxidase und Histamin-N-Methyltransferase" führt Andrea Heidinger
weiter aus.
Im Rahmen von allergischen sowie entzündlichen Reaktionen wird Histamin aus den Zellen freigesetzt. Die
Freisetzung geht mit typischen Körperreaktionen wie beispielsweise Juckreiz, Brennen oder Rötungen einher.
An der Medizinischen Universität Graz konnte die junge Wissenschafterin nun erstmals nachweisen, dass die
Bildung von Histamin nicht nur durch das Enzym Histidin-Decarboxylase, sondern auch durch den Einfluss von UV-Licht
sowie Ozon möglich ist. Für diese Entdeckung wurde ihr kürzlich in Leipzig der Sicca-Förderpreis
2014 verliehen. Histidin ist beispielsweise auch in der menschlichen Tränenflüssigkeit enthalten. Ob
es auch hier durch Einfluss von UV-Licht und Ozon zu einer Umwandlung von Histidin in Histamin kommt, will Andrea
Heidinger demnächst in ihrem Dissertationsprojekt untersuchen.
UV-Licht: Dem SNAK-Syndrom auf der Spur
Ultraviolettes Licht sowie Ozon sind Umwelteinflüsse, die das tägliche Leben permanent begleiten.
Gerade das Auge und die Tränenflüssigkeit als dessen äußerster Schutzmantel sind ständig
diesen Einflüssen ausgesetzt. Sollte es auch in der Tränenflüssigkeit zur Umwandlung von Histidin
in Histamin kommen, so könnte dies eine Erklärung für das noch umstrittene Krankheitsbild der saisonalen-nicht-allergischen
Konjunktivitis (kurz "SNAK-Syndrom") sein. Hierbei kommt es bei Nicht-Allergikern zu allergieähnlichen
Beschwerden, wie Brennen, Kratzen, Jucken und Rötungen am Auge.
Man vermutet, dass Umwelteinflüsse auch einen erheblichen Beitrag zur Entstehung diverser weiterer Erkrankungen
des Sehapparats, wie dem Trockenen Auge, Uveitis, Katarakt und altersbedingte Makuladegeneration leisten. Die Entdeckung
der Grazer WissenschafterInnen fordert die Notwendigkeit, geeignete Schutzmechanismen in Form von Antioxidantien
zu identifizieren, um die durch UV-Licht und Ozon-induzierten negativen Auswirkungen auf den menschlichen Körper
zu verhindern bzw. zu reduzieren.
Forschung: Künstliche Tränen aus dem Labor
Einer der Forschungsschwerpunkte an der Augenklinik der Medizinischen Universität Graz ist die Erforschung
von Auswirkungen dieser Umwelteinflüsse auf den vorderen Augenabschnitt, speziell auf den Tränenfilm.
Mit seinen drei Schichten, bestehend aus dem Hauptbestandteil Wasser und zahlreichen Proteinen, Lipiden, Muzinen,
Puffersubstanzen und Antioxidantien ist der Tränenfilm sehr komplex aufgebaut. Äußere Einflüsse
können die Bestandteile jedoch pathologisch verändern, was dazu führt, dass die Stabilität
des Tränenfilms verringert wird und die Tränenflüssigkeit frühzeitig verdunstet. Die daraus
resultierende Erkrankung wird umgangssprachlich als Trockenes Auge (Konjunktivitis sicca) bezeichnet. Diese Augenerkrankung
geht mit verschiedenen Augenbeschwerden, wie Brennen, Kratzen, Jucken oder Fremdkörpergefühl einher.
Als Therapie stehen derzeit verschiedene Tränenersatzmittel, die einen künstlichen Ersatz des Tränenfilms
bilden, zur Verfügung. Diese enthalten jedoch nur wenig bis keine der natürlich in der Tränenflüssigkeit
vorkommenden Bestandteile und stellen somit lediglich eine Befeuchtung der Augenoberfläche, aber keine Schutzfunktion
gegen äußere Einflüsse, wie UV-Licht, Ozon oder Feinstaub dar.
ForscherInnen der Augenklinik ist es kürzlich gelungen, Substanzen zu identifizieren, die eine Schutzwirkung
vor UV-Licht und Ozon darstellen. Derzeit wird daran gearbeitet, diese Substanzen in Tränenersatzmitteln zur
Anwendung am Auge einzubringen um somit die Schutzfunktion der natürlichen Tränen großteils wieder
herstellen zu können. Zusätzlich sollen weitere natürlich im Tränenfilm vorkommende Komponenten
eingebaut werden, um die Tränen so ident wie möglich nachzubauen.
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