Regierungsfraktionen wollen Verfassungsausschuss mit Gesetzesänderung befassen
Wien (pk) - Die Forderung der Volksanwaltschaft nach Ausweitung ihrer Prüfberechtigung auf staatsnahe
Unternehmen erhält aus dem Parlament prinzipielle Unterstützung. Bei der Sitzung des Volksanwaltschaftsausschusses
am 27.11. bezogen grundsätzlich sämtliche Fraktionen Position für eine Kompetenzausweitung der Volksanwaltschaft,
sodass sie auch bei ausgelagerten Rechtsträgern der öffentlichen Hand Bürgerbeschwerden über
Missstände nachgehen kann. FPÖ, Grüne und NEOS untermauerten diese Sicht mit einem gemeinsamen Antrag
auf eine Verfassungsänderung, durch die der Volksanwaltschaft das Recht eingeräumt wird, Prüfungen
bei Betrieben wie Bundesimmobiliengesellschaft, Verbund oder Bundesbahnen vorzunehmen. Auf Grund von Bedenken,
dass ausgelagerte Unternehmen teilweise im freien Wettbewerb stünden und durch zusätzliche Kontrollen
Nachteile am Markt hätten, kam von sozialdemokratischer Seite jedoch der Aufruf zur Vertagung des Antrags,
dem die ÖVP folgte, weil für die geforderte Gesetzesänderung eigentlich der Verfassungsausschuss
zuständig sei. Deutlich drückten die VertreterInnen der Koalitionsparteien jedoch ihr Bemühen aus,
eine Kompetenzausweitung der Volksanwaltschaft im Sinne der BürgerInnen zu erreichen.
Zum aktuellen Beschwerdeaufkommen aus der Bevölkerung und über die Aufgaben der Volksanwaltschaft im
Rahmen des Menschenrechtsschutzes berichteten dem Ausschuss heute außerdem die VolksanwältInnen Gertrude
Brinek, Günther Kräuter und Peter Fichtenbauer, wobei die öffentliche Wirksamkeit der Tätigkeiten
im Blickfeld stand. Brinek unterstrich, als Nationaler Präventionsmechanismus zur Verhinderung von Menschenrechtsverletzungen
wirke die Volksanwaltschaft vorbeugend bzw. rege Verbesserungen an, ohne einzelne Institutionen vorschnell in den
Brennpunkt der öffentlichen Kritik zu rücken. Dadurch ließen sich menschenrechtlich bedenkliche
Umstände am besten unterbinden. Dennoch intensiviere die Volksanwaltschaft den Kontakt mit der Bevölkerung
ständig, bezog sich Brinek auf das heurige Beschwerdeaufkommen und die Informationsarbeit der Ombudseinrichtung.
Bis Ende Oktober hätten bereits mehr BürgerInnen als im gesamten Jahr 2013 den Kontakt mit der Volksanwaltschaft
gesucht. Wenn Parlament und Regierung die Kontrollarbeit im Dienste der Bevölkerung weiterhin unterstützen
wollen, sei dafür Sorge zu tragen, dass die Volksanwaltschaft auch in den kommenden Jahren über ausreichend
Personal verfügt, gab die Volksanwaltschaftsvorsitzende zu verstehen.
Ausweitung der Volksanwaltschafts-Prüfbefugnis soll im Verfassungsausschuss weiter diskutiert werden
In ihrem Gesetzesantrag ( 695/A) machen Carmen Schimanek (F), Wolfgang Zinggl (G) und Nikolaus Scherak (N) dafür
mobil, dass die Volksanwaltschaft staatsnahe Unternehmen ebenfalls prüfen darf - und zwar sowohl aufgrund
einer Individualbeschwerde als auch von Amts wegen. Ausgelagerte Rechtsträger, die bereits der Gebarungskontrolle
durch den Rechnungshof unterliegen, wären damit bei behaupteten bzw. vermuteten Verletzungen in Menschenrechten
im Fokus der Volksanwaltschaft, was eine gebotene Abrundung der parlamentarischen Vollziehungskontrolle darstelle,
so die OppositionspolitikerInnen. Der Initiativantrag umfasst die dafür notwendigen Verfassungsänderungen
und erweitert auch die Bestimmungen zu Unterstützungsverpflichtung der geprüften Stellen bzw. die Empfehlungsbefugnis
der Volksanwaltschaft auf öffentliche Rechtsträger. Falls es Meinungsverschiedenheiten über die
Zuständigkeit der Ombudseinrichtung hätte jede der beteiligten Stellen das Recht, den Verfassungsgerichtshof
anzurufen.
Die Regierungsfraktionen sehen Hindernisse bei Ausweitung der Volksanwaltschafts-Prüfbefugnis auf ausgelagerte
Rechtsträger der öffentlichen Hand in der parlamentarischen Zuständigkeitsverteilung. Die Verwirklichung
der zur Kompetenzerweiterung nötigen Verfassungsnovelle komme vorrangig dem Verfassungsausschuss des Nationalrats
zu, so ihr Tenor. Abgesehen davon warnte Johan Hell (S), staatsnahe Betriebe am freien Markt müssten durch
Volksanwaltschaftsprüfungen Wettbewerbsnachteile befürchten, intensive Verhandlungen seien deswegen weiterhin
notwendig. Maria Fekter (V), von 2007 bis 2008 selbst Volksanwältin, konnte der Argumentation Hells indes
nicht folgen, befänden sich doch viele der fraglichen Unternehmen nicht im privatwirtschaftlichen Wettbewerb;
dennoch schloss sie sich aus verfassungsrechtlichen Gründen dem Vertagungsantrag des SPÖ-Abgeordneten
zum diesbezüglichen Vorstoß der Opposition an. Von beiden Koalitionsparteien wurde grundsätzlich
versichert, man werde in Abstimmung mit dem Verfassungsausschuss zu einer Lösung kommen.
Für FPÖ-Verfassungssprecher Harald Stefan, der ebenfalls an der Volksanwaltschaftsausschusssitzung teilnahm,
war der heutige Widerstand der Regierungsfraktionen gegen die Verfassungsänderung völlig unverständlich
und Team Stronach Mandatarin Martina Schenk plädierte für einen konkreten Zeitplan zur Umsetzung des
Gesetzesvorhabens. Beispielgebend sollte Österreich in Sachen unabhängiger parlamentarischer Kontrolle
in Zeiten vermehrter Privatisierungen sein, hielt Günther Kräuter dazu fest und Peter Fichtenbauer ergänzte,
es sei nun am Parlament, der Volksanwaltschaft eine umfassende Missstandskontrolle zu ermöglichen.
Beschwerden über die Verwaltung steigen an
Konsens bestand im Ausschuss unter allen Fraktionen, die Volksanwaltschaft sei eine unverzichtbare Instanz der
Verwaltungskontrolle; ihre Arbeit werde von den BürgerInnen hoch geschätzt. Volksanwältin Getrude
Brinek belegte diese Einschätzung der Abgeordneten mit Zahlen: Die Volksanwaltschaft habe heuer im Vergleich
zum Vorjahr schon einen deutlichen Anstieg bei den Bürgerbeschwerden verzeichnet. Bis zum 31. Oktober seien
9316 Prüfersuchen eingelangt, im gesamten Jahr 2013 habe es 9144 Beschwerden über Probleme mit der Verwaltung
gegeben. Sozial- und Gesundheitsthemen würden die Beschwerdeliste anführen, erläuterte Brinek, darin
spiegle sich zum einen der demographische Wandel wider, durch den beispielsweise Barrierefreiheit vermehrt ins
Bewusstsein rückt. Dicht darauf folge bei den Beschwerden der Bereich Inneres, vor allem wegen langer Asylverfahren.
Ebenso im Steigen begriffen sei die Zahl an Erledigungen von Beschwerdefällen, trotz unveränderten Personalstands
in der Volksanwaltschaft, so Brinek weiter. Sie schloss an diese Feststellung die Warnung an, bei gleichbleibendem
Personal werde die Volksanwaltschaft spätestens 2017 in der Aufgabenerfüllung an ihre Grenzen stoßen.
In Bezug auf die präventiven Menschenrechtsprüfungen, sagte die Volksanwältin, gemeinsam mit den
Prüfkommissionen erhebe man Fehlentwicklungen, die eventuell zu Menschenrechtsverletzungen führen können.
Seit 2012 erfüllt Österreich das UN-Abkommen gegen Folter und zum Schutz der Menschenrechte, indem die
Volksanwaltschaft als Nationaler Präventionsmechanismus potentielle Freiheitsentziehung in öffentlichen
und privaten Einrichtungen prüft. Im Blickfeld befänden sich beispielsweise Pflege- und Jugendheime sowie
der Strafvollzug, präzisierte Brinek. Regelmäßige Sitzungen mit den Kommissionsmitgliedern, Weiterbildungsprogramme
sowie internationaler Erfahrungsaustausch mit vergleichbaren Ombudsstellen würden den Blick aller Beteiligten
auf menschenrechtlich bedenkliche Indikatoren schärfen. Der Anregung von Abgeordnetem Wolfgang Zinggl (G),
die Wahrnehmungen der Kommissionen nach einer Prüfung auch auf der Volksanwaltschaftswebsite zu publizieren,
wollte Brinek nicht bedingungslos folgen. Der Volksanwaltschaft gehe es nicht um Skandalisierung einzelner Vorfälle,
sondern vielmehr um die Verbesserung der beanstandeten Zustände. Dem Präventionsgedanken werde dabei
hauptsächlich Beachtung geschenkt, zog Volksanwalt Günther Kräuter nach, daher bedürfe es in
der Frage, ob Prüfergebnisse im Internet nachzulesen sind, eines ausgewogenen und sensiblen Herangehens in
Bezug auf Persönlichkeitsrechte, Datenschutz und Amtsgeheimnis.
Unabhängig davon seien einzelne Erkenntnisse der Präventionsprüfungen sehr wohl online abgebildet
worden, so Kräuter und er nannte als Beispiel die in Psychiatrien verwendeten Netzbetten, die nach Aufdeckung
durch die Volksanwaltschaft verboten wurden. Überlegungen gebe es zudem, mittels Präsenz auf Social Media
auch verstärkt Jugendliche anzusprechen. Dazu warf Volksanwalt Peter Fichtenbauer allerdings ein, eine juristisch
korrekte Beschwerdebearbeitung sei über neue digitale Medien kaum möglich. Fichtenbauer sieht eher in
den über 200 Sprechtagen, die von den VolksanwältInnen jährlich absolviert werden, ein gutes Instrument
zur Kontrolle des Gesetzesvollzugs. Der österreichische Rechtsschutz sei noch sehr durchlässig, folgerte
er aus seinen Erfahrungen, weswegen eine Ausweitung der Kontrollkompetenzen der Volksanwaltschaft nach Maßgabe
jener des Rechnungshofes absolut nötig sei. Angesichts der bestehenden Prüflücke will Fichtenbauer
sich möglicher Menschenrechtsverstöße österreichischer Unternehmen im Ausland erst annehmen,
wenn die Prüfbefugnis der Volksanwaltschaft im Inland entsprechend ausgeweitet worden ist. Aufgeworfen wurde
die Thematik von SPÖ-Mandatarin Petra Bayr mit den Schlagworten Wirtschaft und Menschenrechte. Im Detail verlangte
sie legislative Maßnahmen zur Ahndung von Menschenrechtsverletzungen durch heimische Unternehmen, die im
Ausland tätig sind. Immerhin habe dies auch die UNO angeregt, hob Bayr hervor und sie verwies in diesem Zusammenhang
auf den von der Regierung geplanten Nationalen Aktionsplan Menschenrechte.
NEOS-Abgeordneter Christoph Vavrik und SPÖ-Mandatar Johann Hell thematisierten generell den Prozessfortschritt
bei der Entwicklung des österreichischen Aktionsplans für Menschenrechte, wobei Hell vor allem die Einbindung
der Volksanwaltschaft hinterfragte, während Vavrik die Beteiligung von NGOs in diesem Prozess ein Anliegen
ist. Kräuter informierte daraufhin über die Eckpunkte des Regierungsprojekts, für das die Volksanwaltschaft
eine Plattform biete, wo NGOs und Zivilgesellschaft ihre Beiträge sammeln. Überdies bringe sich die Volksanwaltschaft
auch eigenständig in den Prozess ein, der nach Workshops mit Bundeskanzleramt und Außenministerium im
kommenden Frühjahr bis Jahresende 2015 zu einem konkreten Plan führen sollte. Der Volksanwalt plädierte
dafür, das Parlament ebenfalls in die Entwicklung des Nationalen Aktionsplans Menschenrechte einzubinden,
etwa im Rahmen einer Enquete.
Menschenrechtliche Aspekte traten bei der Ausschussdebatte über spezifische Bürgerbeschwerden ebenfalls
immer wieder zu Tage. Der Autonomieverlust von besachwalteten Personen, der Umgang mit minderjährigen Asylsuchenden
oder die fehlende Umsicht mit chronisch kranken SchülerInnen waren nur einige Beispiele dafür. Zur öffentlich
breit diskutierten Frage über Arbeitsmöglichkeiten für AsylwerberInnen, bezog Volksanwalt Kräuter
klar Position: Die Volksanwaltschaft versteht die Möglichkeit zu arbeiten als grundsätzliches Menschenrecht
und befürwortet folglich eine Öffnung des heimischen Arbeitsmarkts für Asylsuchende, zumal dies
auch einen budgetär positiven Effekt von zusätzlichen Sozialbeiträgen hätte. In punkto Sachwalterschaft
sei derzeit eine Arbeitsgruppe im Justizresort damit beschäftigt, bis nächstes Jahr eine Regierungsvorlage
zur kompletten Neugestaltung der sozialbehördlichen Hilfeleistung zu schaffen; und die Situation Minderjähriger
in Asylverfahren verfolge die Volksanwaltschaft österreichweit.
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