Intervention Anton Thiel im Stadtwerk, Bernhard Cella gestaltet Stadtbibliothek
Salzburg (stadt) - Kunstraum Salzburg ist eine Initiative für Kunst im öffentlichen Raum in der
Stadt Salzburg, getragen von der Kulturabteilung und vom Kunstbeirat. Aufträge und spezifisch umrissene Wettbewerbe
für bestimmte Stadträume sollen die Auseinandersetzung mit Kunst im öffentlichen Raum aktivieren;
öffentliche Räume, Plätze und deren soziale und gewachsene Strukturen in den verschiedenen Stadtteilen
sollen durch künstlerische Auseinandersetzung neu betrachtet und erlebt werden.
Im Sommer 2014 hat die Initiative zwei offene Wettbewerbe für künstlerische Interventionen und Gestaltungen
ausgeschrieben. Gesucht wurden Konzepte für die künstlerische Gestaltung der Stadtbibliothek sowie für
eine prozesshafte künstlerische Intervention im Stadtwerk Lehen. In den beiden Wettbewerbsschienen wurden
insgesamt 31 Projekte eingereicht, eine Fachjury hat nun die beiden Siegerprojekte gewählt.
Im Stadtwerk soll das von Anton Thiel eingereichte Projekt „Hedera helix, Parthenocissus, Wisteria und Co.“ verwirklicht
werden. Die Gestaltung der Ausleihhalle in der Stadtbibliothek erfolgt nach dem Konzept „Avant la Lettre“ von Bernhard
Cella. Für die Realisierung der beiden künstlerischen Konzepte steht ein Budget von insgesamt 80.000
Euro zur Verfügung – 50.000 für das Stadtwerk und 30.000 für die Stadtbibliothek.
Ressortchef Bürgermeister Heinz Schaden: „Mozart und die Festspiele sind allgegenwärtig in Salzburg.
Zum Selbstverständnis der Stadt gehört aber auch, dass im öffentlichen Raum Platz für die Bildende
Kunst von Heute ist und hier eine Auseinandersetzung mit der gesellschaftspolitischen und künstlerischen Gegenwart
stattfindet. Mit der Initiative Kunstraum Salzburg sorgen wir dafür, dass dies auf anerkanntem Niveau und
im Diskurs mit den Bewohnerinnen und Bewohnern der Stadt geschieht.“
Und Ingrid Tröger-Gordon, Leiterin der Abteilung 2 – Kultur, Bildung & Wissen, ergänzt: „Mir ist
wichtig, dass wir im Rahmen des Kunstraums das Thema Kunst im öffentlichen Raum nun gezielt auch in die Stadtteile
bringen können. Die Ausschreibungen für das Stadtwerk und die Stadtbibliothek haben deshalb eine sehr
spezifische Auseinandersetzung mit diesen konkreten Orten, ihrem Umfeld, ihren Nutzungen und Funktionen herausgefordert.
Da soll nicht einfach ‚Kunst‘ aufgestellt werden, sondern es sollen Werke speziell für diese öffentlichen
Orte und Zusammenhänge geschaffen werden, die zum sinnstiftenden Bestandteil werden.“
Die Siegerprojekte
Künstlerische prozesshafte Intervention im Stadtwerk:
Hedera helix, Parthenocissus, Wisteria und Co.* von Anton Thiel
*Efeu, wilder Wein, Glyzinie: Der Salzburger Künstler Anton Thiel will kein eigenes Kunstprojekt für
das Stadtwerk schaffen, sondern setzt auf die gestalterische Kraft von Pflanzen, Kommunikation und den Ausdruckswillen
der Menschen, die hier leben und arbeiten. Er will nicht für sie, sondern mit ihnen künstlerisch tätig
werden. Die Bewohnerinnen und Bewohner aller Generationen und Kulturen sollen durch seine Intervention motiviert
und gestärkt werden, den öffentlichen Raum auf dem Boden und an den Fassaden gemeinsam und selbst zu
gestalten.
Thiel will dabei vorhandene Ansätze zur Eigenständigkeit ausbauen: Aus ersten Versuchen zur Bepflanzung
auf bisher einzelnen Balkonen soll sich üppige, fantasievolle und ‚wilde‘ Begrünung auf dem ganzen Areal
entwickeln. Farben und Muster sollen in Form von selbst hergestellten bunten Stoffbahnen an die Fassaden kommen
– als ‚Vergrößerung‘ von jetzt sichtbaren Effekten, wenn etwa Teppiche über Balkongeländern
hängen und damit auch über die Kultur ihrer Besitzer erzählen. Und hundert wetterfeste Sessel im
öffentlichen Raum sollen dazu animieren, sich dort aufzuhalten und miteinander zu reden.
Anton Thiels Projekt hat prozesshaften Charakter, die soziale Komponente hat größeres Gewicht als die
künstlerische; die Bewohnerinnen und Bewohner will der Künstler ausdrücklich als Mitwirkende einbeziehen.
Um zur Beteiligung zu motivieren, sollen Workshops in Kooperation etwa mit der Textilklasse der Uni Mozarteum,
mit Jugendvereinen, Schulen und Sozialvereinen stattfinden und bei Bedarf Experten zur Unterstützung eingeladen
werden. Pilotprojekte mit einigen Parteien sollen sich auf längere Sicht, unterstützt etwa durch Wettbewerbe,
nach dem Schneeball-Prinzip ausbreiten, sodass die Aktion womöglich das ganze Quartier erfasst.
Die Jury (Kunstbeirat, externe Experten, Eigentümer-Vertreter) hat sich in ihrer zweiten Sitzung mit großer
Mehrheit für die Einreichung von Anton Thiel entschieden. Sie traut Anton Thiel zu, auf die Menschen im Stadtwerk
zugehen und auf ihre Wünsche und Bedenken eingehen zu können. „Die Verwirklichung des Projekts wird einen
längeren Zeitraum beanspruchen– vorerst sind drei Jahre geplant – und sie wird vom Künstler in Bezug
auf Moderation und Motivation ein anhaltendes Engagement fordern.“
Die Koordinationsstelle für die Bewohner und der Verein Stadtwerk haben ihre Mitarbeit zugesagt, ausdrücklich
stehen auch die Wohnbauträger (gswb und Heimat Österreich) sowie die Unternehmensgrippe Prisma hinter
dem Projekt. Hilfestellung, etwa in Bezug auf Behördenangelegenheiten, wird es auch von Seiten der Kulturabteilung
geben.
Anton Thiel,
geboren in Salzburg, studierte an der Akademie der Bildenden Künste bei Max Weiler sowie Germanistik an
der Uni Wien, war Lehrbeauftragter für Schrift und Schriftgestaltung an der Hochschule Mozarteum, an der FH
für Multimedia Art Salzburg und unterrichtet am Musischen Gymnasium. Arbeitsaufenthalte führten ihn nach
New York, Marokko, Kuba und Ghana. Seit den 1980er Jahren zahlreiche Kunstprojekte in und für Salzburg, Video-Arbeiten
und Ausstellungskonzeptionen.
Künstlerische Gestaltung Foyer der Stadtbibliothek:
„Avant la Lettre“ von Bernhard Cella
Bernhard Cella hat für das Foyer der Stadtbibliothek ein Gobelin-Projekt entwickelt. Dem bis dato relativ
kühlen Eindruck des Ausleih- und Rückgaberaumes, geprägt von Glas, Stahl und Durchblicken von den
oberen Ebenen, setzt er die vielschichtige, farbige Textur von großflächigen, in Jaquard-Technik gewebten
Gobelins entgegen. Die sichtbar haptische Materialität der textilen Werke ist zugleich als Gegenposition zur
sterilen, glatten Oberfläche von Touchscreens zu lesen – die mittlerweile dominierende Form von Informations-
und Text-Trägern. Die Gobelin-Installation soll die gesamte Wandfläche oberhalb des Foyers und hinter
der Rückgabetheke ausfüllen.
In der Konzeption setzt sich Cellas Arbeit mit der historischen und gegenwärtigen Funktion einer Bücherei
als Ort der Verdichtung von Informationen auseinander. Die Wahl der Technik weist auf historische Aspekte der Informationsverarbeitung
und ihre Anfänge als Bildcodes hin: Um 1800 entwickelte Joseph-Marie Jaquard die Lochkarte, mit der erstmals
die Programmierung von komplizierten Mustern auf automatisierten Webstühlen möglich wurde.
Die Lochkarte ist so besehen der Vorläufer der ersten programmierbaren Computer – und Jaquard-Weberei „avant
la lettre“, ihrer Zeit voraus. Die Weberei brachte von Beginn an gerasterte Bilder und Muster hervor, die formal
als Pixelbilder spätere digitale Bild-Ästhetiken vorwegnahmen und in ihrer Ornamentik Informationen über
Kulturen und Traditionen speicherten.
Als Motive der Wandteppiche sollen die Spiegelungen des Außenraumes auf den Glasfassaden der Bibliothek interpretiert
werden, die sich immer wieder mit Spiegelungen des Innenraumes überlagern. Bei der Entwicklung dieser Bildmotive
wird gleichermaßen auf den Einsatz von Kunstlicht und Sonnenlicht geachtet, denn je nach Sonnenstand interagieren
auch die Perspektiven von „Innen“ und „Außen“ in einem ständigen Verlauf feinster Übergänge
miteinander. Die lebendige Umgebung der Bibliothek wird zu einem Bestandteil des Innenraums.
Die Jury (Kunstbeirat, Leitung Stadtbibliothek, Architekten des Bibliotheksgebäudes) hat sich mit großer
Mehrheit für das Projekt von Bernhard Cella entschieden. „Überzeugt hat die Jury die künstlerische
Neuinterpretation einer traditionellen Materialität und Technik, die bereits in ihrer Geschichte der Abbildung
sozialer Strukturen diente.
Cella bietet mit seinen gewählten Motiven eine Reflektion des alltäglichen Lebens unmittelbar vor der
Tür des Gebäudes und verbindet die Stadtbibliothek noch mehr mit dem spezifischen Milieu des Stadtteils.“
Bernhard Cella,
geboren in Salzburg, studierte an der Akademie der Bildenden Künste in Wien, an der Hochschule für
Bildende Künste Hamburg und an der Kunstuniversität Linz. Seit Beginn der 1990er Jahre zahlreiche Einzelausstellungen,
Ausstellungsbeteiligungen und Performances in Österreich und Europa. Regelmäßig Publikationen sowie
Projekte im öffentlichen Raum in Österreich und Deutschland. Bernhard Cella lebt in Wien.
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Hintergrund: Kunstraum Salzburg
Zeitgenössische Bildende Kunst und Kunst im öffentlichen Raum sind Themen, deren Entwicklung im Kulturleitbild
der Stadt Salzburg festgehalten ist. Zur kontinuierlichen Bearbeitung dieser Felder haben der Fachbeirat für
Kunst im öffentlichen Raum (Kunstbeirat) – im Verantwortungsbereich der Kulturabteilung - und die Abteilungsleitung
gemeinsam die Initiative Kunstraum Salzburg (KRS) gestartet.
Ziel ist die Stärkung und Positionierung der zeitgenössischen bildenden Kunst im Kulturprofil der Stadt
Salzburg, sowie die Thematisierung des öffentlichen urbanen Raums als Ort künstlerischer Auseinandersetzung
in Bezug auf relevante künstlerische und gesellschaftspolitische Fragestellungen. Insbesondere sollen auch
die Stadtviertel gegenüber der Altstadt thematisiert werden. Ergänzend will der KRS Vermittlungs- und
Dokumentationsarbeit zum Thema Kunst im öffentlichen Raum leisten.
Kunst im öffentlichen Raum thematisiert und reflektiert diesen Raum, setzt sich mit möglichen Sichtweisen
auseinander und unterstützt die öffentliche Diskussion um seine Nutzung. Die Aufgabe von Kunst im öffentlichen
Raum ist die Belebung des Stadtraums, der von gewachsenen Strukturen geprägt ist und permanent im Spannungsfeld
unterschiedlicher, veränderlicher Funktionen und Nutzungen steht. Durch Aufträge und Wettbewerbe sollen
temporäre oder permanente Kunstprojekte im gesamten städtischen Raum realisiert werden, wobei der KRS
bestimmte Stadträume – Gebäude, Straßen und Plätze – vorschlägt.
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