Generaldebatte sowie Spezialdebatten zu den Ressorts am 24. und 25. November 2014
Wien (rk) - Die 59. Sitzung des Wiener Gemeinderats in der laufenden Wahlperiode stand am 24. und 25.11
im Zeichen des Budgetvoranschlags für das Jahr 2015. Finanzstadträtin Renate Brauner eröffnete die
Generaldebatte: Der vorliegende Entwurf sei eine "solide Basis für die Zukunft Wiens". Die Stadt
wirtschafte "verantwortungsvoll und effizient" vor dem Hintergrund der "schwersten Wirtschaftskrise
seit 1945". Einseitige Sparpolitik könne nicht die Lösung sein, weshalb Wien den "Investitionshahn"
nicht zudrehen werde. Die Stadt plane für 2015 mit 12,52 Milliarden Euro an Einnahmen und 12,74 Milliarden
Euro an Ausgaben, womit die Ausgaben in den Jahren seit 2011 "deutlich geringer" gestiegen seien als
die Einnahmen. Großprojekte wie das Krankenhaus Nord seien zu 84 Prozent aus dem laufenden Budget gedeckt
- was beweise, dass Wien auf finanziell gesunden Beinen stehe. Die ÖVP hinterfragte die Schwerpunktsetzung
der rot-grünen Koalition und führte in ihrer Kritik aktuelle Arbeitslosenzahlen an genauso wie die Statistik,
wonach sich Wiens Schuldenstand in den vergangenen fünf Jahren "verdreifacht" habe. Die Volkspartei
forderte eine Verwaltung, die "wie ein Unternehmen" geführt sei: "professionell und transparent".
Die Grünen sahen bundesweit "ohne Verkürzung der Arbeitszeit" keine Lösung der Arbeitsplatz-Problematik.
Im Gegenteil - ein Reduzieren der kommunalen Investitionen führte zu mehr Arbeitslosen. Zu investieren und
gleichzeitig zu sparen "funktioniert eben nicht". Die FPÖ bezifferte den Schuldenstand Wiens mit
"10 Milliarden" Euro, die städtischen Unternehmungen miteingerechnet. Dass Wien wachse sei ein "Marketingschmäh",
der Gebührenanstieg treibe Menschen in die Armut. Durch die starke Zuwanderung minder Qualifizierter verliere
Wien laut Freiheitlichen an Kaufkraft, was die Problematik verschärfe.
Debatte Finanzen, Wirtschaftspolitik und Wiener Stadtwerke
Die ÖVP verglich die aktuelle Budgetdebatte mit jener der Vorjahre, "lediglich der Schuldenstand
ist seither gestiegen". Das Bevölkerungswachstum sei "nichts Neues" und daher nicht als Grund
für den Schuldenstand zu nennen. Die Grünen befanden es richtig, Investitionen zulasten zusätzlicher
Schulden zu tätigen - sei es "böse", Schulden zu machen, wenn mit dem Geld "etwas Sinnvolles
passiert?". Angesichts der Arbeitslosenzahlen gelte es, wirtschaftliche Nachfrage zu schaffen. Die FPÖ
kritisierte Wiens "Smart-City-Rahmenstrategie": Viele der modernen Technologien würden bestehende
Arbeitsplätze zerstören. Zudem sei nicht geklärt, wie eine Stärkung der Kaufkraft, wie in der
Strategie geplant, realisiert werden könne. Kritik fanden die Freiheitlichen außerdem an der "nicht
mehr zeitgemäßen" Tarifberechnung der Fernwärme. Die SPÖ wiederholte ihre Position, "Wirtschaftswachstum
ist nur durch Investitionen möglich". Sie erwähnte vor allem die "gewaltigen" Investitionen
in Bildung und Forschung. So sei der Wirtschaftsstandort Wien für viele junge Menschen aus der ganzen Welt
Anziehungspunkt, wenn es um Chancengleichheit und Zukunftshoffnungen gehe. Trotz internationalen Wettbewerbs und
Konkurrenz habe es 2013 eine "Rekordansiedlung" gegeben.
Debatte Bildung, Jugend, Information und Sport
Die ÖVP bemängelte: Es sei nicht gelungen, Kindern und Jugendlichen bestmögliche Ausbildung
zu bieten. Im Unterricht fehle es an Ressourcen. Die Gratis-Nachhilfe bringe den Kindern nichts. Außerdem
fehle weiterhin ein Sportstätten-Konzept, ebenso wie ein lang gefordertes Schwimmsportzentrum. Die Grünen
sagten: Der beitragsfreie Kindergarten in Wien sei "die Nummer eins", Ausbau von Infrastruktur und Betreuungszeiten
besser als in anderen Bundesländern. Dies gehe aber nicht ohne Erhöhung der Investitionen. Hinsichtlich
entsprechender Tendenzen unter Jugendlichen sei das geschaffene Netzwerk gegen Radikalisierung positiv hervorzuheben.
Die FPÖ ortete Versäumnisse in der Bildungspolitik: Der Betreuungsschlüssel im Kindergartenbereich
müsse neu gestaltet, ebenso die Möglichkeiten der MA 11 durch personelle Aufstockung verbessert werden.
Die SPÖ erwiderte: Der Bildungsbereich bleibe Schwerpunktthema der Stadt und bekomme zusätzliches Budget,
nicht weniger. In Wien seien immer schon viele Kindergärten gebaut und auf hohe Qualität mit gut ausgebildeten
PädagogInnen geachtet worden. Hinsichtlich etwa Sprachförderung und Sauberkeit werde intensiv kontrolliert.
Die SPÖ hob die "rund 200 Projekte des Baumanagements" hervor, etwa Campus-Projekte und Bildungszentren.
Debatte Stadtentwicklung, Verkehr, Klimaschutz, Energieplanung und BürgerInnenbeteiligung
Die ÖVP bezeichnete die städtische Verkehrspolitik auf "ideologische Kernwählerschaft"
konzentriert. Die 365-Euro-Öffi-Jahreskarte sei ein "Placebo", erhielten die Wiener Linien doch
728 Millionen Euro an Zuschüssen aus dem laufenden Budget. Weitere Kritik: In Imagemaßnahmen für
den Radverkehr fließe mehr Geld als in die tatsächliche Schaffung neuer Radwege. Die Grünen verwiesen
auf ihre Carsharing-Strategie, Elektrotankstellen vorangebracht und den Schwerpunkt auf Fuß-, Rad- und Öffi-Verkehr
gelegt zu habe. Auch der städtische Fuhrpark werde adaptiert, etwa durch Hybrid- und Elektrobusse. Die FPÖ
kritisierte die Verkehrspolitik und die elektronische Registrierung für das neue Scheckkartensystem der Öffi-Jahreskarte
als "kundenfeindlich" und teuer. Weiters forderte sie die Öffnung der Busspuren für einspurige
Kraftfahrzeuge, aber nicht für Fahrräder und sprach sich gegen eine Verbauung des Otto-Wagner-Areals
aus. Laut SPÖ gestaltet die Stadt ihre Entwicklung nachhaltig und sozial durch die Schaffung neuer Schulen,
Krankenhäuser und Öffis. Im Bereich der Stadtplanung sei es im Jahr 2014 möglich gewesen, mehr als
7.000 Wohnungen gefördert zur Verfügung zu stellen. Auch im Jahr 2015 seien weitere Wohnprojekte geplant.
Die Mariahilfer Straße sei von der Bevölkerung bereits positiv angenommen worden.
Debatte Gesundheit und Soziales
Die ÖVP meinte, dass mit den 3,8 Milliarden Euro für Gesundheit und Soziales nicht transparent, sparsam,
effizient und wirtschaftlich umgegangen werde. Sie forderte ein klares Wartelistenmanagement in KAV-Spitälern,
mehr Transparenz bei den Jahresberichten des Krankenanstaltenverbundes (KAV) und die Einführung eines Wiener
Finanzführerscheines für Jugendliche. Die Grünen lobten Fortschritte bei der Umsetzung des Spitalskonzepts
2030 und dass die Umsetzung des Geriatriekonzeptes im nächsten Jahr abgeschlossen werde. Die Entlastung für
pflegende Angehörige werde ausgebaut. Die FPÖ behauptete, dass der Personalstab der Stadt Wien ausgebaut,
aber 166 Dienstposten im Gesundheitsbereich gestrichen worden seien und Einsparungen beim Personal letztlich auf
Kosten der PatientInnen gingen und zu einer Zwei-Klassen-Medizin führten. Die Stadt Wien trage mit dem Budget
den Anforderungen einer wachsenden Stadt Rechnung, sagte die SPÖ. Der Voranschlag stelle ein "in Zahlen
gegossenes Gesundheitsprogramm" für die WienerInnen dar. So gebe es ein Bündel von Maßnahmen
zur Steigerung der Qualität und Effizienz.
Debatte Kultur und Wissenschaft
Die ÖVP lobte die Erhöhung der Förderung für den Wissenschaftsbereich. Kritisierte jedoch
die Länge der "Projekte" Wien Museum und Vereinigten Bühnen Wien (VBW). Außerdem ortete
die Volkspartei Subventionsprobleme bei den Wiener Symphonikern. Die Grünen begrüßten die Steigerung
des Wissenschaftsbudgets um rund 50 Prozent. Mit den Personalentscheidungen der letzten Zeit zeige die Wiener Kulturpolitik,
dass sie Neues wage und mutig sei. Rot-Grün stehe für progressive Politik und einer aktiven Auseinandersetzung
mit gesellschaftlichen, neuen Tendenzen.
Auch die FPÖ teilte die Freude, dass die Wissenschaft mehr Geld bekomme und das Kulturbudget nicht gekürzt
werde. Aber Rot-Grün bedeute dennoch "Stillstand". Sie beklagte, dass die Wiener Musikschulen mit
zu wenig LehrerInnen und Instrumenten ausgestattet seien. Die SPÖ erklärte, dass in Krisenzeiten in anderen
Städten Theater geschlossen würden, in Wien werde hingegen in Kultur investiert. Jede Investition in
Kunst und Kultur sei ihren Einsatz wert, denn dieser komme mehrfach zurück. Wien als Hochschullandschaft befinde
sich in steter Veränderung. 190.000 Studierende lebten in Wien, was die Stadt zum größten Universitätsstandort
Mitteleuropas mache.
Debatte Umwelt
Die ÖVP war der Meinung, dass die Grünraumerweiterung nicht auf Kosten von PrivateigentümerInnen
gehen dürfe und forderte die Evaluierung der Hunderasseliste, die vollständige Renaturierung des Wienflusses
im dicht verbauten Gebiet und ein Nachnutzungskonzept für das Areal des Otto-Wagner-Spitals. Die Grünen
zählte einige im Regierungsabkommen festgesetzte bereits verwirklichte Projekte auf, darunter die Sanierung
des Trinkwasserrohrnetzes. Knapp vor der Fertigstellung sei auch das Tierquartier. Erwähnenswert sei zudem
der Probebetrieb einer Biomasseanlage in den Entsorgungsbetrieben Simmering. Die FPÖ kritisierte am Budget
den "verantwortungslosen" Umgang mit Gebühren sowie den Bereich der Mülltrennung. Hier liege
Wien im Bundesländervergleich ganz hinten. In Sachen Wien-Kanal verlangte sie die Rückkehr zu verstärkter
Kontrolle im Gemeinderat. Die SPÖ betonte, dass die Erweiterung des Grünraums zeige, dass die Stadt-Ökologie
in Balance sei - wie etwa durch den Norbert-Scheed-Wald. Zudem könnten sich 97 Prozent der Menschen laut Umfragen
nicht vorstellen, in einer anderen Stadt zu leben. Dies sei vor allem dem Umweltressort zu verdanken. Sie nannte
"Smart City", "Wien wächst" und Nachhaltigkeit als Schlüsselbegriffe.
Debatte Wohnen, Wohnbau und Stadterneuerung
Als keineswegs "rosig" bezeichnete die ÖVP die Situation am Wiener Wohnungsmarkt. Hinsichtlich
der behaupteten Flächenknappheit regte sie an, die Grundstücksbesitze Stadt Wien naher Betriebe mit zu
berücksichtigen. Die Grünen erklärten, dass rund 57 Prozent der Wiener Wohnungen dem gemeinnützigen
Bereich zugeschlagen werden könnten. Dies sei europaweit ein bemerkenswert hoher Prozentsatz. Sie forderten
ein faires Mietrecht. Als "altkommunistisch" bezeichnete die FPÖ Enteignungsvorschläge bei
Platzbedarf seitens der Kommune. In Sachen Leerstand forderte sie dazu auf, bei zukünftigen Publikationen
den aktuellen Leerstand bei den Gemeindewohnungen bekannt zu machen. Die SPÖ nannte internationale Pressestimmen,
etwa aus Deutschland, die dem Wiener sozialen Wohnbau hohe Anerkennung zusprächen. Dass Wien über 300
Millionen Euro in den Neubau investiere, über 200 Millionen in die Sanierung von Wohnbauten sowie knapp 100
Millionen in Mietzinsbeihilfen sei laut deutscher Pressestimmen "dort undenkbar".
Debatte Integration, Frauenfragen, KonsumentInnenschutz und Personal
Die ÖVP zeigte sich erfreut, dass die Aktion "16 Tage gegen Gewalt an Frauen" überparteilich
unterstützt werde. Betreffend Frauenhäuser hielt sie fest, trotz Übererfüllung der EU-Empfehlung,
solle man sich die Anzahl der Betreuungsplätze noch einmal ansehen. Die Grünen begrüßten,
dass das Budget im Gegensatz zum Vorjahr um zwei Prozent angehoben wurde. Damit könne man aber "als Frau"
nicht zufrieden sein, da die acht Millionen Euro im Gesamtbudget der Stadt eine geringe Summe sei. Die Freiheitlichen
gingen davon aus, dass sich die Aktion auch gegen Gewalt an Männern richte. Seit Jahren werde die Integration
in Wien schlechter, diese sei die Basis für große Probleme in dieser Stadt. Die SPÖ erklärte,
in Wien gelte das dichteste Gewaltschutzgesetz Österreichs, z. B. mit dem 24-Stunden-Frauennotruf. Auch 2015
habe Gewaltschutz Priorität, damit Frauen sicher, selbstbestimmt und unabhängig leben können. Die
Gleichstellung von Frauen und Männern werde forciert, das zeige auch der Equal-Pay-Day, bei dem Wien "positives
Schlusslicht" sei und beim großen Wiener Gleichstellungsmonitoring werde mit gleichem Engagement weitergearbeitet.
Der Entwurf des Budget-Voranschlages 2015 wurde mit den Stimmen von SPÖ und Grünen angenommen.
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