Brüssel/Wien (ak) - Die Europa-2020-Strategie wurde 2010 als Strategie zur Förderung eines nachhaltigen
und integrativen Wachstums ins Leben gerufen. Die in dieser Strategie formulierten Ziele gehen grundsätzlich
in eine richtige Richtung. Allerdings werden Anpassungen notwendig sein, um den Herausforderungen in Europa gerecht
zu werden. Die bisherige Bilanz fällt eher nüchtern aus: die ohnehin schwachen Wachstumsprognosen müssen
nach unten korrigiert werden, die Arbeitslosigkeit droht sich zu verfestigen. Um Europa wieder auf den Wachstumspfad
zurückzuführen, forderten die Präsidenten der Sozialpartner-Institutionen am 04.12. auf einer Pressekonferenz
in Brüssel entsprechende wachstumsfördernde Maßnahmen.
Foglar: Wachstum ankurbeln, Investitionsbremsen endlich lösen
"Das Investitionspaket von Kommissionspräsident Juncker ist ein erster Schritt in die richtige Richtung.
Dieses Programm allein wird jedoch keinen Kurswechsel hin zu Wachstum und Beschäftigung bewirken", warnt
ÖGB-Präsident Erich Foglar bei der heutigen Pressekonferenz der österreichischen Sozialpartner in
Brüssel. Die österreichischen Sozialpartner sind sich einig, dass die fiskalpolitischen Regeln kein Hindernis
für Zukunftsinvestitionen sein dürfen. Foglar: "Die EU befindet sich derzeit aber im Würgegriff
des Stabilitäts- und Wachstumspaktes, der das größte Investitionshindernis ist. Hier brauchen wir
rasch flexible Lösungen wie die "Golden Rule", damit das Juncker-Paket auch wirklich in der Realwirtschaft
ankommt und das Wachstum ankurbeln kann", sagt der ÖGB-Chef. Die EU knebelt sich selbst und fällt
immer weiter hinter andere Wirtschaftsräume zurück, nur bei der Arbeitslosigkeit ist Europa Weltmeister.
Um den EU 2020-Zielen wieder näher zu kommen, muss die EU das Nachfragepotential ihres Binnenmarktes nutzen.
Die Steuerbelastung der ArbeitnehmerInnen wird immer größer, inzwischen stammt 51% des gesamten Steueraufkommens
in der EU aus Arbeit, kritisiert der ÖGB. Foglar: "Die steuerliche Entlastung der ArbeitnehmerInnen ist
deshalb überfällig und wäre ein wichtiger Schritt zur Stärkung von Nachfrage und Wachstum."
Kaske zu Jugendarbeitslosigkeit: Keine Zeit verlieren!
Die Wirtschaft stagniert, die konventionelle Geldpolitik hat ihre Mittel ausgeschöpft und die Arbeitslosigkeit
ist unerträglich hoch. "Das sind Fakten, die leider belegen, dass die Europa-2020-Strategie in wichtigen
Bereichen ihre Ziele nicht erreichen wird", sagt AK Präsident Rudi Kaske auf der heutigen Sozialpartner-Pressekonferenz
in Brüssel. Für den AK Präsident ist dieser Zustand nicht deshalb eingetreten, weil die Ziele falsch
waren. Er ist eingetreten, weil man die Ziele nicht verfolgt hat. Für Kaske ist es notwendig, dass die Jugendbeschäftigung
in einer überarbeiteten Europa-2020-Strategie auch in den Kernzielen vorkommt. "Es kann nicht sein, dass
Millionen von jungen Menschen ohne Perspektiven für die Zukunft, ohne Chancen aufwachsen. Das Gebot der Stunde
muss ja wohl vielmehr lauten: Gebt den Jungen ihre Chance", fordert Kaske einen starken Fokus auf die Jugendbeschäftigung.
Es muss dafür gesorgt werden, dass die Mittel aus der Jugendbeschäftigungsinitiative schnell und zielgerichtet
abgerufen und verwendet werden, denn die Jugendlichen in Europa brauchen jetzt eine Perspektive. Kaske verlangt
auch, dass keine bürokratischen Hürden aufgebaut, sondern bestehende abgebaut werden müssen: "Es
ist fast ein Jahr vergangen und erst jetzt werden die Mittel aus der Ju-gendbeschäftigungsgarantie nach und
nach zugesagt. Das dauert eindeutig zu lange. Klar ist jedenfalls: Genehmigungen sind das eine, jetzt muss das
Geld auch tatsächlich dorthin fließen, wo es gebraucht wird."
Eine Nachschärfung der Europa 2020-Strategie hält auch Wirtschaftskammerpräsident Christoph Leitl
für absolut notwendig
"Die EU-Wirtschaft befindet sich seit fünf Jahren nahezu im Dauerkoma, in vielen Ländern ist die
Arbeitslosigkeit - besonders unter den Jungen - auf ein inakzeptables Niveau gestiegen. Europa droht eine verlorene
Generation, mit negativen Folgen nicht nur für unsere sozialen Systeme, sondern letztlich auch unser demokratisches
System." Die EU müsse sich daher das Ziel setzen, die Jugendarbeitslosigkeit bis 2020 zu halbieren, fordert
Leitl. "Zur Förderung von Jugendbeschäftigung müssen sowohl auf Ebene der Mitgliedstaaten als
auch auf europäischer Ebene beschäftigungswirksame Investitionen erhöht werden." Die vom neuen
EU-Kommissionspräsidenten vorgestellte Investitionsinitiative, die insbesondere durch das Instrument von Garantieübernahmen
ein Investitionsvolumen von zumindest 315 Milliarden Euro auslösen soll, sei hier ein wichtiger Schritt. Zudem
müsse vor allem bei der Ausbildung der jungen Menschen angesetzt werden. "Länder wie Österreich
oder Deutschland zeigen mit dem System der dualen Ausbildung und der gelebten engen Verzahnung von Schulen und
Betrieben, wie es gehen kann. Europäische Mittel sollten daher gezielt für den Aufbau dualer Berufsbildung
genutzt werden können", so der WKÖ-Präsident.
Schultes: Jugend am Land braucht Infrastruktur und Bildungsmöglichkeiten
"Lebendige ländliche Räume, die an die Wirtschafts- und Infrastruktur-Entwicklung der Ballungsräume
angekoppelt sind, bieten attraktive Lebenschancen. Ein vielfältiges modernes Bildungsangebot und die Möglichkeit,
in Organisationen, wie Feuerwehr, Sportvereinen oder Landjugend aktiv mitzuwirken, halten die jungen Menschen im
Dorf und in der Region. Eine funktionierende Infrastruktur, da gehört auch ein Breitband-Anschluss dazu, bildet
die Voraussetzung für Arbeitsplätze, die Bildung sichert den Erfolg. Und die Integration ins Ehrenamt
und in die Freiwilligenarbeit schafft ihnen Wertschätzung. Wenn der Jugend für ihre Leistung und Verlässlichkeit
in der Freizeit-Arbeit Anerkennung und Respekt entgegengebracht wird, hat sie die besten Voraussetzungen für
eine erfolgreiche Berufslaufbahn. Die Kombination von dualer Berufsausbildung und Engagement in Vereinen, gekoppelt
mit einer Weiterentwicklung der ländlichen Räume, schafft in allen Regionen Wachstum und Jugendbeschäftigung",
stellte Hermann Schultes, Präsident der LK Österreich, im Rahmen der Pressekonferenz der Sozialpartner-Präsidenten
in Brüssel fest.
|