Wien (orf) - Die Gewinner des "Salzburger Stier 2015" stehen fest: Österreichische Preisträger
sind Christoph & Lollo. Ebenfalls ausgezeichnet werden Simone Solga aus Deutschland und der Schweizer Bänz
Friedli. Der renommierte Radio-Preis für deutschsprachiges Kabarett ist mit je 6.000 Euro dotiert und wird
beim Kabarettforum "Salzburger Stier", das von 8. bis 9. Mai im oberösterreichischen Gmunden stattfindet,
überreicht. Gastgeber ist der ORF-Radiosender Ö1.
Ihr voriges Programm nannten sie noch "Tschuldigung". Es war als Referenz an ihr Publikum gedacht, bei
dem sich Christoph & Lollo gerne für mangelnde Performance-Kunst und sprunghafte Conferencen entschuldigten.
Mit Vorliebe geben die beiden auf der Bühne die sympathischen Dilettanten, die am eigenen Kunstanspruch scheitern.
Ein grobes Understatement, denn kaum jemand beherrscht die spontane Zusammenführung von tragisch-komischen
Geschichten, abgründigem Humor und Protestliedern so perfekt wie das Duo Christoph & Lollo. Christoph
Drexler (Jahrgang 1975) und Lorenz Pichler (Jahrgang 1976) sind in Wien, Favoriten, aufgewachsen. Genauer gesagt
in der Theodor Sickel Gasse, benannt nach dem Pastorensohn und Aktivisten der Revolution von 1848, der später
Direktor des Instituts für Österreichische Geschichtsforschung wurde. Christoph & Lollo hingegen
wurden Freunde und Schulkollegen, die mit zwei Stimmen und einer Gitarre Musikgeschichte schreiben wollten. "Lebkuchenherz"
hieß ihr erstes Lied, dem das Kabarettduo Stermann und Grissemann im legendären "Salon Helga"
des ORF-Radios FM4 zu Bekanntheit verhalf.
Ihre Karriere begannen Christoph & Lollo mit einem Nischenprodukt, das in der Branche durchaus Potenzial zum
Alleinstellungsmerkmal hat. Sie versorgten die Welt mit Schispringer-Liedern, mit erfundenen und vertonten Geschichten
über Helden der Schanze wie Ole Gunnar Fidjestol, Horst Bulau oder Janne Ahonen. Vor einigen Jahren hat "Österreichs
schrägstes Komiker-Duo" ("Die Zeit") das Tor zur Welt etwas weiter aufgestoßen und verarbeitet
neben Schispringer-Interna auch andere Themen zu Liedern. Zum Beispiel schrieben sie die Moritat vom Kriegsminister
Theodor Graf Baillet de Latour oder ließen sich von den Medienberichten über Österreichs ehemaligen
Finanzminister Karl-Heinz Grasser zu einer Häfenelegie a la Christoph & Lollo inspirieren. Für ihr
neues Programm "Das ist Rock'n'Roll" haben die beiden Bühnenkünstler ihr Themenspektrum enorm
erweitert. So versuchen sie sich sehr erfolgreich an ihren ersten Wahlkampfhymnen für SPÖ wie ÖVP,
die Versuchung, Verfall und falsche Prioritäten in der jeweiligen Partei zum Thema machen. Sie geben aber
auch die Helden am Herd - "Ich koche selber" -, beschäftigen sich mit Demokratiefragen, besingen
die Kunstscheiße oder den Alltag in der Thermenlandschaft. Christoph & Lollo beweisen in ihrem neuen
Programm einmal mehr ihre Kunstfertigkeit, scheinbare Nebenschauplätze ins Zentrum ihrer Lieder zu rücken
und mit virtuoser Hinterlist wunderbare Songs daraus entstehen zu lassen. In "Das ist Rock'n'Roll" geht
es um vieles, nur die nordischen Kombinationswettbewerbe bleiben weitgehend verschont. Sieht man vom Label-Namen
des Duos ab: Christoph & Lollo haben die CD zum Programm bei Kazuyoshi Records veröffentlicht, benannt
nach dem japanischen Schispringer Kazuyoshi Funaki.
Deutsche Preisträgerin ist die politische Kabarettistin und Satirikerin Simone Solga. Die 1963 geborene Solga
lebt und arbeitet in Hamburg. Sie kennt sich wahrhaft aus im Leben und in der Handtasche von Angela Merkel. Ebenfalls
bestens bekannt sind ihr die geheimsten Gedanken der mächtigsten Frau der Welt. Nichts ist Frau Merkel ohne
die Einflüsterungen von Frau Solga, der einzigen Kanzlersouffleuse weltweit. Seit vielen Jahren schon erklärt
die wortgewaltige Kabarettistin ihrem Publikum und Frau Merkel, wie sie funktioniert die große Welt der Politik,
wie alles mit allem zusammenhängt und warum Männer einer Frau ruhig mal zuhören sollten. Ein Blick
in ihre Biographie zeigt, dass ihr Lebenslauf sie auf alle Widrigkeiten des Lebens vorbereitet hat: Geboren in
Gera, die Eltern Schauspieler, aufgewachsen in den Kulissen des Leipziger Theaters, Jungpionierin, gelernte Buchhändlerin,
Lehrling des Monats, Aktivistin der sozialistischen Arbeit, studierte Schauspielerin, Demonstrantin der Wendezeit,
Ensemble-Kabarettistin zum Beispiel bei der Münchner Lach- und Schießgesellschaft und Autorin eigener
Texte. Heute ist sie die erfolgreichste und beste politische Kabarettistin auf deutschsprachigen Bühnen, im
Fernsehen und natürlich auch im Hörfunk. Sie räumt mit den größten Vorurteilen auf und
zeigt: Frauen sind witzig, Frauen sind politisch und Frauen machen brillantes politisches Kabarett. Seit über
einem Jahrzehnt ist sie jetzt als Solistin unterwegs, momentan mit ihrem Programm: "Im Auftrag ihrer Kanzlerin".
Von sich selbst sagt sie, die Wirtschafts- und Finanzkrise sei nicht ohne Einfluss auf sie gewesen, denn in direkter
Folge habe sie beschlossen, ihre erworbenen sozialistischen Auszeichnungen und die Aktivistenehre zu pflegen und
sich auf weitere Wendepunkte in ihrem Leben vorzubereiten.
Für die Schweiz wird der Autor Bänz Friedli ausgezeichnet. Bänz Friedli spricht berndeutsche Mundart.
Welchen Dialekt einer spricht, muss man wissen, um einen Wortkünstler in der Schweiz charakterisieren zu können.
Damit allein wird man dem 1965 geborenen Journalisten, Kabarettisten und Kolumnisten aber nicht wirklich gerecht.
Da steckt mehr dahinter, und eine seiner Stärken ist, sich die Jargons und Slangs anderer anzueignen. Als
Journalist für Popkultur und Sport war Friedli lange Jahre für Radio, TV und Presse tätig. Einer
der meistgelesenen Kolumnisten der Schweiz ist er immer noch ("Der Hausmann"). Und regelmäßig
gern gehört wird er in der satirischen Radiokolumne "Zytlupe" auf Radio SRF 1. Natürlich schreibt
Bänz Friedli seine Texte selber. Aber das einfache Vorlesen seiner Werke reichte ihm nicht, seine Auftritte
wurden immer mehr zu kabarettistischen Ereignissen voller Leidenschaft. Das aktuelle Programm "Gömmer
Starbucks?" läuft seit bald zwei Jahren in ausverkauften Kleinkunsttheatern im ganzen Land. Friedli versucht
mal die Jugend zu erklären, hin und wieder die Schweiz zu verstehen, die wahnsinnige Welt zu zwicken und oft
den ganzen Rest zu belächeln, vor allem auch immer wieder sich selbst. Kritisch heimatverbunden, sympathisch
philosophisch und verlässlich witzig ist er, der Bänz Friedli. Und jeden Tag wartet er auf das, was ihm
das Leben in sein Textbuch schreibt. Um dann alles auf den springenden Punkt zu bringen.
Der "Salzburger Stier" ist mit jeweils 6000 Euro dotiert und wird seit 1982 jedes Jahr an Kabarettistinnen
und Kabarettisten aus Österreich, Deutschland und der Schweiz verliehen - 2015 bereits zum 34. Mal. Er ist
nicht nur einer der begehrtesten Kabarettpreise, sondern auch die größte Radio-Koproduktion im Bereich
Unterhaltung. Nicht weniger als zehn Radiostationen arbeiten für den "Salzburger Stier" eng zusammen:
ORF, Schweizer Radio und Fernsehen, sieben ARD-Sender sowie die RAI Südtirol.
Den Auftakt des Kabarettforums "Salzburger Stier 2015" im Gmundner Stadttheater bestreitet am 8. Mai
2015 Andreas Vitásek mit seinem Solo "Sekundenschlaf", das vor kurzem mit dem "Österreichischen
Kabarettpreis" prämiert wurde. Die Preisverleihung findet am Samstag, den 9. Mai 2015 statt. An diesem
Abend unterhalten die "Stier"-Preisträger mit Auszügen aus ihren aktuellen Programmen. Präsentator
der beiden Veranstaltungen ist Alfred Dorfer, Stierpreisträger des Jahres 1990 mit der Formation "Schlabarett".
Ö1 überträgt beide Abende ab 19.30 Uhr live aus dem Stadttheater Gmunden. Ausführliche Porträts
der Ausgezeichneten sind im August auch im Kleinkunstmagazin "Contra" zu hören - immer sonntags
um 22.05 Uhr in Ö1.
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