Entwicklungspolitische Fachtagung der Stadt Wien erörtert Handlungsbedarf
Wien (rk) - Anlässlich der diesjährigen entwicklungspolitischen Fachtagung der Stadt Wien sprachen
am 01.12. im Wiener Rathaus ExpertInnen zu aktuellen Fragen rund um das Thema "Ernährungssouveränität".
Gemeinderätin Sonja Ramskogler wies in ihrer Begrüßung auf die Bedeutung des Themas im Zusammenhang
mit dem globalen Recht auf menschenwürdige Lebensbedingungen hin und betonte die Notwendigkeit der Bewusstseinsbildung.
Das Recht auf Nahrung
Andrea Ferrante, kritischer Agrarexperte und Biobauer aus Italien, forderte im Eröffnungsreferat die Bedeutung
des Rechts auf Nahrung in den Mittelpunkt aller Strategien zu stellen. Insbesondere unterstrich er die Entscheidungsfreiheit
von LebensmittelproduzentInnen und KonsumentInnen. Nur LandwirtInnen, die ihr Recht auf Land und auf Saatgut wahrnehmen
können, ohne bei Agrarkonzernen in existenzieller Abhängigkeit zu stehen, sind in der Lage, unter sozial
und ökologisch vertretbaren Bedingungen zu produzieren. Oft wird unterschätzt, dass es gerade die kleinen
Familienbetriebe sind, die die Weltbevölkerung ernähren und nicht die Großbetriebe. Auch 70 Prozent
aller weltweiten Investitionen im Agrarsektor werden von diesen kleinbäuerlichen Betrieben getätigt.
Der ehemalige EU-Kommissar für Landwirtschaft und derzeitige Präsident des Europäischen Forums Alpbach,
Franz Fischler, plädierte für einen vielschichtigen Ansatz zur Überwindung des Hungers und zur Wahrung
der Ernährungssouveränität. Dazu gehörten Demokratie, ökosoziale Wirtschaft, der Kampf
gegen den Klimawandel, Investitionen in Bildung und Forschung sowie eine klar formulierte ländliche Entwicklungsstrategie.
Unumgänglich sei auch die Erhöhung der österreichischen Entwicklungszusammenarbeit auf einen Betrag
von 0,7 Prozent des Bruttoinlandsprodukts.
Kleinbetriebe als Lösungsmodelle fördern
Übereinstimmung herrschte bei den ReferentInnen hinsichtlich der Leistungsfähigkeit der 800 Millionen
kleinbäuerlichen Familienbetriebe, die das Rückgrat der Lebensmittelproduktion darstellen. Es brauche
in Zukunft mehr lokale Ernährungslösungen und weniger Welthandel, so Helena Norberg-Hodge, Direktorin
von "Local Futures - International Society for Ecology and Cultures" um beispielsweise Billigimporte
von Agrarprodukten zu verhindern, die oft über extrem lange Transportwege eingeführt werden und den lokalen
Markt ruinieren. Dass holländische Butter in Mali oder neuseeländische Butter in England billiger als
das einheimische Produkt ist, sei ein gutes Beispiel für die Macht von global agierenden Großkonzernen,
so Norberg-Hodge. Mittlerweile gibt es aber in immer mehr Ländern zivilgesellschaftliche Bewegungen, die eine
alternative Lösung für die Frage der selbstbestimmten Ernährung suchen. Formen der urbanen Landwirtschaft
gewinnen beispielsweise an Bedeutung.
In Kuba werden ca. 15 bis 20 Prozent aller Agrarerzeugnisse in diesem Sektor hergestellt. Basisbewegungen auf allen
Kontinenten - wie auch das neu in Österreich gegründete Nyeleni-Forum - setzen sich mittlerweile für
das Recht auf gesunde und kulturell angepasste Nahrung, die nachhaltig und unter Achtung der Umwelt hergestellt
wird, ein. An die Verantwortlichen in der Entwicklungszusammenarbeit erging die Aufforderung, sich in Zukunft wieder
verstärkt mit der Thematik Landwirtschaft zu befassen.
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