Weitere Beschlüsse: Urheberrechtsgesetz-Novelle, Gebührenerleichterungen in familienrechtlichen
Verfahren
Wien (pk) - Der Strafvollzug erhält eine zentrale Steuerungsebene. Durch ein am 02.12. vom Justizausschuss
einstimmig verabschiedetes Strafvollzugsreorganisationsgesetz wird eine Generaldirektion für den Strafvollzug
eingerichtet, die an die Stelle der bisherigen Vollzugsdirektion tritt. Die Fraktionen begrüßten die
neue Organisationseinheit vor allem auch als Reaktion auf die jüngst aufgedeckten Missstände in österreichischen
Strafanstalten und erwarteten sich nun ebenso wie Justizminister Brandstetter wirksamere Aufsicht und Kontrolle.
Die Abgeordneten beschlossen weiters die Umsetzung des so genannten Römischen Statuts, das vor allem die Ahndung
von Kriegsverbrechen zum Inhalt hat, sowie ein Bundesgesetz zur Verbesserung der justiziellen Zusammenarbeit der
EU-Staaten auf dem Gebiet des Gewaltschutzes. Grünes Licht gab der Ausschuss überdies für eine Gerichtsgebühren-Novelle
mit Erleichterungen im Pflegschafts- und familienrechtlichen Verfahren und für eine Urhebergesetz-Novelle,
die wiederum die Verbreitung von Werken durch Bibliotheken und Museen via Internet vereinfachen soll. Auf den Weg
ins Nationalratsplenum wurden schließlich auch ein Rechnungslegungs-Änderungsgesetz – es bezweckt eine
Modernisierung des heimischen Bilanzrechts – und ein Bundesgesetz betreffend die Organisation der Bezirksgerichte
in Graz geschickt.
Generaldirektion für den Strafvollzug schafft einheitliche, zentrale Steuerungsebene
Die durch das einstimmig beschlossene Strafvollzugsreorganisationsgesetz (347 d.B.) eingerichtete Generaldirektion
für den Strafvollzug und den Vollzug freiheitsentziehender Maßnahmen ersetzt die bisherige Vollzugsdirektion
und soll direkt in die Zentralstelle des Justizministeriums eingeordnet werden. Ziel ist es dabei, unter Verzicht
auf Zwischenhierarchien eine einheitliche Steuerungsebene zu schaffen, wodurch vor allem auch die Entscheidungswege
verkürzt werden. Konkret wird die neue Organisationseinheit Aufgaben wie Planung, Leitung, Koordinierung und
Öffentlichkeitsarbeit übernehmen und damit ein zentraler Ansprechpartner für alle Belange des Strafvollzugs
sein.
Im Licht der Vorfälle in der Justizanstalt Stein sei dies ein Schritt in die richtige Richtung, stellten die
Abgeordneten Johannes Jarolim (S) und Friedrich Ofenauer (V) übereinstimmend fest, wobei der Justizsprecher
der Sozialdemokraten nun vor allem mit einem besseren Durchgriff in die Führungsstrukturen rechnet. Lobende
Worte fanden auch FPÖ-Mandatar Christian Lausch und namens der NEOS Beate Meinl-Reisinger.
Grünen-Justizsprecher Albert Steinhauser mischte in seine Zustimmung auch kritische Töne und gab zu bedenken,
dieser Schritt alleine werde die Probleme im Strafvollzug noch nicht lösen. Angesichts des Überbelags,
des chronischen Ressourcenmangels und der damit verbundenen langen Einschlusszeiten, aber auch der explodierenden
Zahlen beim Maßnahmenvollzug warte in den nächsten ein bis zwei Jahren noch Schwerstarbeit auf den Minister,
prophezeite er. Wolfgang Brandstetter bestätigte diese Einschätzung, sah aber in der neuen Organisationsstruktur
einen ersten Lösungsansatz. Die Personalsituation bleibe aber die große Herausforderung im Strafvollzug,
da werde man noch einiges an Budgetmitteln brauchen, um das von allen gewünschte Niveau zu erreichen, stand
für den Minister fest.
StGB nimmt Bestimmungen des internationalen Völkerstrafrechts auf
Einigkeit bestand auch über ein Bundesgesetz (348 d.B.), mit dem das Römische Statut umgesetzt wird und
Bestimmungen des internationalen Völkerstrafrechts Eingang in das österreichische Strafgesetzbuch nehmen.
Die neuen Tatbestände betreffen das Verschwindenlassen von Personen sowie Kriegsverbrechen und Verbrechen
gegen die Menschlichkeit. Durch die Änderungen im StGB soll eine im internationalen Kontext bestehende Lücke
geschlossen und dadurch eine ausdrückliche gesetzliche Grundlage für die schwersten Verbrechen geschaffen
werden, die die Menschheit als Ganzes berühren.
Es sei ein enormer internationaler Fortschritt, wenn nun derart schwere Verbrechen geahndet und nicht mehr mit
der Bemerkung "Es ist halt Krieg" abgetan werden, fasste ÖVP-Abgeordneter Nikolaus Berlakovich die
Zustimmung der Fraktionen zusammen. Albert Steinhauser hob seitens der Grünen die aktuelle Bedeutung des Römischen
Statuts hervor und meinte, auf Basis der innerstaatlichen Implementierung könnten in Zukunft auch Kriegsverbrecherprozesse
im Zusammenhang mit dem Syrien-Konflikt in Österreich stattfinden.
Europäisierung des Gewaltschutzes durch Verbesserung der justiziellen Zusammenarbeit
Die justizielle Zusammenarbeit auf EU-Ebene in Strafsachen soll nun ausgedehnt und weiter verbessert werden. Eine
diesbezügliche vom Ausschuss einstimmig angenommene Regierungsvorlage (353 d.B.) sieht in diesem Sinn vor,
dass Schutzmaßnahmen, die in einem Strafverfahren angeordnet wurden, auch durch den Wohnsitz- und Aufenthaltsstaat
der geschützten Person anzuerkennen sind. Besondere Ermittlungsmaßnahmen wie kontrollierte Lieferung,
verdeckte Ermittlung oder gemeinsame Ermittlungsgruppen sollen zudem im Rechtshilfeweg auch in Zusammenarbeit mit
Drittstaaten möglich sein. Weiters enthält die Novelle eine detaillierte grundrechtskonforme Regelung
der Zulässigkeit von Auslieferungen zur Vollstreckung von Abwesenheitsentscheidungen sowie das Recht auf Beratung
mit einem Verteidiger vor Zustimmung zur Auslieferung im vereinfachten Verfahren. Neu ist auch die Bestimmung,
wonach Informationen über Verurteilungen und Tätigkeitsverbote wegen Sexualstraftaten an Kindern zur
Vorlage an den potenziellen Arbeitgeber nun auch im Wege des elektronischen Austauschs aus dem Strafregister zwischen
den EU-Mitgliedstaaten übermittelt werden können.
SPÖ-Frauensprecherin Gisela Wurm begrüßte das Gesetz vor allem unter dem Aspekt der Internationalisierung
des Rechtsschutzes für Opfer familiärer Gewalt, was auch Beatrix Karl (V) bestätigte. Es zeige sich
hier einmal mehr, wie wichtig die Zusammenarbeit der EU-Staaten im Justizbereich ist, fügte die ÖVP-Mandatarin
an. Grünen-Justizsprecher Albert Steinhauser machte allerdings auf mögliche Probleme als Folge des internationalen
Rechtsschutzgefälles aufmerksam und sah die EU gefordert, auf eine Vereinheitlichung der diesbezüglichen
Standards auf sehr hohem Niveau hinzuwirken.
Für die FPÖ beurteilte Gernot Darmann den internationalen Informationsaustausch über Verurteilungen
wegen sexueller Straftaten gegen Kinder zwar als grundsätzlich positiv, leitete daraus aber die Forderung
nach einem lebenslangen Tätigkeitsverbot ab. Es sei nicht einzusehen, dass in Österreich einschlägig
Vorbestrafte nach wie vor in Erziehungsberufen mit Kindern arbeiten dürfen. Justizminister Brandstetter sah
keinen Handlungsbedarf und erwiderte, auch die bestehende Rechtslage biete bereits die Möglichkeit, Tätigkeitsverbote
auf unbestimmte Zeit auszudehnen.
Gebührenbefreiung für Minderjährige in familienrechtlichen Verfahren
Gebührenerleichterungen in familienrechtlichen und in Pflegschaftsverfahren bringt eine Gerichtsgebühren-Novelle
(366 d.B.) , die im Ausschuss einhellige Unterstützung fand. So werden Minderjährige in Verfahren mit
Bezug zum Familienrecht gänzlich von den Gebühren befreit. Bei der Bestellung eines Kinderbeistands und
bei der Beauftragung der Familiengerichtshilfe als Besuchsmittler wiederum sollen die ersten Zeiträume (sechs
bzw. fünf Monate), in denen diese zusätzlichen Institute vom Pflegschaftsgericht herangezogen werden,
nicht von der Gebühr erfasst werden. Zweite Stoßrichtung der Novelle ist die Vereinfachung des Liegenschaftsverkehrs.
Künftig wird es möglich sein, die Grundbuchseintragungsgebühr gemeinsam mit der Grunderwerbssteuer
zu entrichten.
Erstmals komme es zu einer erheblichen Gebührensenkung – und dies gerade in einem Bereich, wo es um die Verhinderung
von Konflikten geht, stellte SPÖ-Justizsprecher Johannes Jarolim erfreut fest. ÖVP-Abgeordnete Eva-Maria
Himmelbauer begrüßte die Novelle insbesonders aus dem Blickwinkel des Wohls des Kindes, während
Harald Stefan (F) damit eine langjährige Forderung seiner Fraktion erfüllt sah.
Ein wichtiger und richtiger Schritt sei die Senkung, befanden auch Beate Meinl-Reisinger (N) und Albert Steinhauser
(G). Der Justizsprecher der Grünen gab allerdings zu bedenken, die Gebühren würden immer noch mehr
einspielen als die Gerichte kosten. So verzeichne Österreich einen Kostendeckungsgrad von 108 %, im EU-Schnitt
liege dieser Wert bei bloß 21 %. Als erfreulichen ersten Schritt qualifizierte Team Stronach-Justizsprecher
Georg Vetter die Novelle, wenngleich seiner Einschätzung nach die Gerichtsgebühren immer noch zu hoch
sind. Eine einvernehmliche Scheidung koste immer noch um ein Vielfaches mehr als eine Eheschließung – und
das noch ohne Musik und ohne Ansprache, bemerkte er irritiert.
Bilanzrecht wird modernisiert
Durch ein mit den Stimmen von SPÖ, ÖVP und Grünen verabschiedetes Rechnungslegungs-Änderungsgesetz
(367 d.B.) soll zunächst die Bilanz-Richtlinie der EU umgesetzt und damit die europäische Vergleichbarkeit
von Jahres- und Konzernabschlüssen gefördert werden. Die Novelle nimmt die Harmonisierung aber auch zum
Anlass, das österreichische Bilanzrecht insgesamt zu modernisieren, so etwa durch Beseitigung international
nicht üblicher Posten und Bilanzierungsmethoden wie der unversteuerten Rücklagen oder der Buchwertmethode
bei der Kapitalkonsolidierung. Neu geregelt wird auch der Ausweis latenter Steuern und eigener Aktien. Erleichterungen
bringt die Regierungsvorlage zudem für Kleinstkapitalgesellschaften.
Mit einem Abänderungsantrag stellten die Regierungsfraktionen sicher, dass das neue Gesetz nicht über
Umwege erneute steuerliche Mehrbelastungen für Unternehmen verursacht. Beispielsweise entfällt nun die
Regelung, die eine direkte Verrechnung latenter Steuern mit Bestandteilen des Eigenkapitals erlaubt. Beate Meinl-Reisinger
(N), Harald Stefan (F) und Georg Vetter (T) begrüßten zwar die Vereinfachungen bei der Bilanzierung,
die sich für kleinere Unternehmen aus den neuen Bestimmungen ergeben. Bedenken äußerten sie aber
hinsichtlich der ausgeweiteten Berichtspflichten großer Firmen. Dies würde zu vermehrtem Bürokratieaufwand
führen und heimischen Unternehmen im internationalen Wettbewerb schaden, brachte Vetter die Befürchtung
auf den Punkt.
Justizminister Brandstetter beruhigte dagegen, nur rohstofffördernde Großunternehmen wären von
ausgeweiteten Berichtspflichten betroffen, also eine sehr kleine Gruppe in Österreich, wie auch ÖVP-Abgeordneter
Werner Groiß betonte. Insgesamt stelle die neue Bilanzierungsrichtlinie der EU eine große Erleichterung
für Kleinstunternehmen dar, unterstrich der Bundesminister: "Der Bürger hat etwas davon". Gerade
in Zeiten steigender Arbeitslosigkeit seien solche Schritte zur Belebung des Unternehmertums wichtig.
Urheberrechtsgesetz-Novelle erleichtert Verbreitung von Werken im Internet
Zu einer grundsätzlichen Debatte über die schon seit längerem geplante Reform des Urheberrechtsgesetzes
führte im Ausschuss die Diskussion einer EU-Richtlinie, die im Zuge einer Urheberrechtsgesetz-Novelle (368
d.B.) umzusetzen ist. Die Richtlinie ermöglicht Bibliotheken, Museen, Archiven und öffentlich-rechtlichen
Rundfunkanstalten bestimmte zulässige Formen der Nutzung verwaister Werke, indem sie einen größeren
Bestand ihrer Werke und Exponate im Internet zur Verfügung stellen. In diesem Sinn bringt die mit einer Mehrheit
aus SPÖ, ÖVP, Grünen, Team Stronach und NEOS beschlossene Vorlage Vereinfachungen bei der Rechteklärung
an Werken, deren Rechteinhaber unbekannt oder nicht auffindbar sind.
FPÖ-Abgeordneter Gernot Darmann bemängelte an der Richtlinie allerdings, dass private Rundfunkunternehmen
anders als öffentlich-rechtliche keine Möglichkeit zur Vervielfältigung und Zurverfügungstellung
verwaister Werke haben, selbst wenn sie die Kriterien erfüllen. Eine solche Erweiterung der Richtlinie hätte
erneut urheberrechtliche Fragen aufgeworfen, die noch in nationalem Recht zu klären seien, hielt Minister
Brandstetter dazu fest.
Gemeinsam mit Kulturminister Josef Ostermayer arbeite er intensiv an der Novellierung des Urheberrechtsgesetzes,
ging Brandstetter näher auf die Fragen von Wolfgang Zinggl (G) und Beate Meinl-Reisinger (N) ein, wie weit
die Urheberrechtsreform gediehen ist. Dabei müsse der rasanten technischen Entwicklung Rechnung getragen werden,
etwa hinsichtlich des Umgangs mit Privatkopien, so der Bundesminister. Sein Ziel sei aber, eine gesetzliche Basis
schaffen, die vor allem den Vergütungsansprüchen der KünstlerInnen gerecht wird.
Klarstellung bei der Organisation der Bezirksgerichte in Graz
Die im bisherigen Bundesgesetz über die Organisation der Bezirksgerichte in Graz enthaltenen Zuständigkeits-
und Verfahrensbestimmungen werden nun durch ein eigenes Bundesgesetz (370 d.B.) , für das sich im Ausschuss
alle Fraktionen aussprachen, sinngemäß in das für derartige Maßnahmen vorgesehene Gesetz
aus dem Jahr 1972 über den Übergang der Zivil- und Strafsachen und die Änderung der Zuständigkeit
bei der Auflassung von Bezirksgerichten transferiert. Als Folge davon wird in Ermangelung verbleibender selbstständiger
Regelungsinhalte das Bundesgesetz über die Organisation der Bezirksgerichte in Graz aufgehoben.
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