25 Jahre Fall des Eisernen Vorhangs

 

erstellt am
12. 12. 14
10.00 MEZ

Gemeinsames Gedenken Oberösterreich - Südböhmen
Linz (lk) - Zum gemeinsamen Europa unserer Tage gehört auch, dass es grenzüberschreitende Gedenktage gibt. Im Fall von Südböhmen und Oberösterreich ist das der 11.12. An diesem Tag ist vor 25 Jahren der Stacheldraht an der Grenze, der uns über Jahrzehnte getrennt hat, durchschnitten worden.

Für Oberösterreich bedeutet dieses Gedenken dreierlei:

1. Oberösterreich würdigt das historische Verdienst unserer tschechischen Nachbarn, diese Wende unserer Geschichte möglich gemacht zu haben.

Und zwar friedlich und mutig zugleich.

Mutig deshalb, weil in den Herbsttagen des Jahres 1989 niemand voraussagen konnte, wie die kommunistischen Machthaber auf die Volksmassen, die ihnen plötzlich die Stirn boten, reagieren würden.

Wir wissen heute aus historischen Dokumenten, dass in vielen Politbüros des ehemaligen Ostblocks im Jahr 1989 auch über eine sogenannte "chinesische Lösung" intensiv nachgedacht wurde.

Es gehörte damals also viel Mut dazu, sich offen gegen das Regime zu stellen, auf die Straße zu gehen oder sich an Streiks zu beteiligen.

2. Das Erinnern daran, was vor 1989 an dieser Grenze war.
Nämlich der Eiserne Vorhang, der nicht nur Südböhmen und Oberösterreich, sondern Ost und West für Jahrzehnte getrennt hat.

Diese Teilung war im Mühlviertel besonders bedrückend spürbar. Der Stacheldraht, die Wachtürme, die Alarmanlangen, die Landminen standen als Symbole der Unfreiheit und Absperrung.

Absperrung auch deshalb, weil im Dualismus zwischen marktwirtschaftlich orientierten Demokratien im Westen und kommunistischen Diktaturen im Osten ein ideelles und materielles Ungleichgewicht zugunsten des Westens entstanden war. Die westlichen Volkswirtschaften erholten sich rasch von den Kriegsschäden, die 50er Jahre standen im Zeichen des Wirtschaftswunders, Freiheit und Demokratie wurden als Lehre aus der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts von allen Gesellschaftlichen Kräften anerkannt.

Dem gegenüber standen im Osten kommunistische Systeme, die nicht nur ökonomisch hinter dem Westen zurückfielen, sondern auch die Repressionsschraube immer fester anziehen mussten, um an der Macht zu bleiben.

Die Folge dieser Repression war auch die "tote Grenze" entlang des Eisernen Vorhangs. Diese Grenze wurde von den kommunistischen Machthabern immer undurchlässiger gemacht, um ihren Bürgern eine Flucht in den Westen unmöglich zu machen.

Der Eiserne Vorhang war damit eigentlich der Anfang vom Ende der kommunistischen Diktaturen, denn ein System, das seine Menschen einsperren muss, kann nie von Dauer sein. Oder anders formuliert: Der Stacheldraht, den die Kommunisten an unserer Grenze errichtet haben, war zugleich das stärkste Symbol ihres Versagens.

3. Wir müssen uns immer wieder ins Bewusstsein rufen, dass uns die Geschichte mit dem Fall des Eisernen Vorhangs eine neue Chance in die Hand gegeben hat.

Seit einem Vierteljahrhundert arbeiten wir jetzt daran, diese Chance zu nutzen.

Wir werden weiter jede Form des kulturellen Austausches fördern. Kultur hat viele Gesichter. Sie bedeutet sowohl regionale Eigenart, aber auch gemeinsames abendländisches Erbe. Kulturelle Vielfalt ist Voraussetzung dafür, den Austausch zwischen den Menschen im wieder vereinigten Europa möglich zu machen. Kultur öffnet Türen, beendet Sprachlosigkeit und ist so der erste Schritt zum Verstehen des jeweils Anderen.

Wir pflegen die kulturelle Zusammenarbeit ganz konkret mit unseren tschechischen Nachbarn, etwa durch die gemeinsame Landesausstellung im vergangenen Jahr. Anlässlich des heutigen grenzübergreifenden Gedenktages werden ab heute in Freistadt und Bad Leonfelden Künstler aus Tschechien und Oberösterreich Arbeiten zum Thema "Grenze im Kalten Krieg" zeigen.

Ein wichtiges Zukunftsprojekt ist die Erarbeitung eines gemeinsamen Ge-schichtsbuches. Denn unsere Geschichte ist nicht unbelastet, etwa durch die Benes-Dekrete. Wir dürfen diese Probleme nicht unter den Teppich kehren, wir müssen uns ihnen im Dialog stellen.

Gemeinsame Kultur- und Bildungsprojekte sind starke Signale dafür, dass wir heute in einem vereinten Europa leben, indem die Nationalstaaten ihren nach außen abgrenzenden Charakter mehr und mehr verlieren.

Vor allem das Mühlviertel wurde 1989 aus der Randlage am Eisernen Vorhang gelöst.

   

Gemeinsame Erklärung
Vor genau 25 Jahren hat die friedliche Revolution in der damaligen Tschechoslowakei unser aller Leben grundlegend verändert. Wie kein anderes Ereignis in der europäischen Geschichte steht sie dafür, dass der menschliche Freiheitswille stärker wiegt als Stacheldraht.

Oberösterreich und Südböhmen begrüßen und unterstützen, dass 25 Jahre nach dem Fall des Eisernen Vorhangs die Nachbarschaftsbeziehungen zwischen Österreich und der Tschechischen Republik in eine neue Phase getreten sind. Die Regierungen Österreichs und der Tschechischen Republik bestätigten bereits Anfang dieses Jahres ihre Entschlossenheit, der Kooperation zwischen den beiden Ländern neue Impulse zu verleihen. Dabei soll die Besinnung auf das Gemeinsame im Vordergrund stehen. Unterschiedliche Standpunkte, wie etwa die grundsätzlich verschiedenen Auffassungen zur Nutzung der Atomenergie oder Gegensätze zu Fragen der gemeinsamen Geschichte, sollen im Geist einer offenen, dem sachlichen Dialog verpflichteten Nachbarschaft erörtert werden. Das intensivierte Nachbarschaftsverhältnis zwischen zwei wirtschaftlich hoch entwickelten, eng verflochtenen und kulturell einander nahe stehenden Ländern soll das Potenzial der gesamten mitteleuropäischen Region verdeutlichen und dem Vertrauen in den europäischen Integrationsprozess zugutekommen. Dem Jubiläum „25 Jahre Fall des Eisernen Vorhangs“ ist daher auch der gemeinsame Festakt am 11. Dezember 2014 unter Einladung und Mitwirkung der Bevölkerung und des öffentlichen Lebens der Grenzregion gewidmet.

Das Gelingen dieses Vorhabens ist ohne Zusammenwirken der österreichischen und tschechischen gesamtstaatlichen Stellen mit den österreichischen Bundesländern und tschechischen Kreisen wie auch der Euroregionen und Gemeinden nicht möglich.

Mit dem am 11. November 2014 in Mikulov/Nikolsburg erstmals stattgefundenen Treffen der Außenminister beider Staaten, gemeinsam mit den Landes- und Kreishauptleuten aus grenzanliegenden österreichischen Ländern und tschechischen Kreisen, eröffnete ein neues Kapitel in den Beziehungen zwischen Österreich und der Tschechischen Republik.

Mit dem Beitritt der Tschechischen Republik zur Europäischen Union 2004 hat der nachbarschaftliche Austausch nicht nur zwischen Österreich und der Tschechischen Republik sondern auch zwischen Oberösterreich und Südböhmen eine neue Qualität erreicht. Die bilateralen Verbindungen sind vielfältiger und stärker geworden. Über viele gemeinsame Projekte aus den Bereichen Wissenschaft, Bildung, Jugendaustausch, gemeinsame EU-Initiativen, etc. kann erfolgreich Bilanz gezogen werden. Zugleich müssen Grenzen, die in mentaler und politisch-praktischer Hinsicht noch bestehen, abgebaut und transformiert werden. Mit der gemeinsamen grenzüberschreitenden Landesausstellung „Alte Spuren, neue Wege“ im Jahr 2013 haben Oberösterreich und Südböhmen dazu einen wichtigen Beitrag geleistet.

Es ist daher vordringlich, Projekte, die zu einer konkreten Vertiefung der Integration im Herzen Europas führen, dynamisch fortzuführen. Dazu zählen etwa die Verbesserung der grenzüberschreitenden Verkehrsinfrastruktur, die Gewährleistung der Energiesicherheit, praxisorientierte Bildung als wesentlicher Beitrag zum Abbau der Arbeitslosigkeit, Zusammenarbeit in Wissenschaft und Forschung, Zusammenarbeit im Gesundheits- und Rettungswesen, Jugendaustausch sowie grenznahe Zusammen­arbeit, etwa in der Nutzung bestehender reicher Natur- und Kulturschönheiten zur Förderung des Tourismus. Oberösterreich und Südböhmen unterstützen weiterhin Kooperationen im Bereich Jugendaustausch und Jugendarbeit wie auch grenzüberschreitende Sportveranstaltungen.

Oberösterreich und Südböhmen begrüßen, dass die Botschafter/innen der beiden Länder regelmäßig gemeinsam mit leitenden Vertreter/innen der Ämter der Landesregierungen (Landesamtsdirektor/innen) und Kreise (Kreisdirektor/innen) der grenzanliegenden Regionen zusammentreffen werden, um die Abstimmung und Koordination bei der Umsetzung der gemeinsamen Projekte zu erleichtern, bei denen die Kompetenz auf der Bundesebene liegt. Unter Berücksichtigung der neuen Strukturen sowie der Europaregion Donau-Moldau und der Europäischen Territorialen Zusammenarbeit werden der Landesamtsdirektor und der Kreisdirektor beauftragt, einen Vorschlag für die Neustrukturierung der bilateralen Zusammenarbeit zwischen Oberösterreich und Südböhmen zu erstellen.

Die vertiefte Kenntnis der gemeinsamen Geschichte fördert auch das sachliche Verständnis für deren schwierige und schmerzhafte Kapitel. Oberösterreich und Südböhmen begrüßen und unterstützen finanziell das Projekt eines „Österreichisch-Tschechischen Geschichtsbuchs“ über die nächsten drei Jahre. Dieses Projekt, das im Rahmen der Ständigen Konferenz österreichischer und tschechischer Historiker beauftragt wurde, soll den Gesellschaften beider Länder in angemessener Form einen offenen, informierten Zugang zur gemeinsamen Geschichte ermöglichen und damit der besseren Verständigung dienen.

Der gemeinsame Grenzraum zählt zu den sichersten Regionen mit einer der geringsten Kriminalitätsraten. Oberösterreich und Südböhmen begrüßen die enge Zusammenarbeit der Polizei sowie der Feuerwehren und Rettungsorganisationen, die dazu einen wichtigen Beitrag leisten.

Oberösterreich und Südböhmen kommen überein, den Energiedialog zu den Themenbereichen Energieeffizienz, sowie Ausbau der erneuerbaren Energie fortzuführen und begrüßen, dass der Standort Boletice für die Errichtung eines Atommüllendlagers von der Regierung der Tschechischen Republik nicht mehr weiterverfolgt wird, sowie die Zusage des tschechischen Außenministers für ein transparentes Verfahren bei der Auswahl der Standorte für die Atommüllendlager, bei der man erst in der Anfangsphase sei und bis 2025 entscheiden wolle. Oberösterreich und Südböhmen unterstützen und fördern die vielfältigen, wechselseitigen Kontakte und Kooperationen im Bereich Energiesparen und erneuerbare Energieträger, z.B. über das Energy Center Budweis oder den Energiesparverband OÖ.

Oberösterreich und Südböhmen begrüßen die Fortschritte beim Ausbau der Verkehrsverbindungen, wie insbesondere der Umfahrung Freistadt sowie der Umfahrung Budweis und appellieren an die Bundesregierungen im Hinblick auf die große Bedeutung einer infrastrukturellen Anbindung an die europäischen Verkehrsnetze, vor allem für die wirtschaftliche Entwicklung der Grenzregionen, den Ausbau der grenzüberschreitenden Autobahn- und Eisenbahnverbindungen von Linz über Budweis nach Prag bis spätestens 2021 sicherzustellen. Weiters wird übereingekommen, das grenzüberschreitende Angebot des Öffentlichen Verkehrs auszubauen.

Oberösterreich und Südböhmen sind mit dem Fall des Eisernen Vorhangs und dem Wegfall der Grenzen zu engen Wirtschafts- und Tourismuspartnern geworden. Zur Intensivierung der beiderseitigen wirtschaftlichen Zusammenarbeit und zum Ausbau der Aus- und Weiterbildung kommen Oberösterreich und Südböhmen überein, neben den bereits bestehenden punktuellen Kooperationen ein Konzept für Potentiale zur Intensivierung der Zusammenarbeit zu erstellen. Zum weiteren Ausbau der Zusammenarbeit und insbesondere zur intensiveren Kooperation im Bereich Tourismus kommen Oberösterreich und Südböhmen überein, historische Reisewege (Pilgerwege, Handelswege, etc.), touristische Reisewege (Radwege, Wanderwege, etc.) und Verkehrswege (Schifffahrt, Bahn, etc.) aufzubereiten und unseren Gästen näherzubringen. Durch eine Vernetzung der Radprojekte sollen nicht nur kleinräumig die Radwege abgestimmt, sondern soll auch überlegt werden, die gesamte Region unter diesem Thema international zu positionieren. Beide Regionen haben Tradition und bieten eine große Vielfalt beim Brauen von Bier. Zur touristischen Nutzung rund um das Thema „Bier“ wird ein touristisches Konzept erstellt. Der Tourismusverband Linz hat mit dem größten österreichischen Incomer eine Kooperation geschlossen, um die Europaregion international zu vermarkten. Oberösterreich und Südböhmen streben eine Vernetzung der Angebote z.B. der europäischen bedeutenden Kulturstädten oder Welterbestätten wie Linz, Krumau, Hallstatt, etc. an.

Oberösterreich und Südböhmen sind nicht nur historisch bedeutende Kulturregionen, sondern setzen auch zeitgenössische Spuren in der Kunstszene und Kreativwirtschaft. Zuletzt wurde etwa sehr erfolgreich die grenzüberschreitenden Landesausstellung 2013 mit insgesamt rund 285.000 Besuchern veranstaltet. Oberösterreich und Südböhmen kommen überein, sich als innovative Kulturregionen gemeinsam in der Europäischen Kulturhauptstadt 2015 in Pilsen mit einem gemeinsamen Projekt zu präsentieren.

Der Nationalpark ist die grüne Lunge für die Grenzregion und hat grenzüberschreitende touristische Bedeutung. Der Schutz des Nationalparks ist daher für beide Seiten von Bedeutung. Oberösterreich und Südböhmen stellen fest, dass durch die grenzübergreifenden Maßnahmen der Borkenkäferbefall eingedämmt werden konnte.

 

 

 

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