Bures: U-Ausschuss-Reform ist Grundlage für faires Verfahren – Hypo- Untersuchungsausschuss
wirft seine Schatten voraus
Wien (pk) – Der Nationalrat beschloss am 10.12. mit breiter und verfassungsmäßig erforderlicher
Zweidrittelmehrheit von SPÖ, ÖVP, FPÖ, Grünen und NEOS die Reform der Untersuchungsausschüsse,
in deren Mittelpunkt die Einsetzung dieses Kontrollinstruments als Minderheitsrecht steht. Ein Viertel der Abgeordneten
- das sind 46 - kann in Hinkunft die Einsetzung eines U-Ausschusses erzwingen. Auch im U-Ausschuss wird das Minderheitsrecht
gewährleistet, etwa bei der Anforderung von Beweismitteln oder bei der Ladung von Auskunftspersonen. Damit
wird einer jahrelangen Forderung der Opposition Rechnung getragen und ein Kontrollinstrument für die Parlamentsminderheit
eröffnet, das es außer in Deutschland in keinem anderen europäischen Land gibt.
Die Regierungsparteien wiederum haben dieses Minderheitsrecht mit einer umfassenden Verfahrensreform verknüpft,
um vor allem die Rechte der Auskunftspersonen besser zu schützen. Man wolle verhindern, dass U-Ausschüsse
zu einem öffentlichen Tribunal ausarten, hieß es. VerfahrensanwältInnen sollen nun für den
entsprechenden Schutz der Grund- und Persönlichkeitsrechte sorgen, VerfahrensrichterInnen unterstützen
die vorsitzführende Nationalratspräsidentin bzw. ihre Stellvertreter, den Zweiten und den Dritten Nationalratspräsidenten,
bei der Leitung der U-Ausschüsse. Der Verfassungsgerichtshof entscheidet bei Unstimmigkeiten, etwa im Hinblick
auf die angeforderten Beweismittel, auf die Ladung von Auskunftspersonen oder im Falle der Klassifizierung von
Unterlagen. Die VolksanwältInnen wiederum sind als parlamentarische Schiedsstelle aufgrund eines Verlangens
eines Viertels der Ausschussmitglieder aufgerufen, über die Rechtmäßigkeit der Feststellung der
bzw. des Vorsitzenden hinsichtlich der Unzulässigkeit einer Frage zu entscheiden.
Infolge der Erfahrungen mit den letzten U-Ausschüsse wird zudem eine Bestimmung aufgenommen, wonach die Befragungen
von Auskunftspersonen in der Regel nicht länger als drei Stunden dauern sollen und nach längstens vier
Stunden vom Vorsitzenden für beendet zu erklären sind. Sollten Auskunftspersonen eine Ladung nicht befolgen
oder eine Aussage ungerechtfertigter Weise verweigern, so können durch das Bundesverwaltungsgericht Beugestrafen
verhängt werden.
Auch gaben geschwärzte Akten immer wieder Anlass zu heftiger Kritik. Das neue Informationsordnungsgesetz schafft
nun allgemein sowohl für den Nationalrat als auch für den Bundesrat geltende umfassende Regelungen, wie
mit vertraulichen bzw. geheimen Informationen umzugehen ist, die dem Parlament übermittelt werden. Das hat
auch Auswirkungen auf die Immunität der Abgeordneten, denn bei Verleumdung und Verletzung der Geheimhaltungspflicht
wird die berufliche Immunität eingeschränkt. Das heißt, dass in derartigen Fragen der Immunitätsausschuss
des Nationalrats entscheidet.
Die Anzahl der U-Ausschüsse ist insofern begrenzt, als Abgeordnete, die einen Antrag auf Einsetzung eines
U-Ausschusses unterstützt haben, bis zur Beendigung der Tätigkeit dieses Ausschusses kein weiteres derartiges
Verlangen unterschreiben dürfen. Die Beweisaufnahme wird grundsätzlich auf 12 Monate beschränkt,
im Bedarfsfall kann der U-Ausschuss allerdings auf bis zu 20 Monate einschließlich der Berichtsvorbereitung
verlängert werden.
Für die Neuerungen waren umfassende Gesetzesänderungen notwendig. Die Novelle zum Geschäftsordnungsgesetz
des Nationalrats wurde am 10.12. aufgrund gesetzlicher Bestimmungen in Zweiter Lesung abgestimmt, die Dritte Lesung
und endgültige Beschlussfassung findet morgen statt. Auch das Bundes-Verfassungsgesetz und andere Gesetze
müssen novelliert werden. Neu erlassen wird das Informationsordnungsgesetz. Beide Vorlagen passierten das
Plenum mit der nötigen Zweidrittelmehrheit. Miterledigt wurden die Anträge 12/A der Grünen und 306/A
der FPÖ, in denen die Einsetzung von U-Ausschüssen als Minderheitsrecht gefordert wird, was sich mit
dem heutigen Beschluss erübrigt hat.
Lange, intensive Verhandlungen brachten Einigung
Bereits in der vorangegangenen Gesetzgebungsperiode wollte man die Einsetzung von U-Ausschüssen als Minderheitsrecht
gestalten. Der Zweite Nationalratspräsident Karlheinz Kopf (V) und Josef Cap (S) erinnerten an ihre damalige
Initiative aus dem Jahr 2009, die sie als Klubobleute ihrer Fraktionen unterschrieben hatten. Eine Einigung kam
nicht zustande. Die Klubobfrau der Grünen Eva Glawischnig-Piesczek ging noch weiter in die Geschichte zurück,
da Freda Meissner-Blau als Klubobfrau der neu ins Parlament eingezogenen Grünen die Einsetzung eines U-Ausschusses
durch eine parlamentarische Minderheit bereits vor 28 Jahren gefordert hatte.
Bald nach der Konstituierung des neuen Nationalrats im Spätherbst 2013 wurde ein neuer Anlauf gestartet und
es begannen intensive Verhandlungen, sodass bereits im Juli 2014 eine Grundsatzeinigung der parlamentarischen Klubs
mit Ausnahme des Team Stronach über die Eckpunkte der künftigen U-Ausschuss-Regelung vorlag. Im Herbst
wurde diese in Gesetzesform gegossen. Gernot Darmann von der FPÖ zeigte sich überzeugt davon, dass auch
der Druck durch die Bevölkerung mittels Petitionen und Bürgerinitiativen zu der Einigung wesentlich beigetragen
hat.
Stärkung des Parlamentarismus
Von vielen RednerInnen wurde die konstruktive Arbeit gewürdigt, vor allem wurde die Unterstützung
der KlubexpertInnen und der JuristInnen der Parlamentsdirektion hervorgehoben. Diese Reform, die aus dem Parlament
selbst komme, sei ein wesentliches Signal für die Zukunft, betonten Eva Glawischnig-Piesczek (G) und Peter
Pilz (G). Mit Unterstützung der Parlamentsdirektion könnte das Hohe Haus in Zukunft weitere Gesetze selbstbewusst
selber ausarbeiten, sagten sie, das Gesetz könne Ausgangspunkt für ein neues starkes Parlament sein.
Dieses neue Selbstbewusstsein kam auch in anderen Wortmeldungen zum Ausdruck, etwa indem Otto Pendl (S) unterstrich,
es sei gelungen, das Parlament zu stärken. Denn mit der Vorsitzführung durch die PräsidentInnen
des Nationalrats stehe man auf gleicher Augenhöhe mit den anderen Staatsgewalten. Auch Gernot Darmann (F)
sieht es als bedeutend an, dass die U-Ausschüsse vom Parlament selbst geleitet werden.
Die Reform könne aber nur der Anfang für eine weite Entwicklung sein, hielt Klubobmann Heinz-Christian
Strache (F) aus seiner Sicht fest. Der Parlamentarismus benötige eine weiter Stärkung durch die Ausweitung
der Direkten Demokratie, forderte er. So sollten etwa ausreichend unterstütze Volksbefragungen zu einer verbindlichen
Volksabstimmung führen.
Hypo-Untersuchungsausschuss wird Bewährungsprobe sein
Mit der nun vorliegenden Reform steht dem Hypo-Untersuchungsausschuss im kommenden Jahr nichts mehr im Wege. Das
wurde aus den Wortmeldungen, vor allem jenen der Opposition deutlich. Dass das Gesetz aber erst mit Leben erfüllt
werden muss und dass der Hypo-Untersuchungsausschuss die erste Bewährungsprobe dafür darstellen wird,
war ebenfalls allen klar. In diesem Sinne waren auch die vielfältigen Appelle zu verstehen, mit dem neuen
Instrumentarium verantwortungsvoll umzugehen. Er hoffe, dass ein Maximum an Aufklärung mit den Regierungsparteien
und nicht gegen sie durch Einschaltung des Verfassungsgerichtshofs möglich sein wird, meinte Peter Pilz (G).
Der Bericht der Griss-Kommission wurde dabei als eine wichtige Grundlage für die kommende Ausschussarbeit
gewürdigt. Peter Pilz (G) und Matthias Strolz (N) betonten, dass dieser Bericht jedoch weder die institutionelle,
noch die personelle, noch die politische Verantwortung habe klären können. Das sei Aufgabe des Untersuchungsausschusses.
Man werde sich auch wichtigen Systemfragen widmen, denn die Hypo-Pleite sei auf den österreichischen parteipolitischen
Filz zurückzuführen, sagte Rainer Hable (N).
Reinhold Lopatka (V) und Josef Cap (S) wünschten sich demnach auch, dass Irmgard Griss im Hypo-U-Ausschuss
eine wichtige Rolle einnehmen sollte. Zurückhaltender äußerte sich dazu Peter Pilz (G). Er merkte
kritisch an, dass die Griss-Kommission keine Aussagen zur Frage getroffen hat, warum sich Finanzminister Spindelegger
für die Anstaltenlösung und nicht für die Insolvenz der Bank entschieden hat und warum immer im
Interesse der Banken entschieden wurde.
Abgeordnete erwarten sich präventive Wirkung und eine neue Verantwortungskultur
Während das Team Stronach die Einigung nicht mitträgt und die Auffassung vertritt, die übrigen
Oppositionsparteien hätten sich das Minderheitsrecht teuer abkaufen lassen, zeigten sich die Abgeordneten
der anderen Parteien mit dem Ergebnis sehr zufrieden, zumal sich das Minderheitsrecht nicht nur auf die Einsetzung
von U-Ausschüssen beschränkt, sondern im gesamten Verfahrensablauf sichergestellt ist.
Die RednerInnen sprachen daher auch von einem "historischen Beschluss für das Österreichische Parlament"
(Andreas Schieder – S, Eva Glawischnig-Piesczek und Dieter Brosz – beide G), von einem "wichtigen Schritt
für das Parlament" (Matthias Strolz – N), von einem "Quantensprung im österreichischen Parlamentarismus"
(Otto Pendl – S), von einer "Jahrhundertreform des Parlamentarismus" (Gernot Darman – F), von einer "völlig
neuen Dimension von Rechten der Opposition" und einer "Zäsur" (Karlheinz Kopf – V).
Seitens der Grünen und der SPÖ versprach man sich auch eine präventive Wirkung. Machtmissbrauch
und Steuergeldverschwendung seien dann nicht mehr so leicht zu vertuschen, und davon habe auch die Bevölkerung
etwas, sagte die Klubobfrau der Grünen Eva Glawischnig-Piesczek. Mit weiteren wichtigen Gesetzen wie die gläsernen
Parteikassen, die Wahlkampfkostenbegrenzung und das Medientransparenzgesetz habe man eine Zäsur für die
politische Kultur geschaffen. Josef Cap (S) zeigte sich überzeugt, dass man mit der U-Ausschuss-Reform einen
Beitrag zur Verbesserung der politischen Kultur, aber auch der Kultur in der Wirtschaft und in anderen Bereichen
leisten werde. Die entscheidende Frage werde aber sein, ob es eine adäquate Verantwortungskultur gibt, was
mit den Ergebnissen der Ausschüsse dann tatsächlich passiert, warf Beate Meinl-Reisinger (N) ein.
Seitens der Regierungsparteien wurde insbesondere die neue Verfahrensordnung für die U-Ausschüsse hervorgehoben.
Das Minderheitsrecht wird mit einem besseren und faireren Verfahren kombiniert sein, argumentierte Klubobmann Andreas
Schieder (S). Die schutzwürdigen Interessen Dritter würden respektiert, das Verfahren kann beschleunigt
und zielgerichteter ablaufen. Untersuchungsausschüsse seien das Instrument der parlamentarischen Kontrolle
und der politischen Auseinandersetzung, hielt Zweiter Nationalratspräsident Karlheinz Kopf fest, sie seien
kein Instrument der staatlichen Gerichtsbarkeit. Daher müsse man sich im rechtsstaatlichen Rahmen bewegen,
der Rechtsstaat habe die Rechte aller zu schützen. An den ParlamentarierInnen liege es nun, sich selbst zu
verpflichten, das Instrument des Untersuchungsausschusses nicht für politische Selbstdarstellung und politisches
Hick-Hack zu missbrauchen, appellierte er und zeigte sich darin eines Sinnes mit Andreas Schieder (S), Matthias
Strolz (N), Beate Meinl-Reisinger (N), Otto Pendl (S) und Reinhold Lopatka (V). Durch das gestärkte rechtsstaatliche
Verfahren habe man eine andere Qualität erreicht, merkte Lopatka an. In gleicher Weise hielt August Wöginger
(V) den Schutz der Auskunftspersonen für einen wesentlichen Punkt der Neuregelung, es dürften keine Vorverurteilungen
mehr passieren, sagte er. Sie alle appellierten an die politische Verantwortung.
Das Verhalten wird auch über das Ansehen und die Stärkung des Parlamentarismus entscheiden, stellte Karlheinz
Kopf (V) mit Nachdruck fest. Jedenfalls werden die Vorsitzenden fair, objektiv und im Sinne des Schutzes des Rechtsstaats
die Sitzungen verantwortungsbewusst leiten, versicherte Kopf dem Plenum.
Kontrapunkt Team Stronach
Mit dieser positiven Einschätzung konnte sich Robert Lugar vom Team Stronach nicht einverstanden erklären.
Die Opposition habe sich über den Tisch ziehen lassen, man sei als Tiger gestartet und als Bettvorleger gelandet,
formulierte er. Die neuen Regelungen würden Aufklärung verhindern, denn die Regierung habe die Möglichkeit,
alles zuzudecken. Die Anrufung des Verfassungsgerichtshofs sei zahnlos, ein echtes Minderheitsrecht wäre nur
dann gegeben, wenn die Minderheit tatsächlich alles entscheiden könnte. Konkret kritisierte er, dass
die Erstbefragung von einem, wie er sagte, "Regierungsrichter" vorgenommen werde, und dieser könne
das Ganze steuern. Auskunftspersonen würden davor geschützt, etwas zu sagen, was Regierungsparteien schaden
könnte. Die Immunität werde verkauft und die Informationsordnung sei in Wahrheit eine Geheimschutzordnung.
Dem wurde von allen anderen Fraktionen heftig widersprochen. So betonte Dieter Brosz (G) in Reaktion auf die Wortmeldung
Lugars, Schutzrechte für Auskunftspersonen seien notwendig. Es sei falsch, dass die Ladung von Auskunftspersonen
verhindert werden könne, tatsächlich habe man ein Minderheitsrecht mit Rechtsschutz geschaffen. Die Minderheit
könne auch zu allen Untersuchungsgegenständen alle Unterlagen anfordern und die Behörden müssten
liefern. Im Falle von Unstimmigkeiten gebe es ebenfalls einen Rechtsschutz. Durch die Informationsordnung habe
das Österreichische Parlament sogar die Möglichkeit, klassifizierte Akten herabzustufen, und das sei
einzigartig in Europa.
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