RidA beschützt Darmbakterien vor Immunaktivität Proteinforscher berichten in Nature
Communications
Bochum (ruhr-uni) - Chlor ist ein gängiges Desinfektionsmittel, das Bakterien tötet, etwa im Schwimmbad
oder der Trinkwasserversorgung. Auch unser Immunsystem stellt Chlor her, das dazu führt, dass Proteine in
Bakterien ihre natürlich Faltung verlieren, verklumpen und nicht mehr funktionieren. RUB-Forscher um Prof.
Dr. Lars Leichert haben jetzt im Darmbakterium E. coli ein bisher unbekanntes Protein entdeckt, das die Bakterien
vor Chlor beschützt. In Anwesenheit von Chlor bindet es an andere Proteine und schützt sie so vor dem
Verklumpen. Ist die Gefahr vorüber, lässt es wieder los und die Proteine können weiterarbeiten.
Über ihre Entdeckung des Proteins berichten die Forscher in der aktuellen Ausgabe von Nature Communications.
Zellen unter Sauerstoffstress
Die Forscher interessieren sich für oxidativen Stress, der auf Zellen einwirkt, wenn sie so genannten
reaktiven Sauerstoffspezies ausgesetzt werden. Oxidativer Stress spielt zum Beispiel eine Rolle bei der Zellalterung,
aber auch bei der Immunabwehr. Immunzellen produzieren reaktive Sauerstoffspezies und setzen damit Bakterien unter
oxidativen Stress. Was aber passiert dann in den Bakterien, ganz besonders mit ihren Proteinen? Dieser Frage gehen
die Forscher nach, indem sie gezielt nach Proteinen suchen, die sich durch oxidativen Stress verändern. So
wurden sie auf das Protein RidA aufmerksam.
RidA ändert seine Funktion in Gegenwart von Chlor
"Jedes Protein hat eine Funktion", erklärt Lars Leichert. RidA ist dafür zuständig,
dass bei der Herstellung von bestimmten Aminosäuren ein Zwischenprodukt schneller abgebaut wird. Um herauszufinden,
was mit RidA bei oxidativem Stress passiert, setzten die Forscher es allen möglichen reaktiven Spezies aus,
die von Immunzellen hergestellt werden, darunter auch Chlor. Bestimmte reaktive Spezies inaktivieren RidA, das
heißt das Zwischenprodukt wurde wie erwartet von RidA nicht mehr abgebaut. Mit Chlor behandeltes RidA sorgte
aber dafür, dass das Zwischenprodukt gar nicht erst hergestellt wurde. "Dafür konnten wir nur eine
Erklärung finden: Mit Chlor behandeltes RidA bindet fest an das Protein, welches das Zwischenprodukt herstellt",
erklärt Alexandra Müller aus Leicherts Team. Anders gesagt: RidA wird in Anwesenheit von Chlor zu einem
so genannten Chaperon.
Mit RidA trübt sich die Proteinlösung nicht
In dieser Funktion kann es andere Proteine beschützen: Wenn sich Proteine entfalten - das tun sie zum
Beispiel wenn sie mit Chlor in Kontakt kommen oder erhitzt werden -, dann verklumpen sie. Das führt dazu,
dass eine Proteinlösung trüb wird. "Bei einem Ei ist das besonders eindrucksvoll. Das durchsichtige
Eiklar wird weiß und undurchsichtig, wenn sich die Proteine beim Kochen darin entfalten", beschreibt
Lars Leichert. Die Forscher können diese Trübung mit einem Fluoreszenzspektrometer genau messen. Wenn
man aber mit Chlor behandeltes RidA dazu gibt, bleibt dieselbe Lösung klar. Verklumpte Proteine funktionieren
nicht mehr - aus einem gekochten Ei schlüpft kein Küken. Ein Chaperon kann das Verklumpen verhindern
und schützt deswegen die Zelle.
Klebriges Protein bindet an alle anderen
Darüber hinaus haben die Forscher auch herausgefunden, dass RidA nach dem Ende der Bedrohung durch Chlor
die Proteine auch wieder loslassen kann, so dass sie ihre Funktion wieder ausüben können. Bei erneuter
Chlor-Bedrohung bindet RidA wieder an Proteine. Außerdem wollten die Forscher wissen, wie genau RidA zum
Chaperon wird. Experimente ergaben, dass die sogenannte N-Chlorinierung dazu führt, dass RidA viel hydrophober
wird. Je hydrophober ein Protein ist, desto "klebriger" wird es und umso besser können entfaltete
Proteine daran binden. RidA schützt in diesem klebrigen Zustand die Proteine in der Bakterienzelle vor dem
Verklumpen.
Forscher vermuten eine Rolle bei der Immunabwehr
Für den Einsatz von Chlor als Desinfektionsmittel hat das aber keine Folgen: RidA hilft Bakterien nur
bei sehr geringen Chlormengen. Anders als bei Antibiotika gibt es bei Desinfektionsmitteln keine Resistenzen. "Wir
denken, dass durch Chlor aktivierte Chaperone vor allem beim Zusammentreffen von Bakterien mit der Immunabwehr
eine Rolle spielen", sagt Lars Leichert.
Titelaufnahme
A. Müller, S. Langklotz, N. Lupilova, K. Kuhlmann, J. Bandow, L.
Leichert (2014): Activation of RidA chaperone function by N-chlorination, Nature Communications, DOI: 10.1038/ncomm6804
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