CEE dank stärkerer Inlandsnachfrage robust, Wachstum im Euroraum weiterhin schwach
Wien (erste group) - Vor dem Hintergrund neuer geopolitscher Turbulenzen bestätigte die Entwicklung
an den Finanzmärkten die Widerstandsfähigkeit der Region Zentral- und Osteuropas, da die Sanktionen Russlands
gegenüber CEE kaum Auswirkungen hatten. Über einen Zeitraum von drei bis sechs Monaten sollte CEE auch
einen Stopp der Erdgaslieferungen über die Ukraine verkraften können. Die rückläufige Nachfrage
in der Ukraine und in Russland ließ das Exportwachstum um etwa einen Prozentpunkt sinken, hatte aber keinen
spürbaren Einfluss auf die Wachstumsdynamik in CEE, die vom Anspringen der Inlandsnachfrage profitiert. Grundsätzlich
ist dabei ein niedrigerer Ölpreis günstig, da er die Inputkosten senkt. „Sollte der gegenwärtig
niedrige Ölpreis noch länger auf ähnlichem Niveau bleiben, wird dies die lokale Kaufkraft erhöhen
und die Inlandsnachfrage stützen, was sich günstig auf das globale Wirtschaftswachstum auswirkt. Ein
niedriger Ölpreis hat jedoch auch einen deutlich dämpfenden Effekt auf die Inflation, womit die Geldpolitik
unterstützend bleiben dürfte", meint Fritz Mostböck, Leiter des Erste Group Research.
Aufgrund großer Schwankungen der Energie- und Rohstoffpreise werden bedeutende Währungen, wie der brasilianische
Real und der russische Rubel vermutlich volatil bleiben. Die Aufwertung des US-Dollars gegenüber den meisten
Währungen zwingt die Investoren, ihre Investments in anderen Währungen zu überdenken, was die Volatilität
in vielen Marktsegmenten anheizt. An den Aktienmärkten ist die Volatilität in letzter Zeit gestiegen.
„Da das QE3-Programm der US-Notenbank (Fed) ausgelaufen ist, geht die Phase niedriger Volatilität an den Börsen
allmählich zu Ende. Schwellenländer werden davon vermutlich stärker betroffen sein als entwickelte
Länder, da die Währungsvolatilität für Anleger in Schwellenländern einen viel größeren
Risikofaktor darstellt", so Mostböck weiter.
Für Österreich erwarten die Analysten der Erste Group nach einer sehr verhaltenen Konjunkturentwicklung
im zweiten Halbjahr 2014 eine gewisse Beschleunigung des Wachstums im Frühjahr 2015. Die Hauptfaktoren dabei
sind die im Allgemeinen dynamische Entwicklung der Weltkonjunktur, der gut positionierte österreichische Unternehmenssektor,
das hohe Inflationsniveau im Vergleich mit anderen Ländern der Eurozone und die seitens der österreichischen
Regierung geplanten Reformen. Erste Group rechnet für 2015 mit einem BIP-Wachstum in Österreich von 1,1%.
Zentral- und Osteuropa: Wirtschaft sollte von der Belebung der Inlandsnachfrage profitieren; für 2015 wird
in CEE ein durchschnittliches Wachstum von 2,5% erwartet; mindestens eine Zentralbank wird die Zinsen weiter senken
2015 wird das Wachstum der CEE-Volkswirtschaften ein positiver Mix aus belebter Inlandsnachfrage und verstärkter
Investitionstätigkeit bestimmen. Der Privatkonsum stieg im Q3 2014 in Tschechien, Rumänien und Polen
um mehr als zwei Prozent, während Investitionen durchschnittlich 1,4 Prozentpunkte zum Wachstum beitrugen.
Damit ist das Wachstum in CEE nicht ausschließlich exportgetrieben, was die Belastbarkeit bei möglichem
Nachlassen der externen Nachfrage erhöht. Mit Ausnahme Kroatiens und Serbiens, wo nach ihrem verspäteten
Start die Fiskalkonsolidierung immer noch bremsend wirkt, ist die Zeit der drastischen staatlichen Sparmaßnahmen
und des Schuldenabbaus vorbei. „Insgesamt werden die CEE-Volkswirtschaften 2015 im Durchschnitt um 2,5% wachsen
und damit doppelt so rasch, wie die Eurozone, für die eine Wachstumsrate von 1,1% erwartet wird“, erklärt
Mostböck. Die ungarische Wirtschaft wird langsamer expandieren, da – anders als im Wahljahr 2014 – mit keiner
zusätzlichen Ausweitung der Staatsausgaben zu rechnen ist. Mit einem BIP-Wachstum von 3,1% im Jahr 2015 sollte
Polen das fünfte Jahr in Folge wachstumsstärkstes Land in CEE bleiben. Für Tschechien wird 2015
eine Wachstumsrate von 2,4%, für Ungarn 2,3% und für die Slowakei 2,5% erwartet.
Die Inflation ist in CEE deutlich unter den Zielvorgaben der Zentralbanken geblieben. Das Erste Group Research
erwartet von der rumänischen Zentralbank bereits im Jänner eine Senkung des Leitzinses um 25 Basispunkte.
Die Zentralbanken Polens und Ungarns werden vermutlich erst über Zinssenkungen nachdenken, wenn die Inflation
weiterhin sehr niedrig und die Stimmung auf dem Markt günstig bleibt.
Eurozone: Erholung bleibt schwach; EZB wird Leitzinsen nicht vor 2Q 2017 anheben
Als Folge der Finanzkrise und der darauf folgenden Staatsschuldenkrise schlitterten die Volkswirtschaften des
Euroraums in eine Rezession. 2014 wurde die Region zusätzlich durch den Konflikt zwischen Russland und der
Ukraine in Mitleidenschaft gezogen. Während sich die deutliche Unterauslastung der Kapazitäten – insbesondere
auf dem Arbeitsmarkt – nur langsam verringert, bleiben die Wachstumsaussichten bescheiden. „Angesichts der Konjunkturschwäche
in den Ländern des Euroraums, geopolitischer Risiken und der anhaltenden Notwendigkeit einer Konsolidierung
der Staatshaushalte erwarten wir für die Eurozone nur eine mäßige Erholung“, so Mostböck.
Damit werden die Arbeitslosenquoten nur langsam zurückgehen, und mit einem Anstieg des Inflationsdrucks ist
nicht zu rechnen. Dies wird der EZB erlauben, ihre extrem expansive Geldpolitik noch eine Zeit lang fortzusetzen.
Analysten der Erste Group gehen davon aus, dass die Arbeitslosenquote und die Inflation erst im Q2 2017 eine erste
Zinsanhebung rechtfertigen werden.
Russland & Naher Osten: Niedriger Ölpreis und Sanktionen gegen Russland führen zu Wirtschaftsabschwung,
was Druck auf private Haushalte und angeschlagene Unternehmen erhöht
Der russische Bankensektor steht derzeit von mehreren Seiten unter Druck. Sollte der Ölpreis weiterhin
so niedrig bleiben, wird dies die russische Ölwirtschaft in Bedrängnis bringen und schwächeren Unternehmen
Schwierigkeiten bereiten, ihre Schulden zurückzuzahlen. „Der gesunkene Ölpreis und die Sanktionen gegen
Russland werden 2015 zu einem Wirtschaftsabschwung führen und den Druck auf private Haushalte erhöhen.
Diese werden unter hoher Arbeitslosigkeit und Kaufkraftverlust leiden, da die Inflation die Lohnerhöhungen
deutlich übersteigen wird“, prognostiziert Mostböck. Bei Unternehmens- und Konsumkrediten wird der Anteil
der faulen Kredite voraussichtlich steigen. Weitere Probleme könnten den russischen Banken bei ihrer Refinanzierung
erwachsen. Wegen des Konflikts mit der Ukraine haben Russlands Banken keinen Zugang zu Finanzierungen in diversen
Währungen aus westlichen Ländern, die in der Vergangenheit eine wesentliche Finanzquelle darstellten.
Gleichzeitig wurde die Finanzierung in Rubel kostspieliger, da die russische Nationalbank die Zinsen deutlich anheben
musste, um dem Verfall des Wechselkurses entgegenzuwirken. „Der kritische Parameter ist in diesem Szenario der
Ölpreis. Je länger der Ölpreis niedrig bleibt, umso größer ist das Risiko für die
russischen Banken", betont Mostböck.
Die weitgehend friedlichen Proteste, die 2010 in der arabischen Welt und im Nahen Osten den Arabischen Frühling
einleiteten, führten zu Machtwechsel und Gründungen demokratischer Parteien, aber auch zu hartnäckigen
militärischen Konflikten, die diese Region und ihre Märkte erschüttern. Der anhaltende Konflikt
in Syrien und die angespannte politische Lage in anderen Ländern der Region können Unsicherheiten erzeugen.
Die Kräfte des so genannten Islamischen Staates sind nach wie vor präsent und kontrollieren weite Teile
Syriens und des Irak. Ungelöste Probleme lassen auch in Gaza und in Pakistan immer wieder Konflikte aufflammen
und stellen eine Herausforderung für die muslimische Welt dar. Was in Zukunft zu erwarten ist, kann kaum abgeschätzt
werden, eine Eskalation scheint durchaus denkbar. Ein solcher Konflikt würde zumindest vorübergehend
Spannungen auf den Finanzmärkten und in der Weltwirtschaft erzeugen und vor allem Öl- und Rohstoffpreise
mittelfristig beeinflussen.
Brasilien & China: Anhaltende Rezession in Brasilien; EUR 90 Mrd als Konjunkturspritze für schwächelnde
chinesische Wirtschaft
In Brasilien ist das Wirtschaftswachstum praktisch zum Erliegen gekommen. Die größte Volkswirtschaft
Lateinamerikas ist seit dem zweiten Halbjahr 2014 in der Rezession. Bei der Industrieproduktion und den Einzelhandelsumsätzen
ist der Trend negativ. Aus diesem Grund sind die Erwartungen der Einkaufsmanager in der Sachgütererzeugung
nach wie vor abwärts gerichtet. Auch die hohen Wachstumsraten Chinas haben sich weiter abgeschwächt.
Ein Grund dafür ist die anhaltende Verlagerung der Wirtschaftsleistung von der Sachgütererzeugung in
den Dienstleistungssektor. Zur Ankurbelung der chinesischen Wirtschaft wurden Investitionen von insgesamt rund
EUR 90 Mrd beschlossen, darunter Investitionen in 16 Bahnhöfe und fünf Flughäfen. Auch die Zentralbanken
haben verschiedene Maßnahmen ergriffen, um der Wachstumsschwäche entgegenzuwirken. Sollte der Abschwung
in diesen großen Schwellenländern anhalten, wird dies jedenfalls negative Auswirkungen auf die globalen
Märkte haben.
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