Auch Pflanzen profitieren von ausgewogener Ernährung
WIen (universität) - Der Trend zur fleischlosen Ernährung macht auch vor Pflanzen nicht halt:
Wie eine ForscherInnengruppe um Marianne Koller-Peroutka und Wolfram Adlassnig von der Universität Wien herausfand,
ernährt sich der Wasserschlauch, eine Wasserpflanze, die auch in vielen österreichischen Seen und Tümpeln
zu finden ist, nicht nur von kleinen Wassertieren, sondern auch von Algen und Blütenpollen. Damit kann er
nicht nur in Gewässern überleben, wo Tiere sehr selten sind – auch bei erfolgreicher Jagd auf tierische
Beute profitieren die Pflanzen von einer ausgewogenen, algenreichen Ernährung. Die Ergebnisse der Studie wurden
soeben in der renommierten Zeitschrift "Annals of Botany" veröffentlicht.
Fleischfressende Pflanzen fangen kleine Tiere, verdauen sie und nutzen sie für ihre eigene Ernährung.
Der Wasserschlauch (Utricularia) ist mit über 200 Arten die größte Gattung karnivorer (fleischfressenden)
Pflanzen. Er fängt seine Beute unter Wasser mit Hilfe raffinierter blasenförmiger Fangorgane, mit denen
ein starker Unterdruck aufgebaut wird. Bei der kleinsten Berührung öffnet sich eine Tür, Wasser
strömt in die Falle ein und reißt kleine Organismen mit sich. Nach kaum drei Millisekunden schließt
sich die Tür wieder, die Beute erstickt in der geschlossenen Falle und wird von einer eigens gebildeten Verdauungsflüssigkeit
aufgelöst. Die im Fang enthaltenen Mineralstoffe ermöglichen es dem Wasserschlauch, auch extrem nährstoffarme
Lebensräume zu besiedeln.
Nicht nur Tiere werden gefangen
Seit über 100 Jahren konnten immer wieder Algen in den Fallen der Utricularia gefunden werden, doch erst
jetzt wurde ihr Anteil an der Beute von Marianne Koller-Peroutka und Wolfram Adlassnig in einem Projekt des Hochschuljubiläumsfonds
der Stadt Wien im Detail untersucht. Die Analyse von über 2.000 Fallen ergab, dass nur knapp zehn Prozent
der gefangenen Objekte Tiere sind, 50 Prozent aber Algen. In nährstoffarmen Gewässern, wie beispielsweise
Moorseen, überwiegt der Fang von Algen ganz besonders. Mehr als ein Drittel der Beute bestand zudem aus Pollen
von Bäumen, die am Ufer wuchsen und deren Blütenstaub ins Wasser fiel. Allerdings sieht es nicht danach
aus, als ob Utricularia sich ihre Beute aussuchen könnte, vielmehr wird unterschiedslos alles gefangen, was
klein genug ist, um durch die Fallentür zu passen.
Vielseitige Ernährung ist gesund
Zunächst vermutete die Forschergruppe daher, Algen und Pollen wären nutzloser Beifang, der nur zufällig
zusammen mit Tieren von den Fallen geschluckt worden wäre. Sobald sie jedoch die Zahl der gefangenen Algen
mit dem Wachstum der Pflanzen und mit der Bildung von Überwinterungsknospen verglichen, ergab sich ein anderes
Bild: Utricularia-Pflanzen, die viele Algen und Pollenkörner gefangen haben, werden länger, bilden mehr
Biomasse aus und wirken generell kräftiger. Dafür erhöht der Fang von Tieren den Stickstoffgehalt
der Pflanzen sowie die Bildung der Überdauerungsknospen, die für das Überleben im Winter entscheidend
sind. Pflanzen mit einer vielseitigen Ernährung, die sowohl Algen als auch Pollen und Tiere gefangen hatten,
wiesen den besten Allgemeinzustand auf. Man kann daher annehmen, dass die Pflanzen manche Nährstoffe, etwa
Stickstoff, vor allem aus Tieren, andere – wie Spurenelemente – hingegen bevorzugt aus Algen oder Pollenkörner
beziehen.
Fallen schlucken auch selbständig
Bislang wurde vermutet, der Saugmechanismus der Falle müsste durch die Bewegung eines Tieres ausgelöst
werden; erst kürzlich veröffentlichte Laboruntersuchungen haben aber gezeigt, dass die Fallen auch von
selbst auslösen können, wenn sie längere Zeit nicht gereizt werden. Tatsächlich scheint die
Fähigkeit, von selbst Beute einzusaugen, im natürlichen Lebensraum von entscheidender Bedeutung zu sein:
Mehr als die Hälfte der Fallen enthält nur unbewegliche oder sehr kleine Beuteobjekte wie Algen, Pollen,
Bakterien oder Pilze, aber keine Tiere, welche die Falle hätten auslösen können.
Durch die Fähigkeit, Organismen aller Art zu fangen und zu verwerten, kann der Wasserschlauch auch Gewässer
besiedeln, in denen Tiere selten sind, und wo allein die Fähigkeit zum Tierfang nur von geringem Nutzen wäre.
Algen, Pollenkörner und die Tiere enthalten zudem unterschiedliche Elemente und Verbindungen, der Fang eines
weiten Beutespektrums sorgt damit auch für eine breite Palette an Nährstoffen, die der Pflanze zu Verfügung
stehen. Auch Pflanzen profitieren somit von einer ausgewogenen Ernährung.
Publikation in Annals of Botany:
Koller-Peroutka M., Lendl T., Watzka M. und W. Adlassnig "Capture
of Algae Promotes Growth and Propagation in Aquatic Utricularia" in: Annals of Botany – vorgesehen für
Vol. 15, Februar 2015
DOI: http://dx.doi.org/10.1093/aob/mcu236
|