Aktuelle Veröffentlichung im Wissenschaftsmagazin „Pedobiologia“
Wien (boku) - „In welcher Beziehung stehen Regenwürmer zu Blattläusen?“
Dieser abstrus anmutenden Frage ging ein Forscherteam unter der Leitung der Universität für Bodenkultur
Wien (BOKU) nach. Zugrundeliegend war die Überlegung, dass Regenwürmer und Mykorrhizapilze Nährstoffe
im Boden aufbereiten, die von Pflanzenwurzeln aufgenommen werden. Blattläuse, die an diesen Pflanzen saugen
nehmen diese Nährstoffe auf und sollten demnach mit Bodenorganismen in einer funktionellen Beziehung stehen.
In einem Experiment gelang jetzt der Nachweis dieser Beziehung durch Markierung der Regenwürmer mit stabilen
Isotopen. Netzwerke zwischen unterirdischen und oberirdischen Organismen könnten damit aufgezeigt werden,
wie die Wissenschafter kürzlich im Fachmagazin „Pedobiologia“ bekanntgaben.
Schubladendenken auch in der Ökologie
Selbst in einer grundsätzlich systemischen Wissenschaftsdisziplin wie der Ökologie wird voneinander abgeschottet
in Teildisziplinen gedacht und gearbeitet - wie etwa der Pflanzenökologie, der Tierökologie oder der
Bodenökologie. „Es ist jedoch klar, dass alle Organismen untereinander und mit der Umwelt in Beziehung stehen“,
formuliert Studienleiter Johann Zaller vom BOKU Institut für Zoologie den Ausgangspunkt zu den Untersuchungen.
„Wir haben uns deshalb überlegt, wie wir nachweisen können, dass es Interaktionen zwischen im Boden lebenden
und oberirdisch lebende Organismen gibt. Pflanzen nehmen dabei eine Art Vermittlerrolle ein, da Wurzeln im Boden
und Blätter oberirdisch wachsen“, so Zaller weiter.
Experimente mit vier Organismengruppen
Umgesetzt wurde die Überlegung im BOKU-Forschungsglashaus in großen Pflanztöpfen mit symbiontischen
Mykorrhizapilzen, Pflanzen und Blattläusen. „Zu diesem vereinfachten Ökosystem haben wir dann mit stabilen
Stickstoffisotopen gefütterte Regenwürmer zugesetzt und nach mehreren Tagen versucht, diese Isotopenmarkierung
in unterschiedlichen Teilen des Systems wiederzufinden: im Regenwurmgewebe, in Regenwurmhäufchen, in den Pflanzenwurzeln,
den Blättern und in den Blattläusen“, erklärt Andrea Grabmaier, Erstautorin der Studie. In der Natur
kommt Stickstoff in verschiedenen Varianten, den sog. Isotopen vor, die sich nur durch das Gewicht ihrer Atomkerne
voneinander unterscheiden. Die Verhältnisse dieser Isotope werden auch zur Herkunftsbestimmung von Lebensmitteln
herangezogen. Beispielsweise kann so nachgewiesen werden, ob Bio-Rinder tatsächlich nur mit Heu oder aber
auch mit Mais-Kraftfutter gefüttert wurden. „Das Ergebnis des Versuchs war insofern sehr interessant, als
uns damit der Nachweis einer funktionellen Beziehung zwischen Regenwürmern und Pflanzensaftsaugern gelungen
ist. Mykorrhizapilze haben dabei die Aufnahme der Nährstoffe durch Blattläuse beeinflusst“, zeigt sich
Grabmaier begeistert.
Alles hängt mit allem zusammen
„Selbstverständlich sind Beeinflussungen genauso gut in die gegensätzliche Richtung denkbar, nämlich
dass Blattläuse die chemische Zusammensetzung der Pflanzen verändern und Bodenorganismen, die mit Pflanzen
assoziiert sind, beeinflusst werden. Spannend wäre nun, die hier erstmals im Glashaus getestete Methode auf
einer artenreichen Wiese im Freiland auszuprobieren um damit Interaktionen zwischen Bodenorganismen und Bestäuber-Insekten
oder – noch komplexer - Vögel, die sich von den Insekten ernähren, aufzuzeigen“, resümiert Zaller.
Quelle: Andrea Grabmaier, Florian Heigl,
Nico Eisenhauer, Marcel G.A. van der Heijden, Johann G. Zaller (2014) Stable isotope labelling of earthworms can
help deciphering belowground–aboveground interactions involving earthworms, mycorrhizal fungi, plants and aphids.
Pedobiologia 57: 197-203.
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