Appell: Normung stärker als strategisches Instrument nutzen
Wien (austrian-standards) - Österreich gehört zu den Top-Ten in der europäischen und internationalen
Normung und bringt sich besonders aktiv in den Gremien ein. Das belegt das aktuelle Internationale Normungsbarometer
des französischen Normungsinstitutes AFNOR. Der Präsident von Austrian Standards, Walter Barfuß,
appelliert an Wirtschaft, Politik, Verwaltung, Interessenvertretungen, Wissenschaft und Gesellschaft, Normung noch
stärker als strategisches Instrument zu nutzen, um sich damit wertvollen Zeit- und Wissensvorsprung zu verschaffen.
"Wenn das Wirtschaftswachstum austrocknet, braucht es Normen als Wissensflut umso dringender", so Barfuß.
Österreichs führende Unternehmen haben den Wert von Normen bereits erkannt - 80 Prozent der Top-Unternehmen
des Landes nehmen aktiv an der Normung teil", informiert Harald Plöckinger, Vizepräsident von Austrian
Standards und Vorstandsmitglied der KTM AG. Die Direktorin von Austrian Standards, Elisabeth Stampfl-Blaha, nützt
die Pressekonferenz am Mittwoch, um das Thema Normung einem Faktencheck zu unterziehen und mit überholten
Klischees aufzuräumen: Von "Normenflut" könne keine Rede mehr sein, und der "Sündenbock
Baunormen" hat ausgedient.
Austrian Standards hat mit einem leistungsorientierten Finanzierungssystem, das seit 2014 einen moderaten Teilnahmebeitrag
für alle, die an der Normung teilnehmen, vorsieht, in Zeiten der Budgetkonsolidierung für zusätzliche
Effizienz gesorgt. Der Teilnahmebeitrag in Höhe von EUR 450,00 ist in etwa halb so hoch wie jener in Deutschland.
"Kein vergleichbares Normungsinstitut hat einen so hohen Eigenfinanzierungsanteil wie Austrian Standards",
so Barfuß, der betonte, dass es "ein Gebot der politischen Weisheit ist, für Balance in der Finanzierung
zu sorgen."
"Was in weiten Teilen Europas und der Welt längst genützt wird - die Kraft von Normen und der Vorsprung
durch Mitgestaltung - ist in Österreich noch nicht von allen ausreichend erkannt. Teilweise dürften Vorurteile
und Informationsdefizite den Blick auf das Wesentliche verstellen", so die Direktorin von Austrian Standards,
Stampfl-Blaha, die darum den Jahresauftakt nützt, um mit einigen Mythen aufzuräumen und Fakten über
Normung klarzustellen.
Faktum 1: Normen bringen jährliches Mehr an Wirtschaftsleistung von 2,5 Mrd. Euro
Das Thema Normung ist längst über die Frage von Schraubengrößen hinausgewachsen. Normen
schaffen Innovation und Sicherheit und sind ein unübersehbarer Wirtschaftsfaktor - schließlich bringen
sie Österreich ein Mehr an Wirtschaftsleistung in der Höhe von 2,5 Milliarden Euro pro Jahr. Ein exportorientiertes
Land wie Österreich schafft ein Viertel seines Wirtschaftswachstums durch Normung. Mit Standards werden Handelshemmnisse
abgebaut und neue Märkte über Europa hinaus erschlossen. "Wenn die Wirtschaft stagniert und die
Arbeitslosigkeit steigt, ist es ein Gebot der Stunde, dieses internationale Exportpotenzial voll auszuschöpfen
und gleichzeitig nationale Wachstumsimpulse zu setzen", so Plöckinger. Dies gilt nicht nur für Österreichs
Großunternehmen, sondern ganz besonders auch für KMU. Schon jetzt sind mehr als die Hälfte der
Normungsteilnehmenden aus dem Bereich Wirtschaft Klein- und Mittelbetriebe.
Faktum 2: Normenzuwachs geht zurück
Mehr als 90 Prozent aller in Österreich gültigen Normen (ÖNORMEN) sind Europäische und
Internationale Normen. Eine Europäische Norm ersetzt im Schnitt zehn nationale Normen.
Bereits seit 2011 ist der Zuwachs an Normen rückläufig. Grund ist, dass der Großteil des europäischen
Normenwerks, das für den Aufbau eines gemeinsamen Binnenmarkts notwendig ist, weitgehend fertig gestellt ist.
Künftig geht es vor allem darum, das Europäische Normenwerk aktuell zu halten und Innovationen sinnvoll
in Normen einzubetten. In Zukunft werden wir den Fokus noch stärker auf die Beteiligung an der internationalen
Normung legen.
2014 wurden 1 519 ÖNORMEN veröffentlicht. Die Neuveröffentlichung von Normen ist damit unter das
Niveau von 1997 (1 602) gesunken. Gleichzeitig wurden 1 257 ÖNORMEN zurückgezogen. Womit der Zuwachs
2014 lediglich 262 ÖNORMEN ausmachte. 1997 war im Vergleich dazu der Zuwachs mit 1 110 Normen mehr als vier
Mal so hoch. Ein Zuwachs von 262 Normen kann angesichts der Themenvielfalt sicher nicht als Normenflut bezeichnet
werden. Der nationale Anteil an den Neuerscheinungen lag 2014 bei nur mehr 6,5 Prozent (99 Stück).
Faktum 3: "Sündenbock Baunormen" hat ausgedient
Normen wurden in der Vergangenheit als Kostentreiber beim Bauen und Wohnen dargestellt. Kritiker haben nach
mehrfacher Einladung eine Handvoll konkreter Beispiele geliefert. Diese werden geprüft und die Ergebnisse
gegebenenfalls umgesetzt.
Ein Beispiel sind Mehrkosten für Barrierefreiheit, die sich aber durch längeres selbstbestimmtes Leben
im gewohnten Lebensbereich langfristig rechnen können. Hier geht es um politische Willensbildung und um das
stark steigende Bedürfnis nach selbstbestimmten Leben im Alter. Vorgerechnet wurden von den Kritikern auch
die 1 Prozent Mehrkosten durch die ÖNORM B 8115-2 beim Bau von Wohnungen entlang extrem lauter Straßen.
Die Norm empfiehlt seit 2006 eine bessere Fenster-Schalldämmung bei Außenlärmpegeln ab 61 dB, damit
es innen nicht lauter wird als 30 dB. Lärm ist gemäß WHO der zweitgrößte krankmachende
Umweltfaktor. Es wird nun diskutiert, ob sich diese Mehrkosten rechnen. Der Sündenbock Baunormen hat auf jeden
Fall ausgedient.
Faktum 4: Normen kosten Geld - sind aber für alle leistbar
Sowohl Bauinnung als auch die Kammern der Architekten und Ingenieurkonsulenten geben an, dass ihre Mitglieder
jeweils maximal 200 Normen benötigen. Die etwa von der Vorarlberger Wirtschaftskammer veröffentlichte
Zahl, dass alle Baunormen 250.000 Euro kosten, ist ein Mythos. Mitglieder der Bauinnungen sowie der Kammern der
Architekten und Ingenieurkonsulenten können seit Jahren im Rahmen eines Normenpakets die 200 benötigten
Normen zum Pauschalpreis von 230 Euro (inklusive Updates) beziehen. Für die jeweiligen Berufsschulen gibt
es den Zugang zu Normen dann gratis.
In Normen und Standards stecken wertvolles Wissen, Know-how aus der Praxis und Service. Für KMU und Kommunen
bietet Austrian Standards günstige Paketlösungen.
Faktum 5: Normen sind keine Gesetze - Mitgestaltung erwünscht
ÖNORMEN sind keine Gesetze, sondern Empfehlungen und sollen den Gesetzgeber entlasten. Sie werden bei
Austrian Standards in einem öffentlichen und völlig transparenten Verfahren erarbeitet. Normen werden
nicht von den Mitgliedern oder Mitarbeitern von Austrian Standards gemacht, sondern von den tausenden Expertinnen
und Experten in Österreich. Für jeden ist einsehbar, wer sich in der Normung engagiert. Die Normungskomitees
der einzelnen Fachbereiche sind für alle Interessierten offen, und jeder kann rund um die Uhr auf der Website
von Austrian Standards (www.austrian-standards.at) Norm-Entwürfe lesen und online Kommentare abgeben, die
in die Entwicklung der Norm einfließen.
Faktum 6: Mehrheit für unabhängiges Normungsinstitut
In der Diskussion rund um Normung wurden sowohl Rufe nach einer "Privatisierung" als auch nach einer
Verstaatlichung von Austrian Standards laut. Tatsache ist, dass Austrian Standards seit 1920 als unabhängige
Institution einen transparenten Normungsprozess in Österreich sicherstellt, was den internationalen Standards
für Normungsorganisationen entspricht. Staatliche Normung gibt es nur mehr in einzelnen Nachfolgestaaten der
UdSSR und in Venezuela. Bei einer INTEGRAL-Umfrage im Herbst 2014 haben sich 58 Prozent der österreichischen
Bevölkerung dafür ausgesprochen, dass die Entwicklung von Normen von einem unabhängigen Institut
koordiniert werden soll.
Faktum 7: Normung ist offen und macht Sinn
Dass die Sinnhaftigkeit der Teilnahme an der Normung unumstritten ist, bestätigt die INTEGRAL-Umfrage
ebenso. 90 Prozent der Befragten sind der Meinung, dass es Sinn macht, an der Normung teilzunehmen. Mehr als die
Hälfte der Anwender von Normen bekundete hohes Interesse daran, selbst an einer Normen-Entwicklung teilnehmen
zu wollen, doch nur 38 Prozent der Befragten wussten darüber Bescheid, dass sich jeder in den Prozess der
Normung einbringen kann. Für die Direktorin von Austrian Standards Anlass, "die Informationsarbeit über
die Möglichkeiten zur Mitgestaltung noch weiter zu forcieren und den Dialog auszubauen".
Über Austrian Standards:
Standards sind Normen und Regelwerke. Sie dienen dem Wohl und der Sicherheit aller, machen das Leben einfacher
und sorgen dafür, dass eins verlässlich zum anderen passt. Standards stehen für Qualität und
damit für Vertrauen in Produkte und Leistungen. Austrian Standards stellt seit 1920 als unabhängige und
neutrale Plattform einen transparenten Normungsprozess in Österreich sicher. Das Institut ermöglicht
allen, Normen mitzugestalten und macht Standards als sinnvolles, international anerkanntes Fachwissen leicht zugänglich
und anwendbar.
Austrian Standards beschäftigt derzeit 121 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Standards sorgen in Österreich
für ein Mehr an innovativer Wirtschaftsleistung in Höhe von rund 2,5 Mrd. Euro pro Jahr.
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