EU will Inflation in Europa einheitlicher
 und präziser berechnen

 

erstellt am
15. 01. 15
11.00 MEZ

EU-Ausschuss des Bundesrats gegen überbordende Delegierung von Rechtsakten an die Kommission
Wien (pk) - Zu den Voraussetzungen einer wirkungsvollen Geldpolitik in Europa zählt eine möglichst präzise Berechnung der durchschnittlichen Inflationsrate aller Euroländer. EU-Kommission und Europäische Zentralbank wollen daher die Berechnung der Messgrößen für die Berechnung der Inflation in der EU weiterentwickeln und die geltende EU-Verordnung für den Harmonisierten Verbraucherpreisindex (HVPI) auch in technischer Hinsicht modernisieren. Der EU-Ausschuss des Bundesrats nahm am 14.01. den Kommissionsentwurf für eine neugefasste Verordnung für den Rechtsrahmen zur Berechnung der durchschnittlichen Inflationsrate in Verhandlung und hörte dazu Experten des zuständigen Wirtschaftsressorts, der Statistik Austria sowie der Wirtschaftskammer Österreich und der Arbeiterkammer.

Außer Streit stand in der lebhaften Debatte die Notwendigkeit einer weiteren Harmonisierung sowie von Modernisierungen bei der Ermittlung des Verbraucherpreisindex. Problematisch sahen aber sowohl ExpertInnen als auch BundesrätInnen die zahlreichen delegierten Rechtsakte, die auch dieser Verordnungsentwurf enthält, sowie die Absicht der Kommission, auf eine Abschätzung der Folgen der geplanten Verordnung zu verzichten. Der Vertreter des Wirtschaftsministeriums sagte zu, sich bei den Beratungen in der Ratsarbeitsgruppe im kommenden Februar für eine Folgenabschätzung und für eine Abschwächung der delegierten Rechtsakte einzusetzen. Dieses Bemühen sollte der Bundesrat eventuell mit einer Mitteilung nach Brüssel unterstützen, die der EU-Ausschuss bis zu seiner nächsten Sitzung am 4.2.2015 ausarbeiten könnte, schlug Ausschussobmann Edgar Mayer (V/V) dazu vor.

Im Mittelpunkt der Diskussion standen Fragen zur Erhebung, Übermittlung und Auswertung von Scannerkassen-Daten und deren Nutzung für eine präzisere Berechnung der Inflationsrate durch Berücksichtigung von Rabatten bei Lebensmitteln sowie Drogerie- und Haushaltsprodukten. Dabei machte die Expertin der Wirtschaftskammer – bei aller Aufgeschlossenheit für technische Neuerungen, wie sie sagte - auf Probleme mit dem Schutz sensibler Unternehmensdaten aufmerksam, während Bundesrat Marco Schreuder (G/W) angesichts der vielen Kundenkarten auch auf die Frage der Sicherheit personenbezogener Daten hinwies.

Der Vertreter des Wirtschaftsministeriums unterstrich den Bedarf an einer weiteren Harmonisierung bei der Ermittlung der Inflation in Europa und an der Berücksichtigung des technischen Fortschritts in der gegenständlichen EU-Verordnung. Er informierte über ein geplantes Methodik-Handbuch zur Qualitätssicherung bei der Inflationsberechnung und über weitere Fortschritte bei der Nutzung der elektronischen Datenermittlung und –verarbeitung. Der Verordnungsentwurf sei sachlich gerechtfertigt und werde vom Ressort daher generell befürwortet. Kritik übt das Wirtschaftsministerium aber an weitreichenden delegierten Rechtsakten, wie sie auch in dieser Verordnung für die Durchführung vorgesehen sind. Dieser Kritik schlossen sich auch die Vertreterin der Wirtschaftskammer sowie Sprecher aller Fraktionen an.

Laut Statistik Austria erfasse die derzeit praktizierte Stichprobenmethode Rabatte im Lebensmittel-, Drogerie- und Haushaltsbereich nicht ausreichend. In anderen EU-Ländern gehen die Uhren diesbezüglich schneller, erfuhren die BundesrätInnen. Eine Übermittlung von Scannerkassen-Daten an die EU sei nicht vorgesehen, wohl aber eine Auskunftspflicht über die Ergebnisse ihrer Auswertung. Probleme bei der Erhebung und Verarbeitung von Scannerkassen-Daten unterschätze auch die Arbeiterkammer nicht, räumte deren Vertreter ein, der aber die Notwendigkeit betonte, die Qualität der Erhebungen und der Ergebnisse zu erhöhen.

Die Frage, in welche Richtung eine Berücksichtigung von Scannerkassen-Daten die derzeit relativ hohe österreichische Inflationsquote verändern würde, könne man nach derzeitigem Wissen nicht beantworten, teilte der Experte der Statistik Austria Bundesrat Walter Temmel (V/B) mit. Bundesrat Gerd Krusche (F/St) erfuhr vom Vertreter der Statistik Austria, dass von einer Einbeziehung der Scannerkassen-Daten wesentlich mehr Genauigkeit bei der Berechnung der Inflationsrate zu erwarten sei. Er erwarte keine zusätzlichen Personalkosten durch eine Erhebung der Scannerkassen-Daten, wohl aber Investitionskosten für die dafür nötigen neuen Server.

Während Bundesrat Stefan Schennach (S/W) angesichts der überbordenden delegierten Rechtsakte und des Fehlens einer Folgenabschätzung zunächst vorgeschlagen hatte, bis zur nächsten Sitzung des EU-Ausschusses des Bundesrats am 4.2.2015 eine Stellungnahme ins Auge zu fassen, meinte Ausschussvorsitzender Edgar Mayer (V/V) in seiner Zusammenfassung der Debatte, es reiche aus, eventuell eine Mitteilung nach Brüssel vorzubereiten.

   

Kommission und Rat planen Transparenzoffensive im EU-Recht
Für mehr Transparenz im Unionsrecht will die neue Europäische Kommission unter Präsident Jean-Claude Juncker sorgen, schon um die Effizienz der Rechtsetzung zu gewährleisten. Die Kommission plant deswegen, den Umfang der EU-Rechtsvorschriften zu verringern. Gutgeheißen wurde heute vom EU-Ausschuss des Bundesrats in diesem Zusammenhang ein Vorschlag zur Aufhebung überholter Rechtsakte polizeilicher und justizieller Zusammenarbeit bei Strafsachen. Die Übergangsphase mit Doppelgleisigkeiten nach Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon sei damit abgeschlossen, zeigte sich etwa Bundesrat Stefan Schennach (S/W) zufrieden.

Zu den Vorschlägen des Rats für eine Verbesserung der Rechtsetzungspraxis in der Europäischen Union kündigte Vorsitzender Edgar Mayer (V/V) eine Ausschussmitteilung an die Europäische Kommission und einen Entschließungsantrag an Außenminister Sebastian Kurz sowie Bundeskanzler Werner Faymann an. Vor allem die Stärkung nationaler Parlamente im Rechtsetzungsverfahren der Union soll darin adressiert werden. Um diese Schreiben zeitnah auszuformulieren – geplant ist, den Entschließungsantrag in der kommenden Plenarsitzung des Bundesrats zu behandeln - wurde die Thematik heute einhellig vertagt. Der EU-Ausschuss hatte die Optimierungsvorschläge der Ratsarbeitsgruppe "Freunde der Präsidentschaft", deren Tätigkeit vergangenen Dezember endete, bereits im Vorjahr erörtert (siehe Parlamentskorrespondenz Nr. 1169).

Durchforstung des Rechtsbestands zeigt erste Ergebnisse
Mit dem Ziel, den Rechtsstand der Europäischen Union übersichtlich und auf der Höhe der Zeit zu halten, hat die EU-Kommission einen Vorschlag zur Aufhebung bestimmter Rechtsakte polizeilicher und justizieller Zusammenarbeit bei Strafsachen (PJZS) vorgelegt. Gestrichen werden darin jene gemeinschaftlichen Maßnahmen im Kampf gegen Terrorismus, Kriminalität, Drogenhandel und zum Informationsaustausch in Sicherheits- bzw. Zollfragen, die zeitlich befristet waren oder inhaltlich in spätere Rechtsakte übernommen wurden, wie im Verordnungsentwurf ausgeführt ist. Mit vielen Bereichen der Sicherheitspolitik in der Union ist zudem mittlerweile die europäische Polizeibehörde Europol betraut.

Im Sinne der Transparenz sei die angedachte Rechtsbereinigung zu begrüßen, hielt Ausschussobmann Edgar Mayer dazu fest. Positiv äußerte sich auch Bundesrat Stefan Schennach (S/W), der darin eine neue Ära der Unionspolitik anbrechen sah: Durch die Aufhebung überholter Rechtsakte entfalte der Lissabon-Vertrag mit seinen vertieften Maßnahmen – beispielsweise bei der Rechtshilfe – seine volle Wirkung. Das sei schon angesichts der neuen vertraglichen Partizipationsmöglichkeiten für nationale Parlamente im EU-Recht erfreulich. Die anwesende Expertin aus dem Justizministerium bestätigte, eine neue Phase der Unionspolitik werde nun eingeläutet. Noch zu klären sei allerdings in rechtstheoretischer Hinsicht die konkrete Ausgestaltung der umfassenderen Zusammenarbeit im Bereich der Rechtshilfe. Eine derartige sehe das EU-Rechtshilfe-Abkommen von 2000, das auch nach dem Wegfall der diesbezüglichen PJZS-Maßnahme seine Gültigkeit haben soll, nämlich vor, fügte sie an.

Alle von der Aufhebung betroffenen Rechtsakte stammen aus der Zeit vor dem Vertrag von Lissabon, mit dem 2009 auch für die polizeiliche und justizielle Zusammenarbeit supranationale Entscheidungsverfahren eingeführt worden sind und die sogenannte dritte Säule der EU zum Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts wurde. Ein Rechtsexperte des Innenministeriums erläuterte im Ausschuss, jene Rechtsakte dieses Bereichs, für deren Ablauf in den Verträgen ein Übergangszeitraum festgelegt war, seien in weiterer Folge von der Ratsarbeitsgruppe "Freunde der Präsidentschaft" auf ihre Aktualität und Rechtswirkung geprüft worden. Ihre Ergebnisse bildeten die Grundlage für den vorliegenden Entwurf. Aus Gründen der Rechtssicherheit schlägt die Kommission jetzt vor, dass die als veraltet identifizierten Maßnahmen vom Europäischen Parlament und vom Rat aufgehoben werden.

Mitwirkung der Nationalstaaten in der EU-Rechtssetzung essentiell
Eingangs der Sitzung skizzierte Stefan Schennach (S/W) in Kürze, welche Anregungen zur Optimierung der EU-Politik in die von Obmann Mayer angekündigten Schreiben des Ausschusses aufgenommen werden sollten. Entscheidend seien verbesserte Mitsprachemöglichkeiten der nationalen Parlamente und flexiblere Fristen im Rahmen der Subsidiaritätsprüfungsverfahren sowie eine Eindämmung der oft überschießenden Nutzung von delegierten Rechtsakten bzw. Durchführungsrechtsakten durch die EU-Kommission, so der SPÖ-Mandatar.

Er erklärte damit die Vertagung des Ratsdokuments über die Tätigkeit der Arbeitsgruppe "Freunde der Präsidentschaft", die noch unter dem italienischen Ratsvorsitz die EU-Verträge auf Verbesserungen in den Abläufen der Rechtssetzung durchforstet hat. Neben dem Rechtsetzungsprozess umfassen diese Schlussfolgerungen auch die Verfahren zur Abstimmung von EU-Kommission, Europäischem Parlament und Rat über die Jahresprogramme ("legislative Programmierung") sowie die Nachbereitung der Tagungsergebnisse des Europäischen Rats. In allen Bereichen wird eine transparentere Gestaltung der Entscheidungsprozesse gefordert, nicht zuletzt unter Einbeziehung der nationalen Parlamente.

 

 

 

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