Nationalrat unterstreicht Verteidigung demokratischer Freiheiten
Wien (pk) – Das Gedenken an die Opfer der Anschläge in Paris und die aus diesen terroristischen Akten
zu ziehenden politischen Konsequenzen beherrschten am 14.01. den Beginn der Sondersitzung des Nationalrats. Sowohl
die Klubobleute der Parlamentsparteien als auch Bundeskanzler Werner Faymann und Innenministerin Johanna Mikl-Leitner
schlossen sich den Worten von Nationalratspräsidentin Doris Bures an, die dem Mitgefühl und der Solidarität
mit Frankreich und vor allem mit den Angehörigen der Ermordeten besonderen Ausdruck verliehen hatte. Bundeskanzler
und Innenministerin gaben Erklärungen zum Thema "Gemeinsam gegen den Terror" ab.
Faymann: Kein Platz für Terror, Hass und Verhetzung in einer demokratischen Gesellschaft
Die Sicherheit in Europa könne nur dann gewährleistet werden, wenn alle gemeinsam für die Werte
der Menschenwürde, der Rede-, der Meinungs- und der Religionsfreiheit eintreten, hielt Bundeskanzler Werner
Faymann unmissverständlich fest. Die Rechte der Demokratie sollen aber nicht nur dann hochgehalten werden,
wenn etwas Schreckliches passiert, sondern sie müssen tagtäglich verteidigt werden, sagte er. Religionen
und Menschen dürfen auch nicht gegeneinander ausgespielt werden, warnte Faymann. Man müsse aus den furchtbaren
Vorkommnissen die richtigen Analysen ziehen, Verbrecher bleiben Verbrecher und der Terrorismus müsse mit aller
Kraft bekämpft werden. Ein sicheres Europa könne es zudem nur dann geben, wenn auch die sozialen Probleme
gelöst und den Menschen Perspektiven für die Zukunft gegeben werden, gab der Bundeskanzler zu bedenken.
In den letzten Tagen haben auch viele muslimische Organisationen ein starkes Bekenntnis gegen die Gewalt und für
die Freiheit und die Demokratie abgegeben, erinnerte der Kanzler. Personen, die den Islam für die Verbrechen
der Attentäter verantwortlich machen, gefährden nur das friedliche und respektvolle Zusammenleben der
einzelnen Bevölkerungsgruppen. Gleichzeitig sehe man mit größter Besorgnis auch ein Ansteigen der
antisemitisch motivierten Gewalt in Europa, führte Faymann weiter aus. Jede Art von Terror, Gewalt, Hass und
Herabwürdigung haben keinen Platz in einer demokratischen, freien Gesellschaft, stellte er abschließend
fest.
Mikl-Leitner: Wertschätzung der Freiheitsrechte ist stärkste Waffe im Kampf gegen den Terror
Innenministerin Johanna Mikl-Leitner bezeichnete die schrecklichen Ereignisse in Paris als Anschlag gegen Juden,
Christen, Muslime und alle Menschen, denen Freiheit und Toleranz wichtig sind. Das Attentat habe sich gegen das
Wertegefüge der freien Welt gerichtet, gegen die Vielfalt der Kulturen und gegen den Zusammenhalt der Gesellschaften.
Die Extremisten wollen uns einschüchtern und uns in unserer Meinungs- und Kritikfreiheit beschränken,
urteilte Mikl-Leitner, und dies dürfe man unter keinen Umständen zulassen. Es sei daher sehr erfreulich,
dass Millionen von Menschen trotz anhaltender Bedrohung auf die Straßen gegangen sind und ein deutliches
Zeichen gegen die Mörder gesetzt haben.
Österreich nehme die Bedrohung, die von den Extremisten und Terroristen ausgeht, seit langem schon sehr ernst,
bekräftigte die Innenministerin. Sie wies auf zahlreiche Maßnahmen hin, die bereits in der Vergangenheit
gesetzt wurden, wie etwa das Symbolgesetz, die Verschärfung der Grenzkontrollen oder die Novellierung des
Staatsbürgerschaftsrechts. Außerdem soll der Staatsschutz auf neue Beine gestellt werden, kündigte
die Ressortchefin an. Ebenso wichtig sei eine gemeinsame Strategie auf EU-Ebene, um gegen die zunehmenden Gefahren
des Terrorismus besser vorgehen zu können. Aufgrund der aktuellen Ereignisse werden die Sicherheitsvorkehrungen
in Österreich nochmals verschärft, informierte Mikl-Leitner. Ihr Ressort werde bald ein neues Maßnahmenpaket
vorlegen, um sowohl die Bevölkerung als auch die Einsatzkräfte bestmöglich schützen zu können.
Sie sei persönlich fest davon überzeugt, dass die Demokratie den längeren Atem haben wird als der
Terror.
Schieder: Keine Toleranz für Intoleranz
In der weiteren Debatte drückten die Klubobleute aller im Parlament vertretenen Fraktionen ihr Mitgefühl,
ihre Betroffenheit und Solidarität mit den Angehörigen der Opfer und mit dem französischen Volk
aus. Man sollte noch einmal herausstreichen, dass bei dem grausamen Attentat Menschen zu Opfern wurden, weil sie
einerseits Journalisten bzw. Karikaturisten waren und auf Meinungs- und Pressefreiheit vertraut haben, weil sie
als Polizisten die Rechtstaatlichkeit verteidigt haben oder weil sie jüdischen Glaubens waren, erklärte
Andreas Schieder von der SPÖ. Die Antwort auf Hass müsse Solidarität sein, die Antwort auf Gewalt
Rechtstaatlichkeit, die Antwort auf religiösen Fundamentalismus ein säkularer Staat, die Antwort auf
Ausgrenzung Integration und die Antwort auf Dummheit eine bessere Bildung, forderte Schieder.
Lopatka: ÖVP gegen jede Form von Extremismus und Terror
Die Freiheit denken, glauben und sagen zu dürfen, was man will, gelte es zu verteidigen, unterstrich Reinhold
Lopatka (V). Dies sei auch Ausdruck einer wehrhaften Demokratie, für die seine Partei stehe. Gedenkveranstaltungen
seien wichtig, aber zu wenig, meinte Lopatka, man müsse nun auch handeln. Da das Bedrohungspotential gestiegen
ist, seien auch in Österreich die Sicherheitsvorkehrungen verschärft worden, und man müsse weiter
sehr achtsam sein. Er sprach sich zudem für eine noch bessere Ausrüstung der Einsatzkräfte sowie
den Einsatz der Vorratsdatenspeicherung aus, weil dadurch Mittelsmänner aufgedeckt und weitere Anschläge
vereitelt werden könnten. Außerdem gelte es, die Grundprinzipien der freien und offenen Gesellschaft
noch besser in den Schulen zu vermitteln.
Strache: Kein Platz für Radikal-Islam
Der freiheitliche Klubobmann, Heinz-Christian Strache, zeigte sich äußerst betroffen von den Terroranschlägen
in Paris, die von radikalen Islamisten verübt wurden. Es helfe jedoch niemanden, wenn man die Dinge nicht
beim Namen benennt und verschweigt, auf welcher Grundlage die Attentäter agieren. Seine Partei habe sich seit
vielen Jahren kritisch mit der zunehmenden Gefahr, die vom radikalen Islamismus ausgeht, befasst und auf den Kern
des Problems hingewiesen. Mittlerweile gebe es sehr viele Gruppierungen in diesem Bereich, die sich aber leider
alle auf den Koran beziehen, gab Strache zu bedenken. Es dürfe natürlich keinen Generalverdacht gegenüber
allen Muslimen geben und man müsse in der Debatte klar differenzieren, forderte er. Zum Glück gibt es
sehr viele Muslime, die solche Vorkommnisse zutiefst ablehnen. Gleichzeitig sei es aber notwendig, gegen Fehlentwicklungen
vorzugehen und entsprechende Maßnahmen zu setzen. So forderte er u.a., dass Dschihadisten und Mitgliedern
von fremden Armeen oder Terrororganisationen die Staatsbürgerschaft entzogen wird.
Glawischnig-Piesczek warnte vor einer Einschränkung der Grundrechte
Eva Glawischnig-Piesczek (G) hielt es für sehr wichtig, dass die weltweiten Reaktionen auf den Terror in Paris,
die gegen das Fundament der europäischen Wertegemeinschaft gerichtet waren, vor allem den Zusammenhalt und
die Solidarität in den Vordergrund gestellt haben. Ihrer Meinung nach wäre es nun falsch, die Ermordung
von Journalisten, Polizisten und jüdischen Mitbürgern ähnlich wie in den USA zum Anlass zu nehmen,
um schrittweise die rechtlichen Standards zu reduzieren. Sie gab in diesem Zusammenhang zu bedenken, dass gerade
Frankreich sehr gut ausgebaute Überwachungssysteme hat und z.B. das Sperren von Internetseiten ohne richterlichen
Befehl möglich ist. Dennoch konnten die Verbrechen leider nicht verhindert werden. Schließlich forderte
sie die Bundesregierung auf, das König Abdullah-Zentrum endlich zu schließen. Erst vor kurzem sei wieder
ein junger regierungskritischer Internet-Blogger ausgepeitscht worden, nur weil er sich für die Gleichwertigkeit
von Juden, Christen, Muslimen und Atheisten ausgesprochen hat.
Dietrich für klare Spielregeln in einer multikulturellen Gesellschaft
Keiner von uns habe mit einem solchen Mut und so kompromisslos für Meinungsfreiheit und westliche Werte gekämpft
wie die Redakteure und Zeichner von "Charlie Hebdo", erklärte Waltraud Dietrich vom Team Stronach.
Sie haben sich trotz Anschlägen und Drohungen nicht einschüchtern lassen und letztendlich den höchsten
Preis für ihr Engagement bezahlt. Dafür gebühre ihnen der höchste Respekt und die höchste
Anerkennung. Terror, Extremismus und Gewalt entstehen nicht im luftleeren Raum und schon gar nicht von heute auf
Morgen, sagte Dietrich. Viele, die jetzt "Wir sind Charlie" rufen, haben die Augen vor den extremistischen
Umtrieben verschlossen. Eine multikulturelle Gesellschaft brauche aber klare Spielregeln, damit sie funktionieren
kann, war Dietrich überzeugt. Es dürfen keinerlei Zugeständnisse gegenüber den Extremisten
gemacht werden, denn Demokratie und Meinungsfreiheit sind nicht verhandelbar. Gleichzeitig müssen aber auch
die Sorgen und Ängste der Bevölkerung ernst genommen werden, forderte die Rednerin, weshalb sie es etwa
für falsch hält, die Anhänger der Pegida-Bewegung zu stigmatisieren.
Strolz für Förderung des gegenseitigen Verständnisses der Kulturen
Die Terroranschläge in Paris haben die Menschen natürlich verängstigt, erklärte Matthias Strolz
von den NEOS, aber diese Angst müsse überwunden werden. Die liberalen Demokratien müssen klar zum
Ausdruck bringen, dass sie vor dem Terror nicht kapitulieren und sich die "Wertegemeinschaft nicht zerschießen
lassen". Europa steht für Humanismus, den Geist der Aufklärung sowie die unveräußerlichen
Menschenrechte, unterstrich Strolz, und daraus erwachsen die individuellen Freiheiten sowie der Wohlstand und das
gesellschaftliche Wohlbefinden. Diese Werte gelte es zu verteidigen, sowohl mit den Mitteln des Rechtstaats als
auch mit Vernunft, Toleranz und Respekt. Dringender und wichtiger als der Ruf nach gepanzerten Fahrzeugen ist seines
Erachtens, den Menschen eine gute Ausbildung zu gewährleisten, "wirkmächtige Dialogzentren"
zu installieren und die Umsetzung einer gemeinsamen Außen-, Sicherheits- und Nachbarschaftspolitik in der
EU.
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