Angesichts zögerlicher Erholung der Eurozone und schwachen Welthandel ist Inlandsnachfrage
ausschlaggebend für CEE-Wachstum, Reformen fundamental
Wien (bank austria) - Die zögerliche, wirtschaftliche Erholung der Eurozone und der schwache Welthandel
werden 2015 die Unterschiede zwischen den einzelnen Ländern Zentral- und Osteuropas (CEE) weiter vergrößern.
Insbesondere reformfreudige Volkswirtschaften sollten heuer wachsen, während Staaten mit offenen Strukturproblemen
in Rezession sein werden. Das ist eine zentrale Aussage des jüngsten „CEE Quarterly“, das von UniCredit Economics
& FI/FX Research quartalsweise publiziert wird und das der Konjunktur in der Region gewidmet ist. Einmal mehr
stechen Zentraleuropa und das Baltikum mit einer breiten Erholung, besserer Steuermetrik sowie einer soliden Außenfinanzierungsfähigkeit
hervor. Insgesamt soll die Wirtschaft in Zentral- und Südosteuropa dieses Jahr um 2,5 Prozent und 2016 um
2,9 Prozent zulegen, in der ganzen Region werden es wegen des Rückganges in Russland 0,2 bzw. 2,2 Prozent
sein.
Begrenzte Impulse von globalen Exporten
Anders als zu Jahresbeginn 2014 sind die Nettoexporte derzeit in vielen CEE-Ländern eher eine Belastung als
eine Triebfeder für das Wirtschaftswachstum. Denn eine verstärkte Inlandsnachfrage lässt die
Importe steigen, die zögerliche Erholung der Eurozone, eine schwache Nachfrage aus anderen Schwellenmärkten
sowie die Konflikte in der Ukraine und im Mittleren Osten bremsen hingegen die Exporte. Diese Faktoren sind auch
dafür verantwortlich, dass die weltweiten Exporte 2015 und 2016 lediglich um 3 bis 4 Prozent jährlich
zunehmen werden.
„Vor dem Hintergrund eines geringen Exportwachstums gewinnen wettbewerbsfähige Preise an Bedeutung. Dabei
könnte sich die Abwertung des Euro gegenüber dem US-Dollar kurzfristig als hilfreich für CEE-Exporte
außerhalb der EU erweisen. Sollte dies nicht ausreichend sein, könnten CEE-Länder mit flexiblen
Wechselkursen zum Euro ihre Währungen abwerten, um die Geldpolitik zu lockern“, sagt UniCredit-Ökonom
Dan Bucsa. Langfristig müssen sich jedoch die Volkswirtschaften Zentral- und Osteuropas zu anspruchsvolleren
Produktionsstandorten mit höherer Wertschöpfung entwickeln. Mit Bezug auf die Kapitalflüsse
bleiben EU-Mittel das wichtigste Differenzierungsmerkmal zwischen den jüngeren EU-Mitgliedsländern und
anderen Schwellenmärkten, zumal ausländische Direktinvestitionen begrenzt sind.
In der Vergangenheit ist es den CEE-Ländern leichter gefallen, ihre Marktanteile in der EU auszuweiten als
in neue Märkte zu expandieren. Das gilt vor allem für die jüngeren EU-Mitgliedsländer, die
ihre Marktanteile bei den Exporten innerhalb der EU zu Lasten der EWU-Peripherie, Frankreichs und Großbritanniens,
ausgebaut haben. 2015 könnten die jüngeren EU-Mitgliedsländer die Peripherie bei den Marktanteilen
an den inner-EU Exporten dank geringerer Produktionskosten, flexibleren Arbeitsmärkten, geografischer
Nähe und niedrigerer Steuern sogar überholen. Dennoch werden die CEE-Exporte in die EU 2015 kaum mehr
als 5 Prozent wachsen.
Damit ruhen die Hoffnungen der CEE-Länder auf den USA und Deutschland. Wenngleich die UniCredit-Analysten
für die USA ein stärkeres Wachstum prognostizieren, wird sich dieses Plus nur beschränkt und auf
indirektem Weg, über die Nachfrage aus Deutschland, positiv auf CEE auswirken. Trotz einer graduellen Beschleunigung
des quartalsweisen Wachstums wird sich die deutsche Konjunktur dieses Jahr voraussichtlich auf plus 1,2 Prozent
nach 1,5 Prozent 2014 einbremsen. Nächstes Jahr könnte sich das Wachstum dann wieder auf 2,0 Prozent
beschleunigen.
Handelssanktionen gegen Russland könnten heuer fallen
Neben den Wahlen in Griechenland und den unsicheren Wachstumsaussichten der EWU bleiben die internationalen
Sanktionen gegen Russland die wichtigste Frage für CEE. Die Handelssanktionen könnten dabei zuerst fallen,
sofern die 28 Mitgliedsländer der Europäischen Union keinen Konsens über ihre Verlängerung
erzielen. Werden die Handelssanktionen teilweise zurückgenommen, könnte Russland im Gegenzug die
Beschränkungen für Lebensmittelimporte lockern. Die Finanzsanktionen hingegen werden wohl solange in
Kraft bleiben, bis die USA eine zufriedenstellende Lösung für die Ukraine-Krise sehen.
„Die Auswirkungen der Konflikte in der Ukraine und im Mittleren Osten auf den CEE-Handel sind bisher begrenzt.
Obwohl die saisonalen Energieimporte aus Russland vermutlich zu einer Ausweitung des Handelsdefizits der CEE-Länder
im letzten Quartal 2014 geführt haben, schließen wir eine starke Verschlechterung ihrer Handelsbilanzen
aus“, meint Bucsa, „Der Konflikt in der Ukraine stellt erst im Wege seiner Auswirkungen auf die Eurozone und die
Konjunkturaussichten Deutschlands ein größeres Risiko für Zentral- und Osteuropa dar.“
Russland ist hingegen schon kurzfristig mit dem Risiko einer Rezession und eines niedrigeren Potenzialwachstums
in der Zukunft konfrontiert. Das liegt vor allem an seiner Abhängigkeit von Rohstoffexporten und der sinkenden
Energieintensität der globalen Wirtschaft, in der ein immer größerer BIP-Anteil auf den Dienstleistungssektor
entfällt und sich die Schwellenländer weg von der Schwerindustrie hin zu höherwertigen Produktionen
entwickeln. In der Zwischenzeit kann Russland nicht auf die Energieexporte nach Europa verzichten, die nur
schwer zu ersetzen sind: So werden die beiden jüngsten Lieferverträge mit China erst 2018 rund 60 Prozent
des Jahresgasexportes nach Europa erreichen.
Inlandsnachfrage – Erledigte Reformen als Unterscheidungsmerkmal
Im Fall, dass die Exporte 2015 enttäuschen, werden die CEE-Märkte eine robuste Inlandsnachfrage brauchen.
Doch nicht alle Länder verfügen über diesen Polster. Für die Ukraine, Serbien und Kroatien
wird es angesichts schwacher Fundamentaldaten und ungelöster Steuerthemen schwierig sein, die Rezession zu
überwinden. In Russland werden Konsum und Investitionen nicht die niedrigen Rohstoffpreise und die unzureichende
Außenfinanzierung ausgleichen können.
In den jüngeren EU-Mitgliedsländern wird die Belastbarkeit des Wachstums maßgeblich vom Konsum
und den Investitionstreibern abhängen, die schon 2014 gewirkt haben: nämlich niedrige Inflation, dynamische
Entwicklung der Arbeitsmärkte und eine akkommodative Geldpolitik.
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