1. Quartal 2015 mit deutlich gedämpften Erwartungen - Handwerkerbonus weiterhin gut nachgefragt
- Forderung: Meisterqualifikation mit Bachelor gleichsetzen
Wien (pwk) - Die Konjunktursituation für die Unternehmen im Gewerbe und Handwerk hat sich im Vergleich
zu den Vorquartalen weiter verschlechtert. In den ersten drei Quartalen 2014 sind die Umsätze bzw. Auftragseingänge
gegenüber dem Vorjahr um 2,7 % gesunken. Betroffen ist davon insbesondere der gesamte Bausektor, nur die Lebensmittelgewerbe
konnten die Position halten.
Das Stimmungsbarometer ist im vierten Quartal weiter gesunken, und zwar im Jahresvergleich von minus 7 Prozentpunkten
auf minus 14 Prozentpunkte. Betriebe mit deutlich schlechterer Geschäftslage finden sich im Bereich Bau, aber
auch im Kunststoffgewerbe, bei den Karosseriebauern und bei den Mechatronikern. Der Auftragsbestand ist mit minus
6,2 % weiter gesunken. Diese Ergebnisse korrespondieren auch mit dem von 96,1 auf 93,2 Punkte gesunkenen Wirtschaftsklimaindikator
der EU-Kommission.
"Es ist anerkennenswert, dass trotz dieser widrigen Umstände und pessimistischen Einschätzungen
das Gewerbe und Handwerk seinen Beschäftigtenstand auf Vorjahresniveau halten wird. Die Position als Arbeitgeber
Nummer 1 ist dadurch nicht gefährdet, wenngleich mit höherer Bauarbeitslosigkeit zu rechnen sein wird",
betont Walter Bornett, Direktor der KMU Forschung Austria.
Deutlich gedämpfte Erwartungshaltung für 1. Quartal 2015
Für die Zukunft erwarten sich noch weniger Unternehmen als bisher steigende Auftragseingänge bzw.
Umsätze (1.Quartal 2014: -2 Prozentpunkte, 1. Quartal 2015: - 12 Prozentpunkte). Besonders gedämpft sind
die Erwartungen in weiten Bereichen des Bau- und Baunebengewerbes sowie bei den Goldschmieden.
Wegen der anhaltend schlechten Nachfrage ist damit zu rechnen, dass die Unternehmen vermehrt Verluste zu Lasten
des Eigenkapitals machen werden. Damit sind nicht nur die Bemühungen der letzten 30 Jahre zum Aufbau konkurrenzfähiger
Eigenkapitalquoten bedroht. Auch die Fähigkeit bei einsetzendem Aufschwung zu investieren wird dadurch nachhaltig
geschwächt. In diesem Kontext sind Substanzsteuern Gift für die weitere Entwicklung des Gewerbes und
Handwerks wie auch für die Übergabe von Unternehmen.
Ausdünnung der Eigenkapitaldecke der Betriebe verhindern
Insgesamt warnen Bornett und Renate Scheichelbauer-Schuster, Obfrau der Bundessparte Gewerbe und Handwerk in der
der Wirtschaftskammer Österreich (WKÖ) vor einer weiteren Ausdünnung der Eigenkapitaldecke der Betriebe:
Angesichts der Tatsache, dass es rund einem Drittel der Betriebe quer durch alle Branchen nicht gut gehe und mehr
als ein Drittel nicht kostendeckend arbeitet, werde sukzessive das Eigenkapital angeknabbert, gerade auch um Personal
halten zu können. Dies werde bei einem Aufschwung die Betriebe aber vor deutliche Probleme stellen. "Eine
Verschlechterung der Eigenkapitalsituation gepaart mit einer strengen Bonitätsprüfung wird Betreibe dann
zu Problemen bei der Finanzierung ihrer Investitionen führen", warnt Bornett.
Notwendigkeit von Konjunkturmaßnahmen
Die private wie die öffentliche Nachfrage lassen zu wünschen übrig. Angesichts dieser aktuellen
Konjunkturschwäche, das besonders Gewerbe und Handwerk trifft, sind Impulse notwendig, um wieder für
mehr Wachstum und Beschäftigung sorgen zu können. "Das Gewerbe und Handwerk hält die wachstumsfördernden
Maßnahmen der EU und der Bundesregierung für besonders wichtig. Die angekündigte Erhöhung
der öffentlichen Investitionen muss aber auch bei den Unternehmen und damit bei den ArbeitnehmerInnen ankommen.
Zudem sollten alle Modelle forciert werden, die sich über die Laufzeit der Investitionen auch für die
öffentliche Hand rechnen bzw. höhere Einnahmen aus Steuern und Sozialversicherungsbeiträgen bringen.
Das bedeutet mehr Beschäftigung und einen gestärkten Wirtschaftsstandort Österreich", so Gewerbe-Obfrau
Renate Scheichelbauer-Schuster.
Ein wichtiger Nachfrageimpuls ist dabei der Handwerkerbonus, der zur Bekämpfung von Schwarzarbeit und Konjunkturbelebung
dient und 2014 so gut angelaufen ist. Die Fördermittel 2014 waren bereits am 19. November 2014 ausgeschöpft.
Aufgrund intensiver Verhandlungen konnte eine Vorziehung der Budgetmittel 2015 erreicht werden: Es sind nun alle
Anträge förderbar, sofern die Endrechnungen frühestens mit 19.November 2014 datieren und die Arbeitsleistungen
bis spätestens 31. Dezember 2015 erbracht und abgeschlossen werden.
Diese neue vorgezogene Förderperiode ist wieder gut angelaufen: Mit Stichtag 7. Jänner 2015 lagen 6.000
Anträge mit einem Förderbarwert von mehr als 2,3 Mio. Euro vor. Daher ist wieder damit zu rechnen, dass
auch 2015 die Fördermittel vorzeitig ausgeschöpft sein werden.
Da sich die Fördermaßnahme durch das erhöhte Steueraufkommen gegenfinanziert, setzt sich das Gewerbe
und Handwerk dafür ein,
- die Förderhöhe von 600 Euro auf 1.200 Euro zu erhöhen,
- die Budgetdeckelung zu beseitigen, was aus den nicht ausgeschöpften Mitteln
der Wohnbauoffensive vorfinanziert werden könnte,
- und den Anwendungsbereich auf Leistungen im Neubau sowie im Außenbereich
von Wohngebäuden zu erweitern.
Staatliche Förderung bewirkt mehr Sanierungen
Ein weiteres, sich selbst finanzierendes Modell ist die Thermische Sanierung. 100 Mio. Euro staatliche Förderung
lösen ein Sanierungsvolumen von mindestens 650 Mio. Euro im Inland aus. Damit werden 7.000 Arbeitsplätze
gesichert und Arbeitslosengeld in Höhe von 95 Mio. Euro gespart. Das Modell bringt dem Finanzminister 70 Mio.
Euro an Lohnsteuer und der Sozialversicherung 104 Mio. Euro an Beitragszahlungen. Zudem lukriert der Finanzminister
91 Mio. Euro Umsatzsteuer bei Privatgebäuden.
Wettbewerbsfähigkeit sichern und Qualifikationen anerkennen durch den Nationalen Qualifikationsrahmen
In Deutschland wird die Meisterqualifikation im deutschen Qualifikationsrahmen der gleichen Niveaustufe 6 zugeordnet
wie der Bachelorabschluss. Österreich hinkt wieder einmal nach, es fehlt an der österreichischen Umsetzung
des Europäischen Qualifizierungsrahmens. "Ich appelliere an die Frau Bildungsministerin umgehend den
österreichischen Qualifikationsrahmen mit Level 6 für die österreichische Meisterprüfung zu
verankern", fordert Renate Scheichelbauer-Schuster. "Wir können es nicht akzeptieren, dass österreichische
ArbeitnehmerInnen mit Zeugnissen von Meister- und Befähigungsprüfungen bei Bewerbungen gegenüber
anderen EU-Bürgern benachteiligt werden. Gleiches gilt für österreichische Unternehmen, die deshalb
bei öffentlichen Aufträgen im Ausland benachteiligt werden", resümiert Renate Scheichelbauer-Schuster.
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