Patientenverfügung auf dem Prüfstand
 der Enquete-Kommission

 

erstellt am
23. 01. 15
11.00 MEZ

Letzte Runde der öffentlichen Anhörung im Parlament
Wien (pk) - Die öffentliche Anhörung der parlamentarischen Enquete-Kommission zum Thema "Würde am Ende des Lebens" ging am 23.01. in ihre letzte Runde. Auf der Tagesordnung standen zunächst die Bereiche Patientenverfügung und Vorsorgevollmacht, bevor sich die ExpertInnen und Abgeordneten mit den verfassungsrechtlichen Aspekten rund um die Frage der Sterbehilfe befassten.

Mehr Information und weniger Zugangshürden
Allein schon der Umstand, dass nur 4 % der Bevölkerung eine Patientenverfügung errichtet haben, mit der bestimmte medizinische Behandlungsmethoden vorweg abgelehnt werden, zeigte für die ExpertInnen den nach wie vor bestehenden Handlungsbedarf auf. Einig war man sich über die Notwendigkeit, den Zugang zu erleichtern und den PatientInnen bessere Information anzubieten. So trat etwa Gerhard Aigner (Bundesministerium für Gesundheit) dafür ein, die Erneuerung einer Patientenverfügung nicht mehr an die strengen juristischen Formkriterien einer verbindlichen Patientenverfügung zu knüpfen. Überhaupt sollte seiner Meinung nach die vom Gesetzgeber vorgenommene, für die Bevölkerung aber schwer nachvollziehbare Unterscheidung zwischen einer verbindlichen und einer bloß beachtlichen Patientenverfügung aufgehoben werden. Vorstellbar war für ihn auch eine Verlängerung der Dauer der Patientenverfügung über den Zeitraum von derzeit fünf Jahren hinaus. Eine Patientenverfügung müsse dem Gedanken Rechnung tragen, dass der Wille der PatientInnen die Maxime der medizinischen Behandlung zu sein hat, stand für Michael Lunzer (Österreichische Notariatskammer) fest. Hohen Stellenwert räumte er der Information und Beratung, wie sie bereits durch die NotarInnen angeboten wird, ein. Wichtig sei es darüber hinaus, Barrieren zu beseitigen, die vor allem auch in der Schwellenangst der Betroffenen liegen.

Qualitativ habe sich die Patientenverfügung durchaus bewährt, befand Gerald Bachinger (Niederösterreichischer Patienten- und Pflegeanwalt), trotzdem seien mehr Ressourcen für Beratung und Dokumentation geboten. Bachinger wies zudem auf finanzielle Hürden hin und schlug eine Übernahme der im Zuge der ärztlichen Beratung entstehenden Kosten durch die Sozialversicherungsträger vor. Für sinnvoll hielt er auch eine Kombination von Patientenverfügung und Vorsorgevollmacht. Die E-card schließlich sollte seiner Meinung nach mit einer Applikation "Patientenverfügung" versehen werden. Sigrid Pilz (Wiener Pflege- und Patientenanwältin) forderte mehr Zeit für das ärztliche Aufklärungsgespräch über die Errichtung einer Patientenverfügung und bemängelte überdies, wesentliche Zielgruppen wie demente Menschen, aber auch MigrantInnen hätten derzeit de facto noch keinen Zugang zu Patientenverfügungen.

Kombination von Patientenverfügung und Vorsorgevollmacht
Ernst Berger (Psychotherapeut) sprach die Grenzen der langfristigen Verfügungsmöglichkeit an und bemerkte unter Hinweis auf die Erfahrungen aus seiner Praxis, die Wünsche der PatientInnen seien häufigen Wechseln unterworfen. Entscheidungen könnten daher nur in der jeweiligen Situation in einem dialogischen Prozess getroffen werden. Dabei sollte jedenfalls das Leben "einen Fürsprecher haben". Großes Informationsdefizit beklagte Volksanwältin Gertrude Brinek. Aufklärung und Vereinfachung, diese etwa in Form eines One-Stop-Shops, seien ebenso gefragt wie die Reduktion der Kosten. Brinek plädierte zudem auch für die Einbettung der Patientenverfügung in eine Vorsorgevollmacht.

Patientenverfügungen sollten immer eingebunden sein in den Prozess der ärztlichen Aufklärung, betonte Johannes Meran (Primarius für Innere Medizin), der überdies zu bedenken gab, in klinischen Entscheidungssituationen seien Patientenverfügungen in den seltensten Fällen hilfreich. PatientInnen sollten seiner Meinung nach ermuntert werden, beachtliche, nicht aber verbindliche Patientenverfügungen zu errichten.

Anton Wechselberger (Präsident der Österreichischen Ärztekammer) wiederum will den Zugang zu Patientenverfügungen durch ein niederschwelliges Angebot mit weniger Formvorschriften, etwa durch das Nennen einer Vertrauensperson, erhöhen. Auch sollten beachtliche Patientenverfügungen mit einer Vorsorgevollmacht kombiniert werden können. Wichtig war Wechselberger ferner die Erstellung eines Registers sowohl für Patientenverfügungen als auch für Vorsorgevollmachten. Maria Kletecka-Pulker (Institut für Ethik und Recht in der Medizin) hob die Bedeutung der Rechtssicherheit für PatientInnen, aber auch für die Angehörigen der Gesundheitsberufe hervor und sprach sich für eine entsprechende Verankerung der Patientenverfügung im Ärztegesetz aus. Der Vorsorgedialog sollte jedenfalls Teil des ärztlichen Gesprächs sein. Was die für die PatientInnen anfallenden Kosten betrifft, trat sie für eine Abgeltung im Rahmen des Sozialversicherungsrechts ein.

Die Forderungen nach Vereinfachung, besserer Information und Erleichterung des Zugangs standen auch im Mittelpunkt der anschließenden Diskussion. ÖVP-Abgeordnete Michaela Steinacker kündigte in diesem Zusammenhang eine Informationsoffensive "Vorsorgeservice" an, bei der ab April RechtsanwältInnen, NotarInnen und Partnerorganisationen in allen Bezirken an Informationstagen kostenlos über den Themenbereich Patientenverfügung und Vorsorgevollmacht beraten werden.

Vorsorgedialog soll Information über Vorsorgevollmacht verbessern
In zweiten Teil der Enquetekommission stand das Thema "Vorsorgevollmacht" im Zentrum der Debatte. Das Allgemeine Bürgerliche Gesetzbuch (§ 284) ermöglicht es, eine Person zur Besorgung bestimmter Angelegenheiten zu bevollmächtigen, falls man selbst die dazu die erforderliche Geschäfts-, Einsichts-, Urteils- oder Äußerungsfähigkeit verlieren sollte. Eine Vorsorgevollmacht muss entweder eigenhändig geschrieben, in Gegenwart dreier Zeugen unterschrieben oder notariell aufgenommenen werden. Umfasst die Vorsorgevollmacht Einwilligungen in medizinische Behandlungen, Entscheidungen über dauerhafte Änderungen des Wohnorts oder außerordentliche Vermögensangelegenheiten, muss sie vor einem Rechtsanwalt, einem Notar oder bei Gericht errichtet werden. Der Bevollmächtigte darf nur Angelegenheiten besorgen, die in der Vollmacht klar bestimmt sind und er darf nicht in einem Abhängigkeitsverhältnis oder in einer engen Beziehung zu einer Krankenanstalt, einem Heim oder einer Einrichtung stehen, in der der Vollmachtgeber betreut wird.

Richtlinien für den Vorsorgedialog in geriatrischen Einrichtungen
Hildegard Menner (Bundes-Arbeitsgemeinschaft Pflegedienstleistung) sagte in ihrem Einleitungsreferat, dass Menschen in Pflegeheimen und Betreuungseinrichtungen die Instrumente Patientenverfügung und Vorsorgevollmacht noch weniger in Anspruch nehmen als andere. Zugleich wünschen diese Menschen, festzulegen, was sie im Fall des Falles wollen und was nicht. Menner schlägt daher vor, für die Gespräche, die schon jetzt zwischen BewohnerInnen, ÄrztInnen und BetreuerInnen in geriatrischen Einrichtungen geführt werden - die laut Menner derzeit aber nicht tief genug gehen - unter dem Titel "Vorsorgedialog" eine einheitliche Richtlinie zu schaffen. Das Ziel sollte es sein, den Willen der Menschen klar zu erfassen und dabei sas Problemfeld Demenz speziell zu beachten. Regina Ertl (Lebensweltheim) erklärte die geringe Zahl von Vorsorgevollmachten mit der ungenügenden Information über dieses wichtige Instrument. Ertl zeigte sich überzeugt, dass ein Vorsorgedialog die Informationslücke bei Patientenverfügungen und Vorsorgevollmachten schließen könne. Außerdem brauche dieser Dialog eine Rechtsgrundlage und Beitragsleistungen des Gesundheits- und Sozialsystems.

Kognitiv eingeschränkte Menschen brauchen Hilfe bei Entscheidungen
Behindertenanwalt Erwin Buchinger befasste sich mit der Vorsorgevollmacht aus der Perspektive behinderter, insbesondere kognitiv eingeschränkter Menschen. Sie sehen die Vorsorgevollmacht oft kritisch, weil diese Entscheidungen delegiere, während es ihnen darum gehe, ihre Entscheidungsfähigkeit nachzuweisen und Unterstützung in ihren Entscheidungen zu erhalten. Buchinger plädiert für diese Unterstützung. Vorsorgevollmachten sollten verständlicher gestaltet und die finanzielle Barriere von 500 bis 700 € pro Vorsorgevollmacht gesenkt werden. Beim Thema Würde am Ende des Lebens appellierte Buchinger, auch die Würde am Beginn des Lebens zu beachten und schlug nachdrücklich vor, die unterschiedliche Beurteilung behinderten und nichtbehinderten Lebens bei der Straffreiheit von Schwangerschaftsabbrüchen zu beenden. Dieses Anliegen unterstützte in der Debatte ausdrücklich Abgeordneter Marcus Franz vom Team Stronach.

Menschen wollen sterben, wo sie sich zu Hause fühlen
Sigrid Beyer (Hospiz- und Palliativ-Care im Pflegeheim) erinnerte daran, dass in Österreich 70.000 Menschen, viele von ihnen schwer krank oder sterbend, in Pflege- und Altenheimen leben. Nachts sei häufig eine Pflegehelferin für 50 bis 70 Menschen alleine zuständig. In Krisensituationen führe dies immer wieder dazu, dass der verständigte Notarzt Menschen in ein Spital einweist, obwohl sie in Ruhe dort sterben wollen, wo sie sich zu Hause fühlen. Daher sei es wichtig, in einem Vorsorgedialog klar zu ermitteln, was die Menschen wollen, das Ergebnis des Gesprächs zu dokumentieren und diese Gespräche halbjährlich zu wiederholen. An dieser Stelle sah die Expertin Nachholbedarf bei der Abgeltung palliativmedizinischer Leistungen in Pflege- und Altenheimen. Die Palliativmedizinerin Susanne Zinell (Mobiles Palliativ-Team des Landeskrankenhauses Villach) berichtete von ihren Erfahrungen bei der Begleitung von 4000 sterbenden Menschen. Die Menschen hätten meist keine Angst vor dem Sterben, sondern von dem Weg dorthin, sagte sie. Sie wollen so lange wie möglich zuhause sein, schmerzfrei und in ihren Entscheidungen autonom bleiben. Sie brauchen spirituelle Unterstützung und genügend Zeit, Dinge zu erledigen, die ihnen wichtig sind. Aus Respekt für diese Menschen sollte man deren kostbare Zeit nicht mit Therapien vergeuden, die ihnen nicht mehr nützen, sagte die Medizinerin.

Mit den besonderen Problemen von Menschen, die nicht selbst, sondern nur über andere Menschen kommunizieren können, befasste sich Gabriele Nußbaumer (Lebenshilfe Vorarlberg). Die Expertin empfiehlt, die Kommunikationsbrücken zu diesen Menschen nach dem Beispiel Deutschlands auszubauen, dort haben bereits 20% aller Menschen eine Patientenverfügung. Dabei sei es wichtig, den Vorsorgedialog rechtzeitig zu beginnen, sagte Nußbaumer, die Erwin Buchinger ausdrücklich in seiner Forderung nach Abschaffung der eugenischen Indikation unterstützt.

In der Diskussion unterstrich Abgeordnete Michaela Steinacker (V) die Bedeutung des Vorsorgedialogs und plädierte dafür, die Vorsorgevollmacht und deren Verwaltung durch Zusammenlegung der dafür bestehenden Register zu vereinfachen. Werner Mühlböck (Tiroler Hospiz-Gemeinschaft) schlug vor, Palliativ-Care als Ausbildungsinhalt in das Medizinstudium und die Ärzteweiterbildung aufzunehmen. Sektionschef Gerhard Aigner (Bundesministerium für Gesundheit) warnte aus langjähriger legistischer Erfahrung vor einer Verrechtlichung des Vorsorgedialogs und schloss mit den Worten: "Tut es einfach".

     

Verfassungsrechtliches Verbot der Sterbehilfe umstritten
Bericht der Enquete Kommission "Würde am Ende des Lebens" für Anfang März angekündigt
Der Forderung, ein Verbot der Tötung auf Verlangen in die Verfassung zu schreiben, standen heute in der Enquete-Kommission "Würde am Ende des Lebens" die Rechtsexperten und -expertinnen weitgehend skeptisch gegenüber. Verfassungsrechtler Bernd-Christian Funk bezweifelte, dass die Verfassung einen nennenswerten Beitrag dazu leisten könne, das Ende des Lebens physisch und psychisch erträglich zu machen, Leid zu vermeiden und zu minimieren, Angst zu nehmen und die Würde zu wahren. Mehrmals wurde seitens der ExpertInnen betont, dass es sich bei dieser Frage in erster Linie um eine politische Entscheidung handelt, die man der Politik nicht abnehmen könne. Ewald Wiederin (Universität Wien) warnte die Abgeordneten davor, schwierige Problembereiche in das Bundes-Verfassungsgesetz zu schreiben und diese damit an den Verfassungsgerichtshof abzuschieben. Er sprach in diesem Zusammenhang sogar von einer "partiellen Selbstentmachtung des Parlaments".

Auch was die Verankerung eines sozialen Grundrechts auf ein würdevolles Sterben betrifft, zeigten sich die RechtswissenschaftlerInnen nur bedingt überzeugt. Es bestehe die Gefahr, Ziele festzuschreiben, die Erreichung dieser Ziele aber schuldig zu bleiben, gab Katharina Pabel von der Universität Linz zu bedenken, denn ein derartiges Grundrecht gewinne nur dann rechtlich an Gewicht, je konkreter man es fasst. Formuliert man jedoch genaue durchsetzbare Leistungsansprüche, dann verliere der Gesetzgeber die nötige Flexibilität, warf auch Michael Mayrhof von der Universität Linz ein.

Verfassungsrechtliches Verbot der Sterbehilfe – noch keine einheitliche Linie für Kommissionsbericht in Sicht
Gegen die Verankerung derartiger verfassungsrechtlicher Bestimmungen sprachen sich auch dezidiert Johannes Jarolim, Ulrike Königsberger-Ludwig (beide S) sowie Daniela Musiol (G) und Gerald Loacker (N) aus. Es sei die Verantwortung der Abgeordneten, konkrete Gesetze zu beschließen und das Regelwerk anzupassen, betonte Jarolim und appellierte an die Verantwortung der Gesetzgeber. Die Kommission habe die Herausforderungen, vor denen man stehe, klar aufgezeigt und diese könnten nicht mit dem Verfassungsrecht beantwortet werden, begründete Königsberger-Ludwig ihre Haltung. Vielmehr brauche es Menschen, die die Sterbenden begleiten.

Wolfgang Gerstl und Franz-Joseph Huainigg (beide V) hingegen machten deutlich, dass sie eine solche Absicherung des Sterbehilfe-Verbots in der Bundesverfassung befürworten würden. Gerstl trat mit Nachdruck dafür ein, eine Staatszielbestimmung zum Recht, in Würde zu sterben, zu schaffen. Eine derartige Staatszielbestimmung sollte ihm zufolge das Recht auf Zugang zur Palliativ- und Hospizmedizin, auf Zugang zu Vorsorgevollmacht, auf menschenwürdige Betreuung von pflegebedürftigen Personen sowie auf Achtung der Würde eines jeden Menschen bis zum Tod enthalten.

Die Abgeordneten Franz-Joseph Huainigg (V), Anneliese Kitzmüller (F) und Marcus Franz (T) betonten, dass es nicht nur um die Würde am Ende des Lebens gehen dürfe, sondern auch um die Würde am Anfang des Lebens. Franz kritisierte in diesem Zusammenhang nochmals scharf die kürzlich vorgenommenen Änderungen im Fortpflanzungsmedizingesetz. Die Würde könne durch die Tötung nicht erreicht werden, hielt er fest. Eine liberale Gesellschaft müsse den Lebensschutz über alles stellen. Franz sah aber Nachholbedarf in der Ärzteausbildung.

Auch für Daniela Musiol (G) und Gerald Loacker (N) wurden die wirklich sensiblen Themen nicht ausreichend diskutiert. Keineswegs dürfe man sich etwa um das Problem des Selbstmords herumschummeln, sagte Musiol. Hier sei zwischen Menschen, die krank sind und jenen, die nicht krank sind, zu unterscheiden,. Es sei eine ernsthafte Diskussion darüber notwendig, wie man mit dem Wunsch Schwerkranker zu sterben umgeht, die sich selbst nicht mehr helfen können. Loacker sprach die Entwicklung der Alterssuizide und des Sterbehilfe-Tourismus an. Wie Huainigg schlug er daher vor, in einer Folge-Enquete all diese sensiblen Themen eingehender zu behandeln.

Die unterschiedlichen Auffassungen hinsichtlich eines verfassungsrechtlichen Verbots der Tötung auf Verlangen traten auch in der Diskussion zutage. So hielten etwa Christiane Druml von der Bioethikkommission und Ulrich Körtner, evangelischer Theologe, eine Verankerung in der Verfassung für nicht zielführend. Man müsse vielmehr auf die Rechte der PatientInnen schauen und den ÄrztInnen sowie dem Pflegepersonal Rechtssicherheit bieten, sagte Körtner. Susanne Kummer vom Institut für medizinische Anthropologie und Bioethik wies auf die Mängel bei der Ärzteausbildung im Hinblick auf den Umgang mit Sterbenden hin.

Josef Pumberger von der Katholischen Aktion Österreich und Gudrun Kugler von der "Bürgerinitiative an der Hand" wiederum traten vehement für eine verfassungsrechtliche Absicherung des Verbots der Sterbehilfe und des Zugangs zur Hospiz- und Palliativversorgung ein. Die Möglichkeit zur Sterbehilfe werde schnell zur Pflicht, warnte Pumberger.

Ausbau der Palliativ- und Hospizversorgung, Verbesserungen bei Patientenverfügung und Vorsorgevollmacht
Einig war man sich in dieser letzten öffentlichen Sitzung der Enquete-Kommission, die Palliativ- und Hospizversorgung auszubauen und die entsprechende Finanzierung sicherzustellen, wie dies auch die Abgeordneten Huainigg (V) und Königsberger-Ludwig (S) darlegten. Auch sahen die Abgeordneten unisono einen dringenden Handlungsbedarf, was die Klärung der Kompetenzen betrifft. Die Patientenverfügung und die Vorsorgevollmacht sollen nach dem Wunsch der Kommissionsmitglieder verbessert werden, um Rechtssicherheit zu schaffen. Unterstrichen wurde mehrmals die Bedeutung des Vorsorgedialogs als ein wichtiges Instrument.

Aubauer kündigt Bericht für erste Märzwoche an
Wie Ausschussvorsitzende Gertrude Aubauer ankündigte, soll der Bericht der Enquete-Kommission in der ersten Märzwoche vorliegen.

Waltraud Klasnic appellierte als Präsidentin des Dachverbands Hospiz, die Harmonie der bisherigen Diskussion beizubehalten und zu einem guten Abschluss der Beratungen zu kommen, denn das gebe den Menschen Sicherheit und Geborgenheit. Sie sprach sich mit Nachdruck gegen eine Legalisierung der Sterbehilfe aus.

Die Argumente der RechtsexpertInnen
In ihren Statements beleuchteten die RechtsexpertInnen im Detail ihre Bedenken gegen eine verfassungsrechtliche Verankerung des Verbots der Tötung auf Verlangen. So meinte der Verfassungsjurist Bernd-Christian Funk, dass es dazu auch im Verfassungskonvent jede Menge Vorbehalte und Einwände gegeben habe. Er vertrete die Auffassung, dass Verbote im Strafrecht bleiben sollten und nannte dabei die Paragrafen § 77 "Tötung auf Verlangen" und § 78 "Mitwirkung am Selbstmord". Beide seien nicht problemfrei, sagte er, die Grenzen zwischen den beiden Tatbeständen könnten im äußersten Fall fließend und strittig sein. Er halte daher eine Reform des § 78 für erforderlich. Ein Verfassungsverbot der Sterbehilfe würde weitere offene Fragen aufwerfen ohne dass bestehende Probleme gelöst werden, ist er überzeugt.

Der Strafrechtsexperte Peter Lewisch (Universität Wien) sah im Gegensatz dazu keinen Änderungsbedarf im Strafrecht. Das Strafgesetzbuch gewähre dem Leben bis zum Ende einen entsprechenden Schutz, die Abgrenzungsfragen sind für ihn geklärt. Lewisch hält die Festschreibung der Sterbehilfe in der Verfassung zwar für ungewöhnlich aber nicht für unvorstellbar und wies in diesem Zusammenhang auf das Verbotsgesetz hin. Er zeigte aber auch die Möglichkeit auf, ein Wertebekenntnis in der Verfassung zu verankern, was man mit einzelnen konkreten Forderungen verbinden könnte.

Wie Bernd-Christian Funk erschien Gabriele Kucsko-Stadlmayer (Universität Wien) eine verfassungsrechtliche Verankerung des Verbots der Sterbehilfe nicht sinnvoll, zumal das Recht auf Leben ohnehin durch die Artikel 2 und 8 der Menschenrechtskonvention in Verfassungsrang steht. Eine doppelte Betonung des Lebensschutzes im Verfassungsrang würde neue Probleme bringen – etwa m Zusammenhang mit dem Recht auf Selbstbestimmung – und keine alten lösen, meinte sie.

Gegen eine verfassungsrechtliche Verankerung der Sterbehilfe wandte sich auch Kurt Schmoller (Universität Salzburg). Ihm zufolge ist die österreichische Strafrechtslage ausgewogen, das Recht lebensnotwendige Behandlungen abzulehnen, sei strafrechtlich abgesichert. Würde man die Beihilfe zur Tötung nicht mehr unter Strafe stellen, hätte das weitreichende Konsequenzen, die über die Sterbehilfe hinausgehen, warnte er. Die österreichische Gesetzeslage gewährleiste aber ausreichende Flexibilität für besondere Extremsituationen. Die Würde des Sterbenden in der Verfassung zu verankern, wäre für Schmoller eine einseitige Lösung, denn es gelte auch, die Würde des Lebenden zu schützen.

Die Rechtsexperten Ewald Wiederin (Universität Wien) und Christoph Grabenwarter (Wirtschaftsuniversität Wien) strichen insbesondere hervor, dass es sich bei diesen Fragen um politische Entscheidungen handelt, die VerfassungsexpertInnen der Politik nicht abnehmen können. Wiederin befürchtete, dass eine verfassungsrechtliche Verankerung des Verbots der Tötung auf Verlangen die bestehenden Regelungen der Patientenverfügung unterlaufen würden. Auch die Festschreibung eines Grundrechts für ein würdevolles Sterben wäre für ihn ein offener Korb, in den dann der Verfassungsgerichtshof hineinlegen könnte, was er will. Wenn man auf diese Fragen eine Antwort hat, sollte man nicht ein Grundrecht schaffen, sondern handeln, sagte Wiederin und appellierte an die PolitikerInnen, derartige Entscheidungen nicht an den Verfassungsgerichtshof abzugeben.

Diese rechtspolitische Frage müsse vor dem Hintergrund der historischen Erfahrung und Erkenntnissen der Medizin getroffen werden, warf dazu Grabenwarter ein. Der Umstand, dass es bereits eine weitgehende einfachgesetzliche Regelung gibt, ist für ihn dabei ein Argument für oder gegen eine verfassungsrechtliche Verankerung.

Michael Mayrhofer von der Johannes Kepler Universität Linz zeigte drei Möglichkeiten eines sozialen Grundrechts auf ein würdevolles Leben bis zum Tod auf. Allerdings, so meinte er, müsse man ein solches konkreter ausgestalten. So sei ein Individualrecht mit durchsetzbaren Leistungsansprüchen vorstellbar, wodurch der Gesetzgeber jedoch die gebotene Flexibilität verlieren würde. Ein soziales Grundrecht mit Gestaltungsvorbehalt gebe zwar einen gewissen Spielraum, es bestehe aber die Gefahr, dass der Gesetzgeber hinter den Erwartungen zurückbleibt. Möglich sei auch eine Staatsziel-Bestimmung. Diese sollte aber nach Ansicht Mayrhofers ebenfalls konkretisiert werden, vor allem in Hinblick auf die Prüfung durch den Verfassungsgerichtshof und auf die Interpretation des Gesetzes.

Die Verwaltungsjuristin Katharina Pabel von der Universität Linz beleuchtete schließlich die Frage eines verfassungsrechtlichen Verbots der Sterbehilfe im Rahmen der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte. Dieser sieht die Entscheidung, auf welche Art und zu welchem Zeitpunkt eine Person ihr Leben beendet vom Schutzbereich des Grundrechts umfasst, sofern sie in der Lage ist, frei zu entscheiden und die Konsequenzen der Entscheidung abzusehen. Damit sei keinesfalls gesagt, dass der Staat jede Entscheidung, seinem Leben ein Ende zu setzen, akzeptieren müsse. Er sei auch nicht verpflichtet, für eine erfolgreiche Umsetzung dieses Wunsches Sorge zu tragen. Ferner gebe es auch kein Recht, dass der Staat die aktive Sterbehilfe straffrei stellt. Umgekehrt seien aber Staaten verpflichtet, eine Person davor zu schützen, eine Selbsttötung vorzunehmen, wenn die Entscheidung nicht freiwillig und unter Kenntnis aller Umstände getroffen wurde. Die derzeitige österreichische Gesetzeslage stehe somit nicht in Widerspruch zur Rechtsprechung des Gerichtshofs, das Gleiche wäre der Fall für die Festschreibung des Verbots der Tötung auf Verlangen im Verfassungsrang, so die Juristin.

 

 

 

zurück

 

 

 

 

Kennen Sie schon unser kostenloses Monatsmagazin "Österreich Journal" in vier pdf-Formaten? Die Auswahl finden Sie unter http://www.oesterreichjournal.at