Bereits vor Millionen Jahren dürfte Australopithecus africanus Werkzeuge verwendet haben.
Das konnte nun mit Hilfe von Computertomographie und Software der TU Wien herausgefunden werden.
Wien (tu) - In vielen Punkten sind wir unseren affenartigen Vorfahren recht ähnlich – aber unsere Hände
benutzen wir auf ganz andere Weise als sie. Wenn sich Affen von Ast zu Ast schwingen oder wenn sie gestützt
auf die Fingerknöchel auf allen Vieren laufen, dann werden die Handknochen dabei ganz anders beansprucht als
beim Werkzeuggebrauch. Das lässt sich auch nach Millionen Jahren noch an Knochenfossilien feststellen.
Ein Forschungsprojekt, geleitet von der Universität Kent in Großbritannien, konnte nun zeigen, dass
der Australopithecus africanus vor zwei bis drei Millionen Jahren seine Hände schon ganz ähnlich benutzte
wie wir und die Fähigkeit zur Benutzung von Werkzeugen hatte. Einen wesentlichen Beitrag zu dem Ergebnis leistete
die TU Wien, wo spezielle Computeralgorithmen für die Auswertung von Computertomographie-Aufnahmen von Knochen
entwickelt wurden. Ebenfalls am Projekt beteiligt waren das Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie
in Leipzig und das University College London. Die Forschungsergebnisse wurden nun im Journal „Science“ veröffentlicht.
Der Knochen passt sich der Belastung an
Wir Menschen verwenden unsere Hände für kraftvolles Greifen und Präzisionsbewegungen, etwa wenn
wir einen Schlüssel benutzen. Solche Belastungen beeinflussen den ständigen Knochenumbau und hinterlassen
somit ihre Spuren in den sogenannten Trabekeln, feinen Strukturen im schwammartig aufgebauten Innenbereich des
Knochens, welche Millionen von Jahren überdauern. „Diese Strukturen richten sich im Lauf der Zeit so aus,
dass sie die täglich auftretenden Belastungen möglichst gut aufnehmen können“, sagt Prof. Dieter
Pahr vom Institut für Leichtbau und Struktur-Biomechanik der TU Wien. Neben anderen Einflussfaktoren ist die
mechanische Belastung hauptsächlich für die Veränderung des Knochens beim einzelnen Individuum verantwortlich.
Mit Computertomographen lässt sich ein dreidimensionales Bild des Knocheninneren herstellen – und mit der
Software, die an der TU Wien entwickelt wurde, kann man daraus berechnen, wie dicht der schwammartige Knochen ist
und in welcher Richtung der Knochen bevorzugt belastet wurde. Somit lässt sich das Geheimnis lüften was
eine Spezies vor Jahrmillionen mit den Händen gemacht hat. Das Softwarepaket „medtool“ wird mittlerweile von
einem Spin-Off der TU Wien vertrieben und in der Medizintechnik und klinischen Forschung eingesetzt.
Hatten unsere Vorfahren eher Menschenhände oder Affenhände?
Zwischen Mittelhand- und Daumenknochen von Menschen und von Schimpansen ist ein sehr deutlicher Unterschied festzustellen.
Dadurch ist es auch möglich, Aussagen über das Verhalten unserer älteren Verwandten zu machen: Neandertaler
verwendeten bereits Steinwerkzeuge – daher zeigen ihre Knochen erwartungsgemäß die typisch menschlichen
Belastungsmuster. Unklar war bisher allerdings, ob dasselbe auch für den viel älteren Australopithecus
africanus gilt.
Tatsächlich konnte nun gezeigt werden, dass fossile Knochen des Australopithecus dem menschlichen Knochenbelastungsmuster
entsprechen und sich von denen des Zwergschimpansen deutlich unterscheiden. Australopithecus africanus dürfte
seine Zeit also weniger mit dem Klettern auf Bäumen, sondern eher mit der Verwendung von Werkzeugen verbracht
haben. Diese Ergebnisse stärken nun die in letzter Zeit aufgekommene Vermutung, dass die Verwendung von Steinwerkzeugen
menschheitsgeschichtlich deutlich weiter zurückreicht als man früher dachte. Schon vor Millionen Jahren
verwendeten unsere Vorfahren ihre Hände ganz ähnlich wie wir.
Originalpublikation: Human-like hand
use in Australopithecus africanus, (Matthew M. Skinner, Nicholas B. Stephens, Zewdi J. Tsegai, Alexandra C. Foote,
N. Huynh Nguyen,Thomas Gross, Dieter H. Pahr, Jean-Jacques Hublin,Tracy L. Kivell) is published on 23 January in
Science magazine.
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