Podiumsdiskussion über das Zusammenspiel demokratischer Institutionen und Prozesse im
Parlament
Wien (pk) - Die Debatte über den Ausbau direkter Demokratie in Österreich fand am 20.01. neben
der laufenden Enquete-Kommission zur Demokratiereform eine weitere Plattform im Parlament. "Direkte Demokratie
und Parlamentarismus: Wie kommen wir zu den besten Entscheidungen?", heißt das erst kürzlich erschienene
Buch über das Ja oder Nein einer Neugestaltung und Neuausrichtung direkter Demokratie und der Stärkung
ihrer Instrumente, das der Verfassungsexperte Theo Öhlinger und der Politologe Klaus Poier analog zur Enquete-Kommission
herausgegebenen haben und nun erstmals im Parlament präsentiert wurde. Der Sammelband vereint Beiträge
namhafter VerfassungsrechtlerInnen und PolitikwissenschaftlerInnen, die sich im Spannungsfeld zwischen Reformgedanken
von direktdemokratischen Prozessen einerseits und Verteidigungsreden für einen starken Parlamentarismus andererseits
bewegen. Darüber gesprochen haben in einer Podiumsdiskussion Föderalismusexperte Peter Bußjäger,
Politologin Tamara Ehs und der ehemalige Präsident des Verwaltungsgerichtshofs Clemens Jabloner.
Dossi: Direkte und repräsentative Demokratie nicht gegeneinander ausspielen
Die Begrüßungsworte sprach in Vertretung von Nationalratspräsidentin Doris Bures Parlamentsdirektor
Harald Dossi, der dafür einstand, die direkte Demokratie und ihre repräsentative Entsprechung nicht gegeneinander
auszuspielen, sondern neue Denkansätze zu finden. Es gehe darum, beide zu verbinden und so auszugestalten,
dass es insgesamt zu einer Stärkung der Demokratie in Österreich kommt. Das würde auch die seit
Dezember 2014 laufende Enquete-Kommission zur Demokratiereform mit neuen Diskussionsformen wie jener der direkten
Bürgerbeteiligung und dem zusätzlichen Input aus sozialen Medien in einem umfangreichen Themenspektrum
leisten.
Poier: Demokratie-Sammelband soll zur Versachlichung der Debatte beitragen
Das Buch mit 24 Beiträgen von Autorinnen und Autoren unterschiedlichster Disziplinen soll zu einer Versachlichung
der Demokratiereform-Debatte beitragen, so der Co-Herausgeber Poier. Bereits der Titel soll dabei auf die Breite
des Themas, der Untertitel auf die zentrale Frage der Diskussion verweisen. Einig seien sich die ExpertInnen im
Buch dabei im grundsätzlichen Reformbedarf der politischen und demokratischen Prozesse, Uneinigkeit bestehe
in den Ansätzen ihrer Ausgestaltung. Die Diskussion komme mit der Einsetzung einer entsprechenden Enquete-Kommission
zu ihrem vorläufigen Höhepunkt, sagte Poier, auch hierfür soll der Sammelband eine wissenschaftliche
Grundlage sein.
Direkte Demokratie und Parlamentarismus: Ein Gegensatz, der keiner ist
Auch in der Diskussion, moderiert von Öhlinger, stand die Frage nach einem ausgewogenen Zusammenspiel demokratischer
Institutionen und Prozesse im Mittelpunkt. Geht es nach Ehs, dürfen direkte Demokratie und Parlamentarismus
nicht miteinander in Konflikt gebracht werden. Es gelte, die Demokratie an sich zu stärken, sie selbst setze
bei einer Reform des Parlamentarismus an. Die BürgerInnen würden sich nicht mehr adäquat in ihren
Anliegen repräsentiert fühlen, was sich wiederum zu einer Vertrauens- und schließlich zu einer
Demokratiekrise im Sinne der Repräsentation ausweite. Demonstrationen hätten gezeigt, dass sich die Unzufriedenheit
mit den politischen Inhalten und dem politischen Stil ausgedehnt habe, so Ehs. Sie wünsche sich eine Versöhnung
der BürgerInnen mit der Demokratie, vielleicht auch mit der repräsentativen, wie die Politologin meinte.
Auch Jabloner teilte den Befund, dass das demokratische System in Österreich, so wie er sagte, erneuerungsbedürftig
ist. Zweifel hegte er jedoch am sogenannten qualifizierten Volksbegehren, diskutabel sei dieses Instrument nur
im Bereich der einfachen Bundesgesetze. Vorstellbar sei dies etwa bei Fragen nach einem totalen Rauchverbot oder
Geschwindigkeitsbeschränkungen. Vehement sprach sich Jabloner aber dagegen aus, Änderungsmöglichkeiten
bei Verfassungsrechten einzuräumen, letztendlich dürften Grundrechte nicht leichtfertig auf das Spiel
gesetzt werden, mahnte er ein und warnte vor potentieller missbräuchlicher Verwendung. Anzusetzen sei vielmehr
bei den vorhandenen Instrumenten, beispielsweise sollten Volksbegehren adäquater behandelt werden. Eines seiner
Hauptanliegen seien jedoch europäische transnationale Parteien.
Nicht derselben Meinung war Föderalismusexperte Bußjäger, der im qualifizierten Volksbegehren durchaus
eine mögliche Bereicherung der politischen Landschaft in Österreich erkannte. Wenn bestimmte Befragungen
nicht mit den Grundprinzipien der Verfassung vereinbar seien, habe letztendlich noch das Parlament Entscheidungsbefugnis.
Was der Bund von den Ländern zudem übernehmen könne, sei die Vielfalt an Instrumentarien wie beispielsweise
das Veto-Referendum. Leider würden diese von den BürgerInnen in den Bundesländern nicht wirklich
in Anspruch genommen, darum gelte es, eine demokratische Kultur zu entwickeln, wie Bußjäger meinte,
schließlich könne man die Bevölkerung nicht zur direkten Demokratie zwingen.
Die nächste Sitzung der Enquete-Kommission zur Stärkung der Demokratie in Österreich findet am Donnerstag,
dem 22. Jänner 2015 um 10.00 Uhr im Nationalratssitzungssaal des Parlaments statt und beschäftigt sich
mit direkter Demokratie und deren Weiterentwicklung in den Ländern und Gemeinden.
|