Wirtschaftswachstum weiterhin verhalten, Arbeitslosigkeit bleibt hoch
Wien (wifo) - Für die Periode 2015 bis 2019 erwartet das WIFO ein durchschnittliches Wachstum der österreichischen
Wirtschaft von real 1 1/4% p. a. Das reale BIP dürfte sich damit ähnlich wie im Durchschnitt des Euro-Raumes
entwickeln. Das geringe Tempo der Erholung in Österreich geht in erster Linie auf eine schwache Exportdynamik
zurück, bedingt durch das niedrige Wachstum bei den Haupthandelspartnern. Dadurch bleibt trotz niedriger Zinssätze
auch die Investitionsbereitschaft der Unternehmen gedämpft und die Entwicklung der Einkommen und des privaten
Konsums verhalten. Die Lage auf dem Arbeitsmarkt ist weiter angespannt: Zwar nimmt die Beschäftigung anhaltend
zu (+0,8% p. a.), allerdings zu schwach, um einen Anstieg der Arbeitslosigkeit zu verhindern. Bis 2017/18 dürfte
sich die Arbeitslosenquote auf 9,4% erhöhen und erst zum Ende der Prognoseperiode leicht auf 9,2% zurückgehen.
Ein ausgeglichener Staatshaushalt - sowohl nach der Definition von Maastricht als auch strukturell - kann durch
das in der Prognose unterstellte Konjunkturszenario und die unterstellten wirtschaftspolitischen Maßnahmen
(selbst ohne Steuerreform) nicht erreicht werden.
Nach der Schwächephase 2012/2015 (BIP real +0,5% p. a.) dürfte das Wirtschaftswachstum wieder etwas an
Kraft gewinnen. Im Durchschnitt der nächsten fünf Jahre wird eine BIP-Steigerung um 1 1/4% pro Jahr erwartet
(2010/2014 +1,3% p. a.), die etwa dem Durchschnitt des Euro-Raumes entspricht.
Das Trendwachstum für die Periode 2015 bis 2019 dürfte in Österreich laut der Berechnungsmethode
der Europäischen Kommission auf Basis der WIFO-Prognose 1,1% p. a. betragen und liegt damit etwas über
dem der letzen Fünfjahresperiode (2010/2014 +0,9% p. a.) Die österreichische Wirtschaft befindet sich
nach wie vor in einer Phase der konjunkturbedingten Unterauslastung. Die Outputlücke (relative Abweichung
des tatsächlichen Outputs vom Trend-Output) dürfte sich erst zum Ende des Prognosehorizonts schließen;
sie verringert sich von -1,3% im Jahr 2015 auf +0,1% 2019.
Rund 40% der österreichischen Exporte gehen in den Euro-Raum. Das WIFO erwartet für diesen Wirtschaftsraum
weiterhin eine schwächelnde Entwicklung. Dementsprechend werden die realen Exporte in den Jahren 2015 bis
2019 voraussichtlich um 3,2% pro Jahr ausgeweitet, um 1,2 Prozentpunkte schwächer als in der vorhergehenden
Fünfjahresvorperiode, die anfangs von einem konjunkturellen Rückschwung nach der Rezession geprägt
war. Die österreichische Exportwirtschaft dürfte daher ihre internationale Marktposition voraussichtlich
nicht halten können. Da die Entwicklung der Importe ähnlich verläuft, wird der Außenhandel
weiterhin einen positiven Beitrag zum Wirtschaftswachstum leisten; dieser dürfte etwas höher ausfallen
als in der Periode 2010 bis 2014.
Die Ausrüstungsinvestitionen werden trotz günstiger Finanzierungsbedingungen aufgrund schwacher Absatzerwartungen
im In-und Ausland weiterhin nur mäßig ausgeweitet (+2,1% p. a., 2010/2014 +1,2% p. a.) Das Bevölkerungswachstum
und der Anstieg der Zahl der privaten Haushalte sowie die nach wie vor hohen Immobilienpreise sollten die privaten
Wohnbauinvestitionen stützen. Dem steht ein durch den Konsolidierungsdruck der öffentlichen Haushalte
getrübter mittelfristiger Ausblick für den Tiefbau gegenüber. Die gesamte Bautätigkeit entwickelt
sich daher nur mäßig (2015/2019 +1 1/4% p. a.).
Das verfügbare Realeinkommen der privaten Haushalte (Kaufkraft) sollte über den Prognosezeitraum um 1,1%
p. a. wachsen (+1 1/2 Prozentpunkte gegenüber dem Durchschnitt 2010/2014). Diese etwas günstigere Kaufkraftentwicklung
geht in erster Linie auf die Verlangsamung der Inflation um 0,6 Prozentpunkte gegenüber der vorhergehenden
Fünfjahresvorperiode zurück. Die beschlossene Anhebung der Familienbeihilfe in den Jahren 2016 und 2018
sollte das private verfügbare Einkommen etwas stärken. Die Konsumzurückhaltung der Haushalte hält
ob der insgesamt schwachen realen Einkommenszuwächse aber weiter an. Der private Konsum wird 2015/2019 real
um 0,9% pro Jahr ausgeweitet werden. Im Zeitraum 2008/2011 reagierten die privaten Haushalte mit Entsparen auf
die realen Einkommensverluste und stabilisierten damit ihre Konsumnachfrage. Die Sparquote sank in diesen Jahren
um 4,1 Prozentpunkte von 11,9% 2008 auf 7,8% 2011. In den Folgejahren ging sie weiter leicht zurück (2014:
7,1%). Über den Prognosezeitraum wird ein Anstieg der Sparquote auf 8,0% im Jahr 2019 angenommen, der im Vorsichtsmotiv
aufgrund der angespannten Lage auf dem Arbeitsmarkt begründet ist.
Die leichte Expansion der Wirtschaftsleistung ermöglicht zwar eine Ausweitung der Beschäftigung (+0,8%
im Durchschnitt der Jahre 2015 bis 2019), bringt jedoch keine Entspannung auf dem Arbeitsmarkt. Der Anstieg des
Arbeitskräfteangebotes (+0,9% p. a.) resultiert in den kommenden Jahren vor allem aus einer Zunahme der Zahl
der ausländischen Arbeitskräfte, einer anhaltenden Ausweitung der Frauenerwerbsbeteiligung und der Verschärfung
der Eintrittsbedingungen für die Früh- bzw. Invaliditätspension.
Die Zahl der Arbeitslosen wird bis zum Jahr 2018 auf 372.000 steigen (+53.000 gegenüber 2014, +159.900 gegenüber
dem Vorkrisenjahr 2008), sodass sich eine Arbeitslosenquote von 9,4% der unselbständigen Erwerbspersonen (AMS-Definition)
bzw. 5,4% der Erwerbspersonen (Eurostat-Definition) ergibt. Bis zum Ende der Prognoseperiode könnte die Arbeitslosenquote
konjunkturbedingt auf 9,2% zurückgehen.
Die gesamtwirtschaftlichen Lohnstückkosten als wichtigste Determinante des inländischen Kostendruckes
erhöhen sich 2015/2019 um 1,4% p. a., und die Bruttoreallöhne pro Kopf erhöhen sich kaum (+0,1%
p. a.). Damit nimmt die Differenz zur Entwicklung der Arbeitsproduktivität auf 0,3 Prozentpunkte im Jahr 2019
zu. In diesem Umfeld sollte der Preisauftrieb verhalten bleiben. Für die Periode 2015/2019 wird mit einem
Anstieg der Verbraucherpreise von durchschnittlich 1,6% p. a. gerechnet.
Die Entwicklung der öffentlichen Haushalte wird in den Jahren 2015 bis 2019 von der allmählichen Belebung
des Konjunkturumfeldes und von den im neuen fiskalischen Regelwerk der EU eingegangenen Verpflichtungen zur Verbesserung
der Budgetsalden und zur Senkung der Staatsschuldenquote geprägt.
Für das Jahr 2014 erwartet das WIFO aufgrund des deutlich nach unten revidierten Konjunkturausblicks einen
Maastricht-Saldo von -3,0% des BIP, nach -1,5% im Jahr 2013. 2014 sind Einmaleffekte von netto 4 Mrd. Euro enthalten.
In den Folgejahren wird sich der Maastricht-Saldo auf -2,4% (2015) bzw. -1,9% (2016) verbessern. Am Ende des Prognosezeitraumes
2019 wird ein gesamtstaatliches Defizit von 0,5% des BIP erwartet.
Für Österreich gelten ab 2014 die Fiskalregeln des präventiven Armes des Stabilitäts- und Wachstumspaktes
(SWP). Demnach soll insbesondere der strukturelle Budgetsaldo jährlich um mindestens 0,5% des BIP verbessert
werden, solange die Staatsschuldenquote über 60% des BIP liegt und das mittelfristige Budgetziel (MTO) eines
strukturellen Defizits von höchstens 0,45% des BIP nicht erreicht ist. Im April 2014 sah das österreichische
Stabilitätsprogramm die Erreichung des MTO bis 2016 vor, auch in der Budgetvorschau vom Oktober 2014 wird
für 2015 ein strukturelles Defizit von 1% des BIP unterstellt. Das strukturelle Defizit wird nach den Prognosen
des WIFO erheblich langsamer verringert als vorgesehen und auch langsamer, als dies nach den Regeln des Fiskalpaktes
erforderlich wäre; es wird im Jahr 2019 (selbst ohne Berücksichtigung einer Steuerreform) noch rund 0,5%
des BIP ausmachen. Der von der Bundesregierung angestrebte strukturelle Budgetausgleich bis 2016 dürfte auf
Basis der unterstellten ein- und ausgabenseitigen Maßnahmen und des Konjunkturszenarios nicht realisiert
werden können.
Eine politisch avisierte Einkommensteuerreform ist in der Prognose ebenso wenig berücksichtigt wie etwaige
Einnahmen aus einer im europäischen Rahmen koordiniert eingeführten Finanztransaktionssteuer. Auf der
Ausgabenseite gingen die vereinbarte Dämpfung der Gesundheitsausgaben und mäßige Kürzungen
der Ermessensausgaben in die Prognose mit ein. Die nach einer Nettoentlastung durch eine Steuerreform zur Erreichung
der Budgetziele notwendigen mittel- bis langfristigen Einsparungen sind in der Prognose ebenfalls nicht berücksichtigt.
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