Rössler präsentierte Studie über aktuelle Kaufkraftströme: Mehr Chancengleichheit
für den ländlichen Raum
Salzburg (lk) - Seit vielen Jahren ist das Bundesland Salzburg mit einem sehr ungleichen Wachstum von Verkaufsflächen
im Handel konfrontiert – mit weitreichenden Konsequenzen für den Flächenverbrauch und die Raumordnung
des Landes. Mit der großangelegten Studie der Firma CIMA Austria Beratung + Management GmbH ist es nun möglich,
wesentliche Parameter dieser Entwicklung auch in konkrete Zahlen zu fassen. Das Ergebnis ist eindeutig: Salzburg
verfügt bereits über mehr als eine Million Quadratmeter Verkaufsfläche, das ist ein Spitzenwert
im Bundesländervergleich. Der massive Verkaufsflächenzuwachs führt nicht nur zu einem hohen Landschaftsverbrauch,
sondern verursacht auch massive Kaufkraftverschiebungen, die vor allem die Ortskerne in ländlichen Regionen
schwächen.
Bei der Präsentation der Studie gemeinsam mit dem CIMA-Geschäftsführer Mag. Roland Murauer betonte
Raumordnungsreferentin Landeshauptmann-Stellvertreterin Dr. Astrid Rössler am 06.02.; "Verantwortungsvolle
Raumordnungspolitik muss sich stärker der Chancengleichheit des ländlichen Raumes widmen und dabei das
Zusammenspiel und die Vielfalt von Handel, Wohnen und sozialen Beziehungen in den Ortszentren fördern. Wenn
wir wollen, dass Ortskerne und ländlicher Raum mit Leben erfüllt sind, müssen wir die entsprechenden
Strukturen stärken." Angesichts der besorgniserregenden Studienergebnisse sind für Rössler
Konsequenzen dringend notwendig: Es gelte gegenzusteuern und Fehlentwicklungen zu stoppen.
Zentrale Studienergebnisse
Auf Basis der im Jahr 2004/2005 erstmals durchgeführten Einzelhandels- und Kaufkraftstromanalyse SABE-V
für das Bundesland Salzburg sowie die angrenzenden oberbayerischen Landkreise wurden im Zeitraum März
bis Dezember 2014 die wichtigsten handelsspezifischen Standortkennzahlen einer fundierten Evaluierung unterzogen.
Die Analyse der aktuellen Kaufkraftströme umfasste dabei rund 15.000 telefonische Haushaltsinterviews im Bundesland
Salzburg sowie den angrenzenden Regionen (z.B. Oberbayern, Oberösterreich, Tirol, Kärnten, Steiermark).
Zusätzlich wurden in 13 ausgewählten "zentralen" Handelsstandorten des Bundeslandes Salzburg
2.748 Handelsbetriebe hinsichtlich Verkaufsflächen- und Sortimentsstruktur, Betriebstyp etc. begutachtet.
Sehr hohe "Einkaufstreue" der Bevölkerung
2,9 Milliarden Euro umfasst das gesamte einzelhandelsspezifische Kaufkraftvolumen im Bundesland Salzburg. Von
dieser Summe verbleiben 87 Prozent in den Handelsbetrieben des Bundeslandes (-4 Prozent seit 2007). Besonders hoch
fällt die "Standorttreue" der rund 534.000 Salzburgerinnen und Salzburger bei "Waren des täglichen
Bedarfs" (91 Prozent Bezirksbindung) aus. Bei den für einen Einkaufsstandort besonders wichtigen mittelfristigen
Bedarfsgruppen (Bekleidung, Schuhe, Sportartikel, etc.) liegt die Bundesland-Eigenbindung bei 80 Prozent. Bei den
langfristigen Sortimenten (z.B. Möbel, Elektrowaren, Baumarktartikel) beträgt der Eigenbindungswert 87
Prozent.
Betrachtet man die lokalen Kaufkrafteigenbindungen in den 13 untersuchten "zentralen" Handelsstandorten
fällt auf, dass neun wichtige Handelsdestinationen im Bundesland seit 2004/2005 negative Entwicklungen, insbesondere
die einwohnerstarken Flachgauer Zentralorte (z.B. Seekirchen –10 Prozent; Neumarkt am Wallersee -7 Prozent; Oberndorf
-7 Prozent) zu verzeichnen hatten. Darüber hinaus stellte die Studie fest, dass in nur vier der 30 weiteren
"kleinregionalen" Zentren des Bundeslandes die Kaufkrafteigenbindung zunahm. Alle übrigen Orte stagnierten
bzw. mussten erhebliche Einbußen hinnehmen.
Verkaufsflächenentwicklung an Standorten mit rückläufiger Bevölkerung
Das gesamte Bundesland Salzburg weist derzeit eine Verkaufsfläche von 1,04 Millionen Quadratmeter auf
(davon 29 Prozent in den Orts- und Stadtkernen). Im Bundesländer-Vergleich liegt Salzburg mit 1,94 m2 Verkaufsfläche
pro Einwohner nur knapp hinter Kärnten (2,0 m2 Verkaufsfläche pro Einwohner) an zweiter Stelle in Österreich.
Während im gesamten Bundesland seit 2004/2005 die Verkaufsfläche um elf Prozent angestiegen ist, konnten
in einzelnen Teilgebieten sehr unterschiedliche Entwicklungen festgestellt werden (z.B. Salzburg Stadt und Umland
+18 Prozent; Innergebirgs-Handelsstandorte +36 Prozent).
Besonders auffallend ist die hohe Verkaufsflächenexpansion an Standorten mit rückläufiger Bevölkerungsentwicklung
z.B. Zell am See mit +53 Prozent Verkaufsflächenzuwachs bei -1 Prozent Bevölkerungsrückgang; Tamsweg
mit +25 Prozent Verkaufsflächenzuwachs bei -5,4 Prozent Bevölkerungsrückgang; Mittersill mit +36
Prozent Verkaufsflächenzuwachs bei -2,5 Prozent Bevölkerungsrückgang.
Enormer Standortwettbewerb unter "Innergebirgs"-Handelsstandorten
Aufgrund der enormen Verkaufsflächenentwicklung innerhalb der vergangenen zehn Jahre an einzelnen Standorten
im Pinzgau und Pongau ist es zu regelrechten "Kannibalisierungseffekten" bei den Markt- und Einzugsgebieten
zwischen den größeren Standorten gekommen. So konnte beispielsweise Zell am See, vor allem aufgrund
der Expansion von Fachmärkten im Ortsteil Schüttdorf, sein Einzugsgebiet um 57 Prozent ausdehnen. Gleichzeitig
reduzierte sich das entsprechende Einzugsgebiet von Saalfelden um 47 Prozent. Ähnliche Entwicklungen waren
zwischen St. Johann und Bischofshofen zu beobachten.
Starker Kaufkraftzufluss aus Nachbarregionen
Die Kaufkraftzuflüsse aus den Nachbarregionen Salzburgs belaufen sich aktuell auf 269 Millionen Euro (+55
Prozent seit 2004/2005), wobei jedoch im Wesentlichen nur drei Salzburger Handelsdestinationen Nutznießer
dieser Zuflüsse sind (Salzburg Stadt: 65 Prozent Anteil; Wals und Eugendorf: 25 Prozent Anteil).
Nach wie vor besonders attraktiv sind die Salzburger Handelszonen für die Konsumentinnen und Konsumenten aus
dem angrenzenden Oberbayern (140 Millionen Euro Zufluss; +40 Prozent seit 2004/2005). Aber auch das benachbarte
Oberösterreich, und hier insbesondere der Bezirk Braunau, ist ein wichtiges "Kaufkraftreservoir"
für den Salzburger Handel (102 Millionen Euro Zufluss; +86 Prozent seit 2004/2005).
Virtuelle Einkaufswelten als größter Konkurrent des Einzelhandels
Der Online-Einzelhandel ist mittlerweile der stärkste Konkurrent für den Salzburger Einzelhandel. Insgesamt
159 Millionen Euro (das sind 5,5 Prozent des landesweiten Kaufkraftvolumens; +205 Prozent seit 2004/2005) fließen
in diese virtuellen Einkaufswelten.
Positive Kaufkraftbilanz mit Nachbarregionen
Die Kaufkraftbilanz des Bundeslandes Salzburg mit seinen Nachbarregionen fällt deutlich positiv aus (+147
Millionen Euro; +36 Prozent seit 2004/2005). Besonders positiv ist die Bilanz mit dem oberbayerischen Raum (+77
Millionen Euro; +4 Prozent seit 2004/2005) sowie mit Oberösterreich (+66 Millionen Euro; +125 Prozent seit
2004/2005).
Tourismus als wichtiger Umsatzbringer für den Handel
Der gesamte Einzelhandelsumsatz im Bundesland beläuft sich auf knapp 3,54 Milliarden Euro. 15 Prozent oder
516 Millionen Euro stammen von Tages- und Nächtigungsgästen.
Salzburger Zentralraum mit höchster Umsatzkonzentration
Im Vergleich zu den anderen Landeshauptstadtballungsräumen weist die Stadt Salzburg mit seinen unmittelbar
angrenzenden Gemeinden mit rund 48 Prozent Anteil am Bundesland-Wert die höchste Konzentration alles vergleichbaren
österreichischen Regionen auf (z.B. Ballungsraum Graz: 40 Prozent; Ballungsraum Innsbruck: 39 Prozent; Ballungsraum
Linz: 32 Prozent).
Periphere Fachmarktzentren mit Umsatzauswirkung auf Stadtkerne
Der Vergleich zu den Daten von 2004/2005 zeigt klar auf, dass vor allem in jenen "zentralen" Handelsstandorten,
welche innerhalb der vergangenen zehn Jahre neue periphere Fachmarktzentren angesiedelt haben, starke Umsatzeinbrüche
in den jeweiligen Stadtkernen festgestellt werden konnten (z.B. Hallein: -12 Prozent; Straßwalchen: -27 Prozent;
Zell am See: -16 Prozent).
Konsequenzen für die Raumplanung: Rückkehr in die Ortszentren
Angesichts der besorgniserregenden Studienergebnisse hält Landeshauptmann- Stellvertreterin Astrid Rössler
Konsequenzen für dringend geboten: "Die Zahlen sprechen eine deutliche Sprache, wir müssen hier
dringend gegensteuern. Eine derartige Fehlentwicklung von Landschaftsverbrauch in peripheren Lagen, verbunden mit
einem Wettlauf um Verkaufsflächenzuwächse, auf Kosten der bestehenden Handelsstrukturen in den Ortszentren
müssen wir stoppen. Es bedarf einer Neubewertung der Standorte und Verkaufsflächen mit dem Ziel, die
Ortskerne wieder zu stärken und damit eine Rückkehr der Verkaufsflächen in die Ortszentren zu bewirken",
so Rössler.
Die Probleme lassen sich in wenigen Punkten zusammenfassen:
Durch die massive Konzentration großer Einkaufsflächen auf insgesamt wenige Standorte kommt es zu gravierenden
Kaufkraftverschiebungen. Es gibt einige Gewinner, aber viele Verlierer, vor allem im ländlichen Raum.
Die Expansion an wenigen Standorten entwickelt zusätzlich Sogwirkung: alle verlieren an die "Mega-Agglomeration"
Salzburg-Wals-Eugendorf. Der Verdrängungswettbewerb mit "Kannibalisierung" hat eingesetzt.
Die starke Verkaufsflächenentwicklung geht zu Lasten der Orts- und Stadtkerne. Der ländliche Raum mit
seinen Regionalzentren wird stark geschwächt, das zeigt sich auch am Beispiel des Flachgaus – mit Ausnahme
von Eugendorf – sehr deutlich.
Problematisch ist zudem die Tatsache, dass Salzburg mit dieser verfehlten Verkaufsflächenentwicklung nicht
nur sich selber schadet: Es wird auch beachtliche Kaufkraft aus Bayern abgezogen. Damit unterläuft Salzburg
die konsequente Raumordnungspolitik der bayerischen Nachbarn betreffend Einzelhandelsstruktur in den Ortskernen.
Rössler stellte unmissverständlich fest, dass die vorliegende Studie bei der Beurteilung von neuen Verkaufsflächen
jedenfalls heranzuziehen ist.
Für laufende Ansuchen (derzeit 23 Fälle) wird es vor diesem Hintergrund ein vorgezogenes "Screening"
geben, um unkritische Fälle zu identifizieren und allenfalls zu genehmigen; davon sind einige wenige Fälle
betroffen.
Weitere Genehmigungen von größeren Verkaufsflächen und/oder Flächen an kritischen Standorten
mit Agglomerationswirkung und/oder in peripherer Lage werden bis auf Weiteres ausgesetzt. Bei Standortverordnungen
wird neben der projektspezifischen Beurteilung auch der vorliegenden Einzelhandelsstrukturuntersuchung zentrale
Bedeutung zukommen.
Für die künftige Entwicklung von Verkaufsflächen im Bundesland Salzburg sollen regionale Masterpläne
erstellt werden, die die Ziele und Weiterentwicklung des Einzelhandels in der jeweiligen Region definieren.
Die erforderliche Trendumkehr der Verkaufsflächenentwicklung wird in die Novelle zum Salzburger Raumordnungsgesetz
mit einbezogen werden. Ein interkommunaler Finanzausgleich soll bei größerflächigen Handelsgebieten
für eine gerechtere Verteilung der Steuergewinne sorgen.
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