"Mittelstands-Allianz" von WKÖ, DIHK und Eurochambres startet in EU Initiative
für Trendwende – Leitl: Rote Karte für EU-Wachstumshemmer - Wansleben: Nicht jedes Problem in Europa
ist ein Problem für Europa
Wien (pwk) - Wirtschaftskammer Österreich (WKÖ) und Deutscher Industrie- und Handelskammertag
(DIHK) wollen im Rahmen einer "Mittelstands-Allianz" gemeinsam mit ihrem europäischen Dachverband
Eurochambres durch ein Maßnahmenbündel inklusive einer gemeinsamen Task Force auf EU-Ebene eine Trendwende
in Richtung "Wachstum statt Bürokratie" vorantreiben. Konkrete Vorschläge dazu haben WKÖ-Präsident
Christoph Leitl, DIHK-Hauptgeschäftsführer Martin Wansleben und Eurochambres-Generalsekretär Arnaldo
Abruzzini am 12.02. in einem Pressegespräch in Wien vorgestellt.
"Es ist keine Frage, dass die EU Österreich viele Vorteile gebracht und in unserem Land in den vergangenen
20 Jahren zu mehr Wachstum, mehr Beschäftigung sowie einer niedrigeren Arbeitslosigkeit und Inflation beigetragen
hat. Zudem sind wir dank Euro den internationalen Spekulanten entkommen. Es gibt aber auch einen Nachteil: zu viel
Bürokratie. Der EU-Acquis enthält 80.000 Regeln, die unsere Betriebe beachten müssen und die sie
mitunter - je nach Temperament - zu Verzweiflung oder Weißglut treiben", betonte Leitl. Gegen unsinnigen
Regelungen werde die WKÖ künftig gemeinsam mit ihren Partnern im Rahmen der europäischen Mittelstands-Allianz
noch vehementer auftreten - das umso mehr, als Europa im globalen Vergleich zum Wachstumsnachzügler geworden.
Konkreten Verbesserungsbedarf sieht Leitl etwa bei der Verbraucherrechte-, der Allergenverordnung und der Pauschalreiserichtlinie.
"Es geht nicht um Deregulierung sondern um eine bessere Regulierung, d.h. um die Beseitigung unnötiger
bürokratische Vorschriften beseitigen, die keinen Mehrwert haben", betonte der WKÖ-Präsident.
Die neue EU-Kommission unter der Führung von Jean-Claude Juncker habe bereits einige richtige Ansätze
erkennen lassen: unter anderem fungiert der erste Vize-Kommissionspräsident Frans Timmermans als "Anti-Bürokratie-Chef"
und sollen neue Regelungen nur noch dann veranlasst werden, wenn sie einen europäischen Mehrwert aufweisen.
Leitl: "Ähnliche Ansagen haben die Unternehmen aber schon öfters gehört. Jetzt müssen
den Worten endlich kraftvolle Taten folgen. Mit der Mittelstands-Allianz wollen wir die Kommission bei den Reparaturarbeiten
unterstützen mit konkreten Vorschlägen, wo bestehende EU-Regelungen vereinfacht, überarbeitet oder
zurückgezogen werden sollen." Zudem werde ein "gemeinsamer Radarschirm" aufgespannt werden,
um noch früher als bisher "schädliche Initiativen zu identifizieren und Unsinnigkeiten zu verhindern".
"Die europäischen Unternehmen profitieren vom Binnenmarkt. Die Vorteile des Binnen-markts sind ohne eine
einheitliche Markt- und Wettbewerbsordnung nicht zu haben. Eine praktikable Mehrwertsteuer, Rechtssicherheit beim
Onlinehandel oder die Europäische Privatgesellschaft sind Stichworte für gute Regeln und Institutionen,
die von Lissabon bis Helsinki gleichermaßen gelten", betonte DIHK-Hauptgeschäftsführer Wansleben:
"Doch nicht jedes Problem in Europa ist ein Problem für Europa! Vorschriften für Glühbirnen
oder Duschköpfe sind die plakativen Aushängeschilder einer unnötigen und belastenden Art von Regulierung.
Dabei bedeuten 30 Milliarden Bürokratieentlastung - wie schon von 2007 bis 2012 umgesetzt - 1,5 Millionen
neue Jobs. Bürokratieabbau ist also nicht blutleere Materie, sondern hilft Europa ganz konkret bei der Überwindung
der Strukturkrise. Daher sollten Jean Claude Juncker und sein Team solch ein Bürokratieabbau-Ziel erneut anstreben.
Dazu brauchen wir in Europa eine unabhängige, schlagkräftige Institution für den Bürokratieabbau
- einen europäischen Normenkontrollrat. Diese Institution kann auf der Arbeit der von Edmund Stoiber geleiteten,
erfolgreichen High-Level-Group aufbauen." Europa brauche auch einen echten Subsidiaritätscheck als Teil
der Folgenabschätzung. Die existierende Folgenabschätzung, das Impact Assessment, funktioniere offensichtlich
nicht. "Sonst würde sich das Problem der immer höher wachsenden Bürokratiehürden nicht
stellen - z. B. bei Informationspflichten (CSR), bei der Ökodesign-Richtlinie oder bei der Allergenkennzeichnung
bei Lebensmitteln", so Wansleben. "Auch für den Subsidiaritätscheck muss ein unabhängiges
Gremium zuständig sein, das allein dem Subsidiaritätscheck verpflichtet ist, - und nicht eine Prüfung
der EU-Kommission durch die EU-Kommission. Drittens darf der Europäische KMU-Test nicht länger nur Papier-Tiger
sein. Nur so werden nationale Initiativen wie in Österreich und bald auch in Deutschland wirksam flankiert."
Eurochambres-Generalsekretär Abruzzini forderte, dass "die Vision eines funktionierenden europäischen
Binnenmarkts mit mehr Wachstum und zusätzlichen Arbeitsplätzen, die am Anfang des Integrationsprojektes
stand, wieder stärker in Einklang mit der Realität gebracht werden muss. Stattdessen ist in den vergangenen
60 Jahren ein Ungeheuer an legislativen Regelungen entstanden, das die europäische Business Community frustriert
und Wachstum und Beschäftigung torpediert. Mit der gemeinsamen 'Watch Dog'-Initiative' wollen wir die europäischen
Institutionen an die ursprüngliche Vision des Binnenmarktes erinnern". Abruzzini verwies auch darauf,
dass eine erfolgreiche Verringerung der EU-Bürokratie auch positive Auswirkungen auf das Vereinigte Königreich,
wo in den kommenden Jahren ein EU-Referendum stattfinden soll, und in den Handelsbeziehungen mit Drittstaaten haben
könne.
Im Rahmen der gemeinsamen Initiative soll eine Task Force von WKÖ, DIHK und Eurochambres unter anderem ein
"Vorab-Screening" aller neuen Initiativen der EU-Kommission auf drohende bürokratische Belastungen
durchführen. Werden dabei potenzielle "Wachstumshemmer" identifiziert, soll diesen in Abstimmung
mit anderen europäischen Wirtschaftsverbänden die gelbe bzw. rote Karte gezeigt werden. Zudem setzen
sich WKÖ, DIHK und Eurochambres dafür ein, dass in Zukunft keine neue Regelung ohne KMU-Test in der Folgenabschätzung
beschlossen wird.
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