Chemikalien, die bisher aus Erdöl gewonnen wurden, lassen sich nun aus billigen Abfallstoffen
herstellen – dank eines neuen Syntheseverfahrens der TU Wien.
Wien (tu) - Lävulinsäure ist eigentlich gar nichts Besonderes. Sie fällt als Nebenprodukt
in der Zuckerindustrie an, etwa eine halbe Million Tonnen davon wird jedes Jahr hergestellt. Nur ein geringer Anteil
dieser Menge wird derzeit weiterverwertet. In der Forschungsgruppe von Prof. Marko Mihovilovic an der TU Wien in
der Gruppe von Prof. Marko D. Mihovilovic wurde aber nun eine Methode entwickelt, diese Säure mit Hilfe von
Bakterien zum wertvollen Rohstoff zu machen: Lävulinsäure lässt sich durch ein neuentwickeltes biokatalytisches
Verfahren zu wichtigen Grundchemikalien weiterverarbeiten, die derzeit noch aus Erdöl synthetisiert werden.
Vom Abfallstoff zur wertvollen Plattformchemikalie
Bloß 3 bis 5 Euro pro Kilo kostet Lävulinsäure heute, und dieser Preis ließe sich noch senken,
wenn das wirtschaftliche Interesse daran größer wäre. Der Weg von der billigen Lävulinsäure
zum wertvollen Endprodukt lässt sich in mehreren Schritten zurücklegen: „Entscheidend ist es, einen Weg
zu finden, aus Lävulinsäure die Plattformchemikalie 3-HPA zu gewinnen“, erklärt Michael Fink vom
Institut für Angewandte Synthesechemie der TU Wien.
Der Rest ist relativ einfach: Wie man 3-HPA (3-Hydroxypropionsäure) dann weiterverarbeiten kann, ist bereits
bekannt: 3-HPA wird heute bereits genutzt um Grundchemikalien herzustellen. „Man erzeugt daraus beispielsweise
Natriumpolyacrylat, das für Babywindeln oder auch für Verbandsmaterial eingesetzt wird“, sagt Fink.
Es gab schon früher Versuche, aus Lävulinsäure bzw. aus deren Derivaten 3-HPA zu gewinnen – allerdings
war das nur mit großem Aufwand möglich. Man benötigte erhöhte Temperaturen und musste 90%iges
Wasserstoffperoxid einsetzen – eine sehr korrosive, hochexplosive Substanz, die auch als Raketentreibstoff verwendet
wird.
Bakterien statt Raketentreibstoff
An der TU Wien wählte man einen völlig anderen Weg. Man identifizierte zunächst eine Reihe von Enzymen,
von denen man vermutete, dass sie bei der Verarbeitung von Lävulinsäurederivaten hilfreich sein könnten.
Dann brachte man E.coli-Bakterien dazu, diese Enzyme zu produzieren. Das gelingt, indem man Plasmide in das Bakterium
einbringt. Plasmide sind kleine DNA-Moleküle, die nicht zum eigentlichen Bakterienchromosom gehören,
aber trotzdem die Bauanleitung für Enzyme speichern können. „Wenn die Bakterien die in Frage kommenden
Enzyme produzieren, kann man direkt im Bioreaktor ausprobieren, welche für unseren gewünschten Prozess
am besten geeignet sind“, sagt Michael Fink.
Unter normalen atmosphärischen Bedingungen und ganz ohne toxische oder explosive Substanzen kann man dann
die E.coli-Bakterien zur Herstellung wertvoller Stoffe verwenden – entweder setzt man sie direkt im Bioreaktor
ein, oder man lässt sie in einer Bakterienkultur zunächst das Enzym erzeugen und verwendet dieses dann
zur Produktion von Ethyl-3-HPA, einer Substanz, die problemlos in 3-HPA umgewandelt werden kann.
„Beides funktioniert, beides hat Vor- und Nachteile“, sagt Michael Fink. Verwendet man lebende Bakterien, bekommt
man einen ständigen Nachschub der nötigen Enzyme, allerdings besteht dann die Gefahr, dass die Bakterienkultur
irgendwann nicht mehr in ausreichendem Maß weiterwächst oder gar stirbt. Das Isolieren des Enzyms ist
ein zusätzlicher Arbeitsschritt, macht das Verfahren danach aber einfacher.
Nächster Schritt: technische Anwendung
Mehrere natürlich vorkommende sowie bereits artifiziell weiterentwickelte Enzyme wurden untersucht, um einen
geeigneten Kandidaten zu finden. „Die Ergebnisse sind sehr vielversprechend“, sagt Michael Fink. „Allerdings muss
das Verfahren erst auf eine großtechnische Dimension skaliert werden – die Mengen, die man in solchen Versuchen
im Labor herstellt, sind natürlich noch gering.“ Michael Fink erwartet allerdings keine fundamentalen Schwierigkeiten
bei der Entwicklung eines solchen Prozesses.
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