Innenministerin Mikl-Leitner berichtet über Sicherheitsstrategie und Migrationspolitik
der EU
Wien (pk) - Die Europäische Kommission wird noch heuer einen Vorschlag für eine neue Sicherheitsstrategie
der Europäischen Union vorlegen. Außerdem arbeitet sie an einem neuen Migrationskonzept zur effektiveren
Steuerung von Migrationsströmen und plant Pilotprojekte zur Registrierung von Reisenden aus Drittstaaten und
zur Rückführung illegaler MigrantInnen in ihre Heimatländer. Das geht aus einem Bericht von Innenministerin
Johanna Mikl-Leitner über aktuelle EU-Vorhaben in ihrem Zuständigkeitsbereich an das Parlament hervor.
Aufgelistet werden sowohl neue als auch schon seit längerem auf EU-Ebene in Diskussion stehende Initiativen,
zudem informiert Mikl-Leitner über abgeschlossene Verhandlungen. So werden etwa eine neue Verordnung über
den Abgleich von Fingerabdrücken und zwei neue Richtlinien zur Gemeinsamen Asylpolitik heuer in Kraft treten.
Die neue Sicherheitsstrategie läuft unter dem Titel "Europäische Agenda für Sicherheit"
und soll für den Zeitraum 2015-2020 gelten. Unter Berücksichtigung von sich abzeichnenden Bedrohungen
sollen auf Basis von Empfehlungen der InnenministerInnen der EU-Staaten neue Schwerpunkte im Bereich der Sicherheitspolitik
festgelegt werden. Es gehe nicht nur darum, Kriminalität, sondern auch deren Ursachen zu bekämpfen, hält
das Innenressort dazu fest. Österreich werde sich in diesem Sinn dafür einsetzen, präventive Maßnahmen
zu forcieren.
Eine konkrete Initiative, die schon seit geraumer Zeit in Zusammenhang mit Terrorismusbekämpfung auf EU-Ebene
diskutiert wird, ist die Speicherung und Nutzung von Fluggastdaten, also von persönlichen Daten, die bei Flugbuchungen
angegeben werden (Passenger Name Record, PNR). Bislang haben vor allem Datenschutzbedenken einen Konsens über
die von der EU- Kommission vorgeschlagene Richtlinie verhindert, in Folge der Terroranschläge in Frankreich
ist allerdings Bewegung in die Sache gekommen. Das Europaparlament strebt nun einen Abschluss der Verhandlungen
bis Jahresende an. Österreich habe in der Vergangenheit eine eher kritische Haltung eingenommen, vermerkt
der Bericht, trete aber für eine Fortführung der Diskussion ein. Besonderen Wert legt das Innenministerium
darauf, dass das System grundrechtskonform ausgestaltet wird.
Ebenfalls schon konkret auf europäischer Ebene verhandelt wird über einen verstärkten Informationsaustausch
zur Bekämpfung von schwerer und organisierter Kriminalität, neue Rechtsgrundlagen für EUROPOL und
die Europäische Polizeiakademie EPA, Maßnahmen zur Erhöhung der Cybersicherheit sowie effektivere
Maßnahmen zur Umsetzung des EU-Aktionsplans zur Bekämpfung chemischer, biologischer, radiologischer
und nuklearer Risken (CBRN).
Kampf gegen illegale Migration und Förderung legaler Zuwanderung
Das Ziel der neuen Europäischen Migrationsagenda ist ein doppeltes. Zum einen will die EU-Kommission die Union
für talentierte und qualifizierte Arbeitskräfte aus Drittstaaten attraktiver machen, zum anderen will
sie entschlossen gegen illegale Migration sowie Menschenhandel und -schmuggel vorgehen. Genaue Pläne liegen
noch nicht vor, Initiativen mit ähnlicher Stoßrichtung wurden allerdings auch schon in der Vergangenheit
gesetzt, etwa mit dem Europäischen Grenzüberwachungssystem EUROSUR und der Einrichtung der gemeinsamen
Grenzschutzagentur FRONTEX. Letztere wurde 2014 auch mit koordinierten Grenzüberwachungseinsätzen an
den Seeaußengrenzen der EU betraut.
Um illegale Migration einzudämmen, wollen die EU-Länder außerdem enger bei der Rückführung
von illegal im Unionsgebiet aufhältigen AusländerInnen in ihre Heimatländer kooperieren. Dazu ist
ein Pilotprojekt mit ausgewählten Drittstaaten in Aussicht genommen, an dem sich Österreich beteiligen
will.
Zur Förderung von legaler Migration strebt die EU-Kommission unter anderem EU-weit einheitliche Bedingungen
für Aufenthaltsbewilligungen für ForscherInnen, Studierende, Austausch-SchülerInnen, TeilnehmerInnen
an Freiwilligendiensten, bezahlte PraktikantInnen und Au-Pairs an. Österreich geht der Vorschlag, wie etlichen
anderen EU-Staaten, allerdings zu weit, wie der Bericht festhält. Nun soll mit dem Europäischen Parlament
über einen von den zuständigen MinisterInnen der EU-Staaten gebilligten Kompromissvorschlag verhandelt
werden. Demnach sollen lediglich ForscherInnen und Studierende verpflichtend in den Anwendungsbereich der von der
Kommission vorgelegten Richtlinie fallen. Dazu kämen optional SchülerInnen, unbezahlte Trainees und Freiwillige.
Bezahlte Trainees und Au-Pairs will die Mehrheit der EU-Staaten hingegen aus der Richtlinie herausnehmen.
Registrierung von Reisenden: EU-Kommission führt Pilotprojekt durch
Was die seit dem Jahr 2012 auf dem Tisch liegenden Vorschläge der EU für ein neues Grenzkontrollsystem
der EU-Staaten betrifft (Smart Borders Initiative), ist für heuer ein Pilotprojekt geplant. Zum einen will
die EU-Kommission durch eine Registrierung von Reisenden aus Drittstaaten illegale Einwanderung eindämmen
und zum anderen den Grenzübertritt für AusländerInnen mit niedrigem Risikoprofil beschleunigen.
Zu diesem Zweck ist die Einrichtung zweier Registrierungssysteme (Entry-/Exit-System, EES, Registered Travellers
Programme, RTP) vorgesehen. Österreich erwartet sich vom Pilotprojekt klare Erkenntnisse über technische
Machbarkeit und Kosten-Nutzen-Relation, bleibt angesichts der Erfahrungen mit anderen europäischen IT-Großsystemen
vorerst jedoch "vorsichtig skeptisch", wie es im Bericht heißt.
Im Bereich der Visapolitik hat die EU-Kommission im vergangenen Jahr zwei neue Vorschläge vorgelegt, die nun
zunächst auf Expertenebene beraten werden. Konkret geht es um die Beschleunigung von Visaverfahren und andere
Erleichterungen für AntragstellerInnen sowie um die Einführung eines neuen Rundreisevisums. Diese neue
Visakategorie soll es Drittstaatsangehörigen ermöglichen, sich in zwei oder mehreren Mitgliedstaaten
innerhalb eines Zeitraums von 180 Tagen länger als 90 Tage aufzuhalten. Das Innenministerium hat gegen etliche
Punkte des Gesamtpakets Bedenken geltend gemacht, etwa was die geplanten Rechte für Vielreisende, das Einfrieren
von Gebühren, die Abschaffung der Reisekrankenversicherung und die Möglichkeit zur verstärkten Visumerteilung
an der Grenze betrifft. Auch die vorgeschlagene Zwangsvertretung unter den EU-Mitgliedstaaten, also die verpflichtende
Bearbeitung von Visaanträgen, wenn der Zielstaat vor Ort nicht vertreten ist, beurteilt das Ressort kritisch.
Fortschritte gibt es beim Visainformationssystem (VIS): 2015 sollen die restlichen Regionen, darunter Russland,
China und Indien, angeschlossen werden. Was Visaerleichterungsabkommen anlangt, wurde 2014 ein Verhandlungsmandat
für Tunesien gewährt.
Weiter diskutieren wollen die EU-Mitgliedsländer heuer auch über eine engere Zusammenarbeit in der Asylpolitik
und mehr EU-interne Solidarität in Asylfragen. So könnte etwa in nächster Zeit ein Richtlinien-Vorschlag
betreffend die gegenseitige Anerkennung nationaler Entscheidungen über internationalen Schutz auf den Tisch
kommen. Zudem muss laut Bericht über eine Änderung der Dublin-III-Verordnung verhandelt werden, nachdem
der Europäische Gerichtshof (EuGH) entschieden hat, dass für Asylverfahren von unbegleiteten Minderjährigen
in der Regel jener Mitgliedstaat zuständig ist, in dem sich diese gerade aufhalten.
Im Kampf gegen Drogen ist ein intensiverer Informationsaustausch über neue psychoaktive Substanzen geplant.
Ziel ist es, entsprechende Stoffe schneller zu entdecken, zu bewerten und vom Markt zu nehmen.
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