Neues Kapital für Europas Wachstum

 

erstellt am
19. 02. 15
11.00 MEZ

Europäische Kommission leitet Konsultation zur Kapitalmarktunion ein
Brüssel (ec) - Die Kapitalmarktunion soll Hemmnisse beseitigen, die grenzüberschreitenden Investitionen in der EU und dem Zugang von Unternehmen zu Finanzmitteln im Wege stehen. Unternehmen sehen sich derzeit mit schwierigen Rahmenbedingungen konfrontiert, da sie weiterhin stark von den Banken und zu einem weitaus geringeren Teil von den Kapitalmärkten abhängig sind. In anderen Teilen der Welt ist dieses Verhältnis umgekehrt. Um nur ein Beispiel der Chancen zu nennen, die ein voll funktionsfähiger Kapitalbinnenmarkt bieten könnte: Würden die EU-Risikokapitalmärkte eine ähnliche Tiefe aufweisen wie in den USA, wären zwischen 2008 und 2013 sage und schreibe 90 Mrd. EUR für die Unternehmensfinanzierung verfügbar gewesen.

Mit der Kapitalmarktunion möchte die Kommission darüber hinaus Hürden zwischen Unternehmen oder Projekten mit Finanzierungsbedarf und Anlegern beseitigen und die Investitionskette zur Kanalisierung der Mittel möglichst effizient gestalten.

Um Finanzmittel außerhalb des Bankensektors freizumachen, so dass sich Start-Up-Unternehmen entwickeln und größere Unternehmen weiter wachsen können, lancierte die Kommission am Mittwoch eine dreimonatige Konsultation in Form eines Grünbuchs, deren Ergebnisse dann in einen Aktionsplan einfließen werden. Zwar ist die Kapitalmarktunion ein langfristiges Projekt, das jahrelange beständige Anstrengungen erfordern wird, doch können in einigen Bereichen schon in den nächsten Monaten kurzfristig Erfolge erzielt werden.

Jyrki Katainen, Vizepräsident der Europäischen Kommission, zuständig für Arbeitsplätze, Wachstum, Investitionen und Wettbewerbsfähigkeit, dazu: „Die Kapitalmarktunion ist die erste strukturelle Initiative der Kommission im Rahmen der Investitionsoffensive. Sie wird dazu beitragen, dass die Investitionsoffensive mehr ist als nur eine punktuelle Maßnahme, sondern sich auf Dauer positiv auf die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen in Europa auswirkt.“

„Die Richtung, in die wir uns bewegen müssen, ist klar: Es gilt, von Grund auf einen Binnenmarkt für Kapital aufzubauen, Hindernisse zu erkennen und nacheinander zu beseitigen. Die Kapitalmarktunion soll Finanzmittel frei machen, die zwar ausreichend vorhanden aber zurzeit gebunden sind, und sie in den Dienst der europäischen Unternehmen, insbesondere der KMU, stellen,“ erklärte der für Finanzstabilität, Finanzdienstleistungen und die Kapitalmarktunion zuständige EU-Kommissar Jonathan Hill. „Der freie Kapitalverkehr war eines der Grundprinzipien, auf denen die EU aufgebaut wurde. Lassen Sie uns nun, mehr als fünfzig Jahre nach der Unterzeichnung der Römischen Verträge, die Gelegenheit ergreifen und dafür sorgen, dass diese Vision Wirklichkeit wird.“

Hintergrund
Das Grünbuch zur Kapitalmarktunion soll eine EU-weite Diskussion über die möglichen Maßnahmen anstoßen, die zur Schaffung eines echten Kapitalbinnenmarkts erforderlich sind. In diesem Zusammenhang werden heute auch zwei Konsultationen über „hochwertige“ Verbriefungen und die Prospektrichtlinie gestartet.

Die Kommission ersucht das Europäische Parlament, den Rat, andere EU-Institutionen und nationale Parlamente sowie den Finanzsektor, Unternehmen und alle interessierten Kreise um Stellungnahmen. Alle Interessenträger werden gebeten, ihre Rückmeldungen bis 13. Mai 2015 zu übermitteln.

Nach der öffentlichen Konsultation wird die Kommission diesen Sommer einen Aktionsplan vorlegen, der einen Fahrplan mit zeitlichen Vorgaben enthalten wird, um bis 2019 die Grundsteine für die Kapitalmarktunion zu legen.

Ausgehend von den Konsultationsergebnissen wird die Kommission in weiterer Folge Maßnahmen erarbeiten, um folgende Ziele zu erreichen:

  • Verbesserung des Zugangs zu Finanzmitteln für alle Unternehmen und Infrastrukturprojekte in ganz Europa;
  • Unterstützung von KMU, so dass sich diese genauso einfach Kapital beschaffen können wie Großunternehmen;
  • Schaffung eines Kapitalbinnenmarkts, indem Hürden für grenzüberschreitende Investitionen beseitigt werden;
  • Diversifizierung der Finanzierungsmöglichkeiten der Wirtschaft und Senkung der Kosten der Kapitalaufnahme.


Das Grünbuch enthält folgende zentrale Grundsätze, auf denen die Kapitalmarktunion aufbauen sollte:

  • Sie sollte gewährleisten, dass Wirtschaft, Wachstum und Beschäftigung größtmöglichen Nutzen aus den Kapitalmärkten ziehen;
  • sie sollte einen Kapitalbinnenmarkt für alle 28 Mitgliedstaaten schaffen, indem sie Hürden für grenzüberschreitende Investitionen innerhalb der EU beseitigt und eine engere Vernetzung mit den globalen Kapitalmärkten fördert;
  • sie sollte sich auf ein solides und stabiles Finanzsystem mit einem einheitlichen Regelwerk stützen, das wirksam und konsistent umgesetzt wird;
  • sie sollte einen wirksamen Anlegerschutz gewährleisten; und
  • sie sollte dazu beitragen, Investitionen aus aller Welt anzuziehen und die Wettbewerbsfähigkeit der EU zu steigern.


Bereits in ihrer Mitteilung „Eine Investitionsoffensive für Europa“ von November 2014 nannte die Kommission einige Maßnahmen, die kurzfristig ergriffen werden können. Sie betreffen Bereiche wie die Umsetzung der Verordnung über europäische langfristige Investmentfonds (ELTIF), hochwertige Verbriefungen, Kreditinformationen über KMU, Privatplatzierungen und die Überarbeitung der Prospektrichtlinie. In diesen Bereichen ist der Bedarf an Fortschritten allgemein anerkannt und sie bergen das Potenzial, rasch Vorteile erzielen zu können.

Überarbeitung der Prospektrichtlinie
Prospekte sind rechtsverbindliche Dokumente, die von Unternehmen genutzt werden, um Investitionen anzuziehen. Sie beinhalten Informationen, die es den Anlegern ermöglichen sollen, fundierte Anlageentscheidungen zu treffen. Ihre Erstellung ist für Unternehmen jedoch kostenintensiv und mit erheblichem Verwaltungsaufwand verbunden, da ausführliche Informationen oftmals Hunderte von Seiten erfordern. Für Anleger kann es wiederum sehr schwierig sein, bei sehr umfangreichen Informationen den Überblick zu behalten.

Die Kommission startet ihre Konsultation zur Prospektrichtlinie im Hinblick darauf, es Unternehmen (einschließlich KMU) zu erleichtern, sich EU-weit Kapital zu beschaffen, und gleichzeitig einen wirksamen Anlegerschutz zu gewährleisten. Ein zentrales Anliegen ist der Abbau der administrativen Hürden, die Unternehmen überwinden müssen. Im Rahmen der Konsultation sollen unter anderem Möglichkeiten für eine Vereinfachung der im Prospekt enthaltenen Informationen ausgelotet werden. Darüber hinaus soll geprüft werden, in welchen Fällen ein Prospekt erforderlich ist und wie das Genehmigungsverfahren gestrafft werden kann.

Verbriefungen
Eine Verbriefung ist ein Verfahren, bei dem durch die Zusammenlegung von Vermögenswerten ein neues Finanzinstrument geschaffen wird: Dadurch können mehr Anleger Anteile an diesen Vermögenswerten erwerben und so die Liquidität erhöhen und Kapital für das Wirtschaftswachstum frei machen. Eine EU-weite Initiative für „hochwertige“ Verbriefungen müsste durch ein höheres Maß an Produktstandardisierung für hohe Verfahrensstandards, Rechtssicherheit und Vergleichbarkeit über alle Verbriefungsinstrumente hinweg sorgen. Dies würde auch im Hinblick auf KMU-Darlehen mehr Transparenz und Kohärenz und eine bessere Verfügbarkeit der wichtigsten Informationen für Anleger bewirken und eine höhere Liquidität fördern. Damit sollte die Emission verbriefter Produkte vereinfacht werden und institutionelle Anleger sollten in der Lage sein, Produkte, die ihren Anforderungen an Vermögenswertdiversifizierung, Rendite und Laufzeit entsprechen, mit angemessener Sorgfalt zu prüfen.

Mittel- bis langfristige Maßnahmen
Im Grünbuch wird auch um Stellungnahmen dazu gebeten, wie andere Hindernisse für reibungslos funktionierende Märkte mittel- bis langfristig überwunden werden können, etwa wie sich die Kosten für die Einrichtung und Vermarktung von Investmentfonds EU-weit verringern lassen; wie weitere Möglichkeiten für die Bereitstellung von Beteiligungs- und Risikokapital geschaffen werden können; ob gezielte Maßnahmen im Bereich des Gesellschaftsrechts, des Insolvenzrechts oder des Wertpapierrechts sowie der Besteuerung wesentlich zur Kapitalmarktunion beitragen könnten; und wie gedeckte Schuldverschreibungen behandelt werden sollten; dazu wird 2015 eine eigene Konsultation über einen möglichen EU-Rahmen durchgeführt.

 

 

 

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