Maßnahmenpaket der EU-Staaten im Kampf gegen den Terrorismus
Wien (pk) - Der Plan der EU-InnenministerInnen, im Rahmen des verstärkten Kampfes gegen den Terrorismus
auch Fluggastdaten zwischen den EU-Ländern auszutauschen, entzweite am 17.02. im EU-Unterausschuss Opposition
und Regierungsparteien. FPÖ, Grüne, Team Stronach und NEOS sprachen sich entschieden dagegen aus, SPÖ
und ÖVP sowie Innenministerin Johanna Mikl-Leitner unterstrichen hingegen, dass man eine grundrechtskonforme
und dem Gebot der Verhältnismäßigkeit entsprechende Lösung anstrebe. Anträge der FPÖ
und der NEOS, die Innenministerin seitens des Ausschusses zu verpflichten, gegen die Fluggastdatenspeicherung auf
europäischer Ebene aufzutreten und auch innerstaatlich kein derartiges System aufzubauen, fanden im Ausschuss
nicht die erforderliche Mehrheit.
Die Fluggastdatenspeicherung ist einer von acht Punkten der Pariser Erklärung der Innen- und JustizministerInnen
(Paris Declaration) vom 11. Jänner dieses Jahres. Der Wunsch danach ist nicht neu, er ist bislang aber am
Widerstand des EU-Parlaments gescheitert. Nach den grausamen Morden an Journalisten der Satirezeitschrift Charlie
Hebdo in Paris Anfang Jänner dieses Jahres ist jedoch die Ablehnungsfront unter den EU-ParlamentarierInnen
abgebröckelt. Bis Jahresende soll ein Gesetz über die EU-Fluggastdatensätze (Passenger Name Records
- PNR) ausgearbeitet werden, mit dem Ziel, TerroristInnen leichter aufspüren zu können. Bereits jetzt
gibt es ein Abkommen, auf Grund dessen die Daten von jenen Passagieren, die zwischen Europa und den USA bzw. Kanada
reisen, gespeichert werden können.
Fluggastdatenspeicherung: Opposition befürchtet Verletzung der EU-Grundrechtecharta
Die Opposition befürchtete geschlossen eine massive Verletzung der EU-Grundrechtecharta sowie eine Aushebelung
der Unschuldsvermutung durch Formen der Massenüberwachung, wie dies die Fluggastdatenspeicherung PNR vorsieht.
Diese stelle eine Unverhältnismäßigkeit dar und gehe an der tatsächlichen Aufgabenstellung
vorbei, hielt Reinhard Eugen Bösch seitens der FPÖ fest und sah sich darin eines Sinnes mit Europa-Abgeordneter
Barbara Kappel (F).
Die Massenüberwachung bringe im Kampf gegen den Terrorismus und das organisierte Verbrechen gar nichts, zeigten
sich auch Peter Pilz (G) und der Grüne Europa-Abgeordnete Michel Reimon überzeugt. Man könne mit
den bereits vorliegenden Daten erfolgreich ermitteln, meinte Reimon. Pilz wies darauf hin, dass die bisherigen
erfolgreichen Fahndungen auf Zufallstreffern beruhen. Es sei bemerkenswert, dass alle Täter schon vor den
Anschlägen polizeibekannt gewesen seien, bemerkte Pilz, woraus er den Schluss zog, dass es vor allem an personellen
Ressourcen der Fahndungsbehörden mangelt. Dem schloss sich auch Nikolaus Alm von den NEOS an. Auch er bezweifelte,
ob alle Mittel bereits ausgeschöpft sind, und sah die Notwendigkeit, das Personal aufzustocken. PNR ist seiner
Meinung nach ein Überwachungssystem ohne jeglichen Anlass, das die Menschen unter Generalverdacht stelle.
Privatsphäre, Meinungsfreiheit und Grundrechte seien Werte, die unsere Gesellschaft ausmachten und diese dürften
daher in keiner Weise ausgehöhlt werden, unterstrich Alm. Er verwies auch auf den Europäischen Gerichtshof
sowie auf den Verfassungsgerichtshof, die beide die Vorratsdatenspeicherung gekippt haben. Ebenso skeptisch äußerte
sich Rouven Ertlschweiger (T) hinsichtlich der Erfolgsaussichten einer Massenüberwachung im Kampf gegen den
Terror. Seine Bedenken galten auch der Datensicherheit, zumal immer wieder sensible Daten an die Öffentlichkeit
gelangen.
Mikl-Leitner: Es wird an einer grundrechtskonformen Lösung gearbeitet
Peter Pilz (G) warf der Innenministerin vor, bei ihrer Zustimmung zur Pariser Deklaration die Stellungnahme des
EU-Unterausschusses vom 5. April 2011 missachtet zu haben. Dem hielt Wolfgang Gerstl von der ÖVP entgegen,
dass es sich dabei um eine Erklärung der MinisterInnen handle und um keinen EU-Rechtsakt. In der Deklaration
sei ausdrücklich festgehalten, dass die Fluggastdatenspeicherung nur unter Berücksichtigung der Grundrechtecharta
und der Datenschutzrichtlinie erfolgen könne, womit die Verhältnismäßigkeit und die Achtung
der Grundrechte gewahrt bleibe.
Man befinde sich derzeit im Stadium der Diskussion auf europäischer Ebene, unterstrich auch Innenministerin
Johanna Mikl-Leitner, die mehrmals bekräftigte, dass eine Lösung dieser Frage außerhalb der geltenden
Grundrechte für sie nicht denkbar sei. Aus diesem Grund sei bei der Erarbeitung der PNR auch die Europäische
Grundrechte-Agentur miteinbezogen, die ihrerseits 12 Punkte für eine grundrechtskonforme Lösung vorgelegt
habe. Außerdem würden auch die höchstgerichtlichen Erkenntnisse zur Vorratsdatenspeicherung beachtet,
stellte sie klar. Sie sehe daher in keiner Weise einen Widerspruch zur Stellungnahme des EU-Unterausschusses aus
dem Jahr 2011, vielmehr gehe sie damit völlig konform.
Man warte nun auf konkrete Vorschläge, die dann einer Bewertung unterzogen würden. Europa-Abgeordneter
Heinz Becker (V) wies darauf hin, dass 80% der Europa-ParlamentarierInnen für die Speicherung der Fluggastdaten
eingetreten seien und auch Bundeskanzler Faymann im Rat die Forderung nach einer strikten und wirksamen Richtlinie
zur Fluggastdatenspeicherung unterstützt habe.
Appell, sachlich und analytisch zu diskutieren
Der Sicherheitssprecher der SPÖ Otto Pendl appellierte an alle, in der Diskussion Sachlichkeit walten zu lassen
und die Emotionen herauszunehmen. Es gehe immer um Verhältnismäßigkeit, sagte er, es habe sich
aber gezeigt, dass man mit Präventionsmaßnahmen allein nicht auskomme. Auch gehe der Vorwurf von Peter
Pilz, die gefassten Täter seien alle amtsbekannt gewesen, insofern ins Leere, als es sehr schwierig sei, im
Vorfeld strafrechtliche Maßnahmen zu setzen. Es seien daher weitere Schritte in der Ausbildung, aber auch
in technischer und wissenschaftlicher Hinsicht notwendig, um die analytischen Aufgabenstellungen zu bewältigen
und rechtzeitig die richtigen Schlüsse zu ziehen. Bei allen Maßnahmen müsse man sich dessen bewusst
sein, dass es nicht nur um den Schutz der Bevölkerung gehe, sondern auch um den Schutz jener Beamtinnen und
Beamten, die täglich im Einsatz für die Sicherheit der Bevölkerung sind, betonte Pendl.
Kampf gegen den Terror: In Europa ist Geschlossenheit und Entschlossenheit spürbar
Im Kampf gegen den Terrorismus, der nicht nur Opfer in Paris, sondern auch in London, Madrid, Brüssel und
jüngst in Kopenhagen gefordert hat, beabsichtigen die EU-InnenministerInnen eine verstärkte Koordination.
Die oben genannte Pariser Erklärung spricht von einem solidarischen Vorgehen. In Europa sei nun Entschlossenheit
und Geschlossenheit spürbar, sagte Innenministerin Johanna Mikl-Leitner, die Mitgliedstaaten seien sich darin
einig, jenen keinen Spielraum zu lassen, die unsere Freiheit und Demokratie untergraben wollen. Die Stoßrichtung
sehe zwei Pfeiler vor, einerseits Prävention und andererseits Repression.
Eine wichtige Rolle falle dabei der gemeinsamen Kommunikationsstrategie zu. So sei geplant, mit gezielten Maßnahmen
der zunehmenden Radikalisierung junger Muslime über das Internet entgegenzuwirken, etwa durch die Entwicklung
positiver zielgerichteter und leicht zugänglicher Informationen, die geeignet sind, radikaler Propaganda und
Indoktrination entgegenzuwirken und die Grundrechte und Werte der EU zu fördern. Die Wertschätzung der
Grund- und Freiheitsrechte sei die beste Waffe gegen den Terror, sagte dazu die Innenministerin. Die Strategie
werde von der EU-Kommission gemeinsam mit der Grundrechte-Agentur ausgearbeitet. In die Strategie werden auch Maßnahmen
zur Bekämpfung des Antisemitismus aufgenommen, bemerkte sie gegenüber Angelika Winzig (V).
Die Mitgliedstaaten sind auch aufgerufen, das "Syria Strategic Communication Advisory Team - SSCAT)"
mehr zu nutzen. Diese neuartige Einrichtung dient als Netzwerk und Unterstützung bei der Ausarbeitung von
Kampagnen zur strategischen Kommunikation und Prävention von Terrorismus. Zudem will man die Kooperation mit
Internetprovidern hinsichtlich der Möglichkeit suchen, Aufrufe zu Terror und Hass löschen zu können.
Ferner soll die Zusammenarbeit im Bereich der Strafverfolgung, unter anderem mit Hilfe von Europol, Eurojust und
Interpol, intensiviert werden. Vor allem soll die Rolle von Europol gestärkt und dessen Informationssystem
besser genutzt werden. Als wichtige Maßnahme will man extremistische Seiten besser analysieren und an die
Mitgliedstaaten weitergeben.
Gleichzeitig ist angedacht, die EU-Außengrenzen effektiver zu schützen und in diesem Sinne das Schengener
Informationssystem mehr als bisher zur Überwachung der Reisebewegungen von EuropäerInnen über die
EU-Außengrenzen heranzuziehen. Man werde Risikoindikatoren definieren, um sogenannte "foreign fighters"
identifizieren zu können, erklärte die Innenministerin. Auch will man mit jenen Ziel- und Transitländern
enger kooperieren, die viele "foreign fighters" nutzen, um von Europa in den Krieg zu ziehen.
Geht es nach den Innen- und JustizministerInnen der EU, soll ferner ein verbesserter Informationsaustausch zwischen
den Geheimdiensten dazu beitragen, die Verbreitung illegaler Waffen stärker begrenzen zu können.
Dem Vorwurf von Abgeordnetem Reinhard Eugen Bösch (F), Österreich habe seine Hausaufgaben nicht gemacht,
hielt die Ministerin entgegen, dass man innerstaatlich sehr wohl wesentliche Schritte gesetzt habe. Sie erinnerte
in diesem Zusammenhang an das Grenzkontrollgesetz, an das Symbole-Gesetz sowie an die Änderungen im Staatsbürgerschaftsgesetz.
Außerdem habe man die Polizeipräsenz verstärkt und die Sicherheitsoffensive werde Schritt für
Schritt umgesetzt, bekräftigte sie. Die Beratungsstelle gegen Extremismus, die im Familienministerium angesiedelt
ist, habe sich gut etabliert, berichtete die Ministerin, bisher seien 115 Anrufe eingegangen, 28 davon von besorgten
Angehörigen. Außerdem sei sie im Gespräch mit der Unterrichtsministerin, da man das Wissen von
PräventionsexpertInnen im Rahmen der LehrerInnenausbildung den Pädagogischen Hochschulen zur Verfügung
stellen wolle.
Seitens der FPÖ unterstrich Europa-Abgeordnete Barbara Kappel (F) die Notwendigkeit einer verstärkten
Behördenzusammenarbeit und eines besseren Schutzes der EU-Außengrenzen. Priorität hat ihr zufolge
auch die geplante EU-Strategie zur Sicherheitspolitik sowie die Unterbindung der Terrorfinanzierung.
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