SPÖ und ÖVP orten vorbildhafte Regelungen, Opposition bleibt
bei Kritik
Wien (pk) – Der Nationalrat hat nach rund dreijähriger Diskussion über das neue Islamgesetz einen
Schlusspunkt gesetzt. SPÖ und ÖVP stimmten am 25.02. im Plenum für den von Kanzleramtsminister Josef
Ostermayer und Außenminister Sebastian Kurz initiierten Gesetzentwurf. Er bringt, 100 Jahre nach der erstmaligen
offiziellen Anerkennung des Islam in Österreich, moderne Rechtsgrundlagen für islamische Glaubensgemeinschaften.
Etliche muslimische Vereine und Organisationen hatten bis zuletzt gegen das neue Gesetz mobil gemacht, SPÖ
und ÖVP wollten die Kritik aber nicht gelten lassen und sprachen von vorbildhaften Regelungen. Die Opposition
blieb dennoch skeptisch und stimmte geschlossen gegen das Gesetz.
Durch einen von den Koalitionsparteien im Zuge der Debatte eingebrachten Abänderungsantrag wurde der Gesetzentwurf
noch geringfügig abgeändert. Demnach sind islamische Vereine, die parallel zu den anerkannten islamischen
Glaubensgemeinschaften religiöse Lehren verbreiten, vom Innenministerium bis zum 1. März 2016 aufzulösen.
Ursprünglich war als Frist der 31.12.2015 vorgesehen gewesen. Für die Vereinsauflösung gilt damit
die gleiche Frist wie für die Anerkennung der neuen Statuten islamischer Glaubensgemeinschaften durch das
Bundeskanzleramt.
Dem Antrag der FPÖ, den Gesetzentwurf zu weiteren Vorberatungen an den Verfassungsausschuss zurückzuverweisen,
trug die Mehrheit des Nationalrats ebenso wenig Rechnung wie einem Entschließungsantrag des Team Stronach
zur Frage von "Halal-Zertifizierungen" geschächteter Tiere.
MuslimInnen erhalten Recht auf Seelsorge in Spitälern und beim Heer
Das Islamgesetz regelt unter anderem Rechte und Pflichten islamischer Glaubensgemeinschaften in Österreich
und räumt muslimischen Gläubigen unter anderem das ausdrückliche Recht auf religiöse Betreuung
beim Bundesheer und in Krankenanstalten ein. Zudem wird hohen islamischen Feiertagen und dem Freitagsgebet besonderer
staatlicher Schutz gewährt und ein eigenes islamisches Theologiestudium eingerichtet. Islamische Glaubensgemeinschaften
haben künftig die Pflicht, ihre wesentlichen Glaubensquellen in deutscher Sprache vorzulegen, überdies
erhalten sie deutlich mehr Einfluss auf die religiöse Lehre als bisher.
Besonders umstritten ist jener Passus im Gesetz, dem zufolge die Aufbringung der Mittel, die für die gewöhnliche
Tätigkeit der Religionsgesellschaft nötig sind, durch die Religionsgesellschaft selbst, ihre Kultusgemeinden
bzw. ihre inländischen Mitglieder zu erfolgen hat. Etliche muslimische Organisationen sehen sich durch das
Verbot der Auslandsfinanzierung gegenüber anderen Religionsgemeinschaften benachteiligt. Um einen geordneten
Übergang sicherzustellen, dürfen vom Ausland finanzierte Imame in Österreich allerdings noch ein
Jahr in Österreich predigen.
Für die Anpassung der Statuten an die neue Rechtslage haben die beiden bislang in Österreich anerkannten
islamischen Religionsgesellschaften, die Islamische Glaubensgemeinschaft (IGGiÖ) und die Islamische Alevitische
Glaubensgemeinschaft (ALEVI), bis Ende dieses Jahres Zeit. Die Prüfung durch das Bundeskanzleramt hat bis
Ende März zu erfolgen. Generell gilt eine positive Grundeinstellung zu Gesellschaft und Staat als Voraussetzung
für die Anerkennung einer islamischen Religionsgesellschaft.
FPÖ fordert neuerliche Beratungen im Verfassungsausschuss
FPÖ-Klubobmann Heinz-Christian Strache begründete die Forderung seiner Fraktion, das Islamgesetz an den
Verfassungsausschuss rückzuverweisen, damit, dass der jetzige Entwurf nicht geeignet sei, dem radikalen Islamismus
in Österreich den Boden zu entziehen. Das Gesetz gebe nicht die richtige Antwort auf bedenkliche Entwicklungen,
kritisierte er. Hasspredigten in Moschen werde man damit ebenso wenig verhindern können wie die weitere Auslandsfinanzierung
radikaler islamischer Vereine.
Strache selbst urgierte unter anderem eine gesetzliche Verpflichtung zur Verwendung der deutschen Sprache bei Predigten
und im Religionsunterricht. Allgemein betonte er, man dürfe nicht alle Moslems unter Generalverdacht stellen.
Straches Fraktionskollege Harald Stefan machte darauf aufmerksam, dass die IGGiÖ die Vorgaben des Gesetzes
derzeit nicht erfülle. Sie habe in der Vergangenheit weder ihre Glaubensgrundsätze offengelegt noch bekannt
gegeben, wie viele Mitglieder sie habe, kritisierte er. Stefan ist auch überzeugt, dass der Vollzug des Islamgesetzes
nicht funktionieren wird: es werde nicht gelingen, die zahlreichen Moscheenvereine in der Praxis aufzulösen.
Bekräftigt wurde die Kritik der FPÖ auch von Abgeordnetem Herbert Kickl. Für ihn ist im Übrigen
klar, dass der Islam als solcher nicht zu Österreich gehört, sondern lediglich die österreichischen
MuslimInnen als StaatsbürgerInnen.
Grüne orten Generalverdacht gegen MuslimInnen
Anders als die FPÖ hoben die Grünen auch einige ihrer Ansicht nach positive Bestimmungen im neuen Islamgesetz
hervor. So begrüßte Abgeordnete Alev Korun etwa die Einrichtung eines islamischen Theologiestudiums
in Österreich, die Bestimmungen über islamische Friedhöfe und das Recht auf Seelsorge in Krankenhäusern
und beim Bundesheer.
Nach Meinung von Korun überwiegen im Gesetz allerdings die negativen Punkte. So werden ihr zufolge MuslimInnen
unter Generalverdacht gestellt. Im Gesetz werde gleich mehrfach hervorgehoben, dass staatliches Recht Vorrang vor
religiösem Recht habe, das sei aber ohnehin eine Selbstverständlichkeit und müsste nicht extra erwähnt
werden, sagte sie. Korun gab außerdem zu bedenken, dass das Verbot der Auslandsfinanzierung durch intransparente
Stiftungskonstruktionen umgangen werden könne. Ihrer Ansicht nach wäre es geboten, von sämtlichen
anerkannten Religionsgemeinschaften Transparenz hinsichtlich der finanziellen Zuwendungen zu verlangen. Ihr Fraktionskollege
Wolfgang Zinggl glaubt, dass die islamischen Religionsgesellschaften ohne Auslandsfinanzierung unter finanziellen
Druck kommen würden und es für sie schwierig würde, die Imame zu bezahlen.
Grün-Abgeordneter Harald Walser bedauerte, dass das Islamgesetz keine genaueren Regelungen über den islamische
Religionsunterricht enthält. Es habe in der Vergangenheit gerade in diesem Bereich immer wieder Probleme gegeben,
machte er geltend.
Team Stronach: Gesetz kann nicht vollzogen werden
Team-Stronach-Abgeordnete Jessi Lintl wertete die Intention des Islamgesetzes zwar als positiv, sie fürchtet
allerdings, dass das Gesetz nicht vollzogen werden kann. So ist es für Lintl "schleierhaft", wie
die rund 460 derzeit bestehenden Moscheenvereine künftig kontrolliert werden sollen. Zudem hinterfragte sie
die Vorrangstellung der IGGiÖ und forderte eine rechtliche Klärung dieser Frage durch den Verfassungsgerichtshof
vor Beschlussfassung des vorliegenden Gesetzes. Als wesentlich wertete Lintl auch die Offenlegung der Glaubensinhalte,
Traditionen und Gebräuche islamischer Religionsgemeinschaften in deutscher Sprache.
Ein von Lintl eingebrachter Entschließungsantrag zielte darauf ab, explizit klarzustellen, dass Aussteller
von "Halal-Zertifikaten" über einen Gewerbeschein verfügen müssen. Nach Darstellung des
Team Stronach hat die IGGiÖ diese Pflicht in der Vergangenheit mit dem Argument unterlaufen, dass Halal-Zertifizierungen
eine religiöse Tätigkeit sind. Auch das vorliegende Gesetz treffe keine Klarstellung in diesem Punkt,
so die Kritik. Das Team Stronach befürchtet unter anderem, dass bei Zertifizierungen durch die IGGiÖ,
Kontrollen zu kurz kommen und Tierschutzbestimmungen nicht eingehalten werden.
Auch NEOS haben Bedenken gegen das Gesetz
Seitens der NEOS bekräftigte Abgeordneter Nikolaus Scherak, dass das Islamgesetz die äußeren Rechtsverhältnisse
von islamischen Religionsgemeinschaften regle. Es sei keine Antwort auf die Terroranschläge in Paris oder
den radikalen Islam im Allgemeinen, unterstrich er.
Scherak äußerte eine Reihe von Bedenken gegen das Gesetz. Die islamische Glaubensgemeinschaft werde
anders als andere Religionsgemeinschaften behandelt, kritisierte er und verwies in diesem Zusammenhang unter anderem
auf das Verbot der dauerhaften Auslandsfinanzierung. Außerdem liest er wie die Grünen einen Generalverdacht
gegen alle MuslimInnen aus dem Gesetz heraus.
Die unterschiedliche Behandlung der verschiedenen Religionsgemeinschaften ist auch Scheraks Fraktionskollege Nikolaus
Alm ein Dorn im Auge. Er fragt sich, warum es nicht ein einziges Religionsgesetz gibt, das für alle Religionen
und Weltanschauungen gleiche Vorgaben enthält.
SPÖ: Gesetz ist ausgewogen
SPÖ-Verfassungssprecher Peter Wittmann warf FPÖ-Klubchef Strache vor, die österreichische Gesellschaft
spalten zu wollen. Das Islamgesetz regle die Religionsausübung von MuslimInnen und habe nicht die Terrorismusbekämpfung
zum Ziel, betonte er. Dafür gebe es andere gesetzliche Vorschriften. Für Wittmann ist das Islamgesetz
"sehr ausgewogen", es werde in diesem Sinn auch von den gemäßigten islamischen Kräften
in Österreich mitgetragen.
Mit dem neuen Gesetz wird der IGGiÖ laut Wittmann die Verantwortung übertragen, sich von radikalen islamischen
Kräften abzugrenzen. Wird eine Kultusgemeinde von den IGGiÖ nicht genehmigt und in dem betroffenen Verein
trotzdem weiter gepredigt, habe das Innenministerium nun die Handhabe, diesen Verein aufzulösen, erläuterte
er. Die Forderung nach Predigten in deutscher Sprache teilte Wittmann nicht. Es werde in allen Religionen in vielen
verschiedenen Sprachen gepredigt, das gehöre zur religiösen Kultur.
Für die SPÖ verteidigten auch die Abgeordneten Josef Cap und Katharina Kucharowits das Gesetz, wobei
Kucharowits bedauerte, dass junge MuslimInnen zu spät in den Diskussionsprozess eingebunden worden seien.
Cap hob vor allem die Bedeutung der Trennung von Staat und Religion hervor.
Unverständnis für die Forderung der Opposition, den Gesetzentwurf zu weiteren Beratungen an den Verfassungsausschuss
zurückzuverweisen, zeigte nicht nur SPÖ-Abgeordneter Otto Pendl. Auch ÖVP-Abgeordneter Johann Rädler
wertete es an der Zeit, nach drei Jahren Diskussion endlich zu einem Schlusspunkt zu kommen.
ÖVP: FPÖ will Angst schüren und Gräben aufreißen
Scharfe Kritik an FPÖ-Klubobmann Heinz Christian Strache übte ÖVP-Klubobmann Reinhold Lopatka. Es
gehe nicht an, Religionsgemeinschaften in ein falsches Eck zu rücken, meinte er und äußerte die
Vermutung, dass die FPÖ mit ihrer Fokussierung auf den radikalen Islamismus nur Angst schüren und Gräben
aufreißen wolle. Für Lopatka selbst ist klar, dass der Islam zu Österreich gehört. Mehr als
10% der Wiener Bevölkerung würden sich zum islamischen Glauben bekennen, machte er geltend. Dass radikaler
Islamismus in Österreich keinen Platz hat, ist für ihn selbstverständlich. Ausdrücklich hob
der ÖVP-Klubobmann die Zustimmung von IGGiÖ-Präsident Fuat Sanac zum Gesetz hervor.
Sowohl Lopatka als auch ÖVP-Verfassungssprecher Wolfgang Gerstl sind überzeugt, dass das Gesetz europaweit
Beachtung finden wird. Gerstl sprach sogar von einem "Vorbild für Europa". Auch für Abgeordnete
Michaela Steinacker hat das Gesetz Modellcharakter. Was den Religionsunterricht betrifft, machte Steinacker die
FPÖ darauf aufmerksam, dass dieser gemäß Religionsunterrichtsgesetz in deutscher Sprache zu erfolgen
hat.
ÖVP-Abgeordneter Asdin El Habassi hob hervor, dass muslimische Gläubige Teil der österreichischen
Gesellschaft sind. Sie hätten daher ein Anrecht auf ein zeitgmäßes Rechtskonstrukt für ihre
Religionsausübung, sagte er. El Habassi appellierte an alle Abgeordneten, davon Abstand zu nehmen, die Stimmung
aufzuheizen und gegen bestimmte Bevölkerungsgruppen aufzuhetzen.
Ostermayer und Kurz stellen sich hinter das Gesetz
Hinter das Gesetz stellten sich auch Kanzleramtsminister Josef Ostermayer und Außenminister Sebastian Kurz.
Es wäre "ein fundamental falsches Signal" gewesen, den Vorrang staatlichen Rechts vor religiösem
Recht nicht in das Islamgesetz zu schreiben, ist Kurz überzeugt. Durch diesen Passus verhindere man von Vornherein
eine bewusste Missinterpretation des Gesetzes. Ostermayer wies darauf hin, dass diese Vorgangsweise auch von vielen
VertreterInnen der islamischen Glaubensgemeinschaft akzeptiert wurde.
Dass für islamische Religionsgesellschaften spezielle Finanzierungsregeln gelten, begründete Kurz damit,
dass es das Phänomen der massenweisen Finanzierung von in Österreich tätigen Predigern durch andere
Staaten in anderen Religionen nicht gibt. "Wir wollen keine Imame, die Angestellte anderer Regierungen sind",
betonte er. Schließlich bestehe die Gefahr, dass durch Auslandsfinanzierungen Abhängigkeiten geschaffen
und gesellschaftspolitischer Einfluss genommen werde.
Ostermayer wies außerdem darauf hin, dass das grundsätzliche Verbot der dauerhaften Auslandsfinanzierung
für alle Religionsgemeinschaften gilt, da es im allgemein geltenden Religions-Anerkennungsgesetz von 1874
verankert ist. Er ist auch überzeugt, dass die im Islamgesetz verankerten Bestimmungen wirksam sein werden,
sonst würde es seiner Meinung nach nicht derart massive Proteste von Seiten des türkisch-islamischen
Verein ATIB und aus der Türkei geben.
Allgemein betonten sowohl Kurz als auch Ostermayer, dass mit dem Islamgesetz Religionsrecht geregelt werde, also
die Rechte und Pflichten von MuslimInnen in Österreich. Es handle sich um kein Polizeigesetz und um kein Sicherheitsgesetz,
bekräftigte Ostermayer, auch wenn man, wie Kurz meinte, einigen Fehlentwicklungen gegensteuern wolle. Nach
Ansicht des Außenministers muss es möglich sein, seinen Glauben ohne Bevormundung und ohne Druck aus
dem Ausland auszuüben. Gläubiger Muslim und selbstbewusster Österreicher zu sein, dürfte nicht
im Widerspruch stehen, so Kurz.
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