Die Akademie der bildenden Künste Wien zeigt von 13.03. bis 17.05. eine Ausstellung des
gleichnamigen Forschungsprojektes
Wien (ak-bild) - Der Atlas von Arkadien präsentiert Fragmente einer Sozialgeschichte in Bildern. Urbane
und technologische Entwicklungen des 20. Jahrhunderts werden in Bildmontagen in ihrer gesellschaftlichen Dimension
analysiert. Die Bilder selbst fungieren dabei als eigenständige Analyseinstrumente.
Vorbild für dieses Verfahren ist das Passagen-Werk, Walter Benjamins Entwurf einer Geschichte des 19. Jahrhunderts
am Beispiel der Stadt Paris. Die Motive der Benjamin'schen Geschichte des industriellen Zeitalters werden in die
jüngere Vergangenheit, vor allem die Zeit nach dem Fall der Berliner Mauer übertragen. Das Motiv des
Spiegels aus dem Passagen-Werk taucht im Atlas von Arkadien anhand von digitaler Fotografie oder Social Media wieder
auf, die Haussmannisierung in Form zeitgenössischer Technologien zur Kontrolle des öffentlichen Raums
wie Videoüberwachung usw.
Benjamins Methode der "literarischen Montage" - das Passagen-Werk ist im Wesentlichen eine Montage von
Exzerpten aus Briefen, historischen Werken und anderen Quellen - übersetzt der Atlas in Bildmontagen. Das
Bild spielt nicht nur in unserer Gegenwart eine entscheidende Rolle für Kommunikation und Wissensvermittlung,
auch Benjamin selbst hätte wohl gern mit Bildern gearbeitet. Im Passagen-Werk schrieb er "Ich habe nichts
zu sagen. Nur zu zeigen." und fordert damit auf, seine Textmontagen wie Bildmaterial zu betrachten.
Die Begriffe Atlas von Arkadien stehen für Aspekte der verwendeten Methode. Der Ausstellungstitel benennt
also ein Arbeitsprinzip. Einen Atlas zieht man heran, um gezielt nach einer bestimmten Information zu suchen oder
man blättert darin ziellos. Dies ermöglicht eine horizontale, assoziative und chaotische Lektüre,
in der Zusammenhänge erst durch Imagination gestiftet werden. Auch in der Montage werden Dinge, die aus verschiedenen
historischen und geografischen Kontexten stammen und daher wissenschaftlich betrachtet nicht zusammen gehören,
assoziativ zusammengefügt. Gerade darin liegt jedoch ein Potenzial, das eine anders geartete Erkenntnis, ein
die Grenzen von Wissenschaft und Kunst durchkreuzendes sinnliches und visuelles Wissen ermöglicht und uns
Dinge sehen lässt, die sonst ungesehen bleiben. Dieses sinnliche und visuelle Wissen ist das Territorium des
Atlas von Arkadien.
Arkadien galt in der Antike als Heimat eines ohne gesellschaftliche Zwänge und im Einklang mit der Natur lebenden
Hirtenvolks. Für den Atlas von Arkadien der Referent einer Sichtweise, die phantasmagorische Elemente unserer
Gegenwart entlarvt. Das heißt, sie analysiert, wie und wo sich unsere gebaute Umwelt so präsentiert,
als ob der Mensch hier lediglich ein Flaneur wäre, der keinen Einfluss auf ihre Gestaltung habe. Dieses phantasmagorische
Element wird beispielsweise im Wiederaufbau historischer Bauten wie dem Berliner Stadtschloss deutlich, das uns
eine organische Kontinuität der Historie nur vorspielt. Oder in realisierten Traumlandschaften à la
Disneyland, die ihre kommerzielle Existenzgrundlage verschleiern.
Um das nur vermeintlich immer schon Dagewesene als Phantasmagorie zu entlarven plädiert Benjamin dafür,
den historischen Blick, der Gewesenes gewesen sein lässt, gegen einen politischen zu tauschen. Der politische
Blick nimmt die von Menschen gemachte und organisierte Umwelt als veränderbare wahr. Mit seiner Sozialgeschichte
versucht der Atlas von Arkadien diesen politischen Blick ins Werk zu setzen.
Publikation
Zu Forschungsprojekt und Ausstellung ist die Publikation Atlas von Arkadien in Vorbereitung, die 2016 erscheint.
|