Jugendliche aus den Betrieben brillieren auf dem politischen Parkett
Wien (pk) – Das "Ausbildungskodex-Gesetz" ist fiktiv, aber es wurde nach allen Regeln parlamentarischer
Gesetzgebungskunst an einem langen Sitzungstag erarbeitet und unter dem Vorsitz von Bundesratspräsidentin
Sonja Zwazl mit Mehrheit dort beschlossen, wo über Gesetze abgestimmt wird - im Plenarsaal des Nationalrats.
Die 100 "Abgeordneten" waren Lehrlinge unterschiedlicher Berufe aus Handelsketten, Industrie- und Baufirmen
sowie Verkehrs- und Telekommunikationsunternehmen in ganz Österreich. Am 04.03. waren die Jugendlichen von
Nationalratspräsidentin Doris Bures im Parlament begrüßt worden, am 05.03. bereiteten sie sich
mit Hilfe von Experten auf die Klub- und Ausschusssitzungen sowie auf ihren Auftritt im Plenum vor. Sie debattierten
Positionspapiere und Gesetzentwürfe, analysierten mit Hilfe von Fachleuten die Ausgangslage in Betrieben und
Berufsschulen, begründeten Änderungswünsche und fanden schließlich eine parlamentarische Mehrheit
für einen vom Ausschuss veränderten Gesetzestext. Darüber hinaus nutzten die Lehrlinge das Instrument
Entschließungsantrag und richteten mit einer Reihe ebenfalls mehrheitlich angenommener Resolutionen Forderungen
an die Regierung. Manche Vorschläge von Lehrlingen blieben in der Minderheit, wurden in der Debatte aber ebenso
klar begründet und vertreten wie die Positionen der Mehrheit.
Am Rednerpult sah und hörte man selbstbewusste junge Menschen, die rednerisch zu überzeugen wussten und
sich auf ebenso sympathische wie leidenschaftliche Weise für die Verbesserung der Lehrausbildung in Österreich
einsetzten. Sie forderten einen verständlichen Leitfaden für die Ausbildung in jedem Lehrbetrieb, einen
klaren Ausbildungsplan für jedes Lehrjahr, Förderungsmaßnahmen für Lehrlinge, zwei Wochen
Zeit zur Vorbereitung auf die Abschlussprüfung, Prämien für Erfolge, einen respektvollen Umgang
zwischen AusbilderInnen und Lehrlingen, regelmäßige vertrauliche Aussprachen über Ausbildungs-
und Arbeitsplatzfragen sowie die Förderung von Lehrlingen mit besonderen Bedürfnissen.
In Form von Entschließungen setzte sich das Lehrlingsparlament mehrheitlich für die Modernisierung der
Berufsschulen, die Teilnahme von Lehrlingen an Betriebsratswahlen, für die Förderung von Lehrlingen mit
besonderen Bedürfnissen, für die Qualitätssicherung des Unterrichts in Berufsschulen und für
einen Jugendvertrauensrat ein.
Das Parlament ermöglicht allen Jugendlichen Kontakt zur Politik
Nationalratspräsidentin Doris Bures hatte die TeilnehmerInnen des Lehrlingsparlaments bereits gestern im Parlament
willkommen geheißen. Die Lehrlingsoffensive soll Jugendlichen unabhängig von ihrem Bildungshintergrund
direkten Kontakt mit der Politik ermöglichen, erklärte Bures ihre Initiative. Da man Demokratie lernen
müsse, habe das Parlament die Aufgabe, demokratisches Verständnis zu fördern und Interesse am politischen
Geschehen zu steigern. Lehrlinge, die durch ihre Ausbildung bereits im Berufsleben stehen, dürften dabei nicht
vergessen werden, betonte die Nationalratspräsidentin.
Die TeilnehmerInnen am Lehrlingsparlament kamen aus Betrieben unterschiedlicher Branchen (Spar, REWE, dm, voest,
Strabag, A1, ÖBB, Wiener Linien, Siemens, Kapsch) und repräsentierten vom Maurer-, Mechatronik- und Maschinenbaugewerbe,
über die Sparten Einzelhandel und Drogerie bis hin zu Bürokauffrau/mann, Elektro- und Kfz-TechnikerInnen
eine breite Palette an Lehrberufen. In Österreich beginnen knapp 40 % aller Jugendlichen nach Vollendung der
9-jährigen Schulpflicht eine Lehrausbildung (2014: 38,8%). Insgesamt werden in knapp 32.000 Lehrbetrieben
(bzw. überbetrieblichen Lehrwerkstätten) rund 115.000 Lehrlinge ausgebildet. 34,1% von ihnen sind weiblich.
Doris Bures: "Das ist eine große und wichtige Zielgruppe, die von den hervorragenden Angeboten zur politischen
Bildung im Parlament bisher zu wenig profitierte."
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