Chemiker der Uni Graz ermöglichen effiziente Herstellung des Anti-Malaria-Wirkstoffs Artemisinin
mit umweltfreundlicher Flow Chemistry
Graz (universität) - Mehrere hundert Tonnen des Wirkstoffs Artemisinin werden jährlich für
Malaria-Medikamente benötigt. Gewonnen wird die Substanz aus Extrakten des Einjährigen Beifußes
(Artemisia annua). Das dazu verwendete herkömmliche Verfahren ist sehr aufwändig und teuer. Forscher
des Christian Doppler Labors für Durchflusschemie an der Karl-Franzens-Universität Graz haben nun einen
Weg gefunden, Artemisinin effizient aus einem Abfallprodukt der Pflanze zu synthetisieren. Die Methode wurde kürzlich
in der renommierten Fachzeitschrift „Chemistry: A European Journal“ erstmals publiziert und vom Magazin als „Hot
Paper“ bewertet.
Artemisinin ist einer der bedeutendsten Arzneistoffe gegen die Tropenkrankheit Malaria, an der laut Angaben der
Weltgesundheitsorganisation WHO jährlich knapp eine Million Menschen sterben. Eine Pflanze des Einjährigen
Beifußes, aus dessen Blättern und Blüten die Substanz gewonnen werden kann, enthält knapp
ein Prozent des wertvollen Wirkstoffs sowie in größeren Mengen die zwei Vorläufermoleküle
Artemisininsäure (AA) und Dihydroartemisininsäure (DHAA). Artemisininsäure kann in DHAA umgewandelt
werden, und aus dieser Substanz lässt sich dann Artemisinin synthetisieren. Derzeit geschieht dies großteils
im Batch (Kessel)-Verfahren entweder mit Wasserstoff und teuren Metall-Katalysatoren oder unter Zugabe von Hydrazin
und Sauerstoff, einem hochexplosiven Gemisch. Letztere Methode ist nicht nur äußerst aufwändig,
sondern unter anderem aufgrund der nötigen Sicherheitsvorkehrungen auch sehr teuer.
Eine effiziente, sichere, ressourcen- und umweltschonende Alternative bietet die Flow Chemistry. Experten auf diesem
Gebiet forschen an der Karl-Franzens-Universität Graz im Christian Doppler Labor für Durchflusschemie,
so die deutsche Bezeichnung. Univ.-Prof. Dr. Oliver Kappe, Ass.-Prof. Dr. Toma Glasnov und Bartholomäus Pieber,
MSc, ist es nun erstmals gelungen, ein kostengünstiges und unbedenkliches Verfahren für die Synthese
von DHAA aus AA mittels Flow Chemistry zu etablieren.
„Gerade bei gefährlichen Reaktionen bietet sich die Flow Chemistry an“, betont Oliver Kappe. „Die für
die Synthese nötigen Komponenten werden rasch durch Reaktionskammern im Mikroliterbereich gepumpt. Dadurch
wird das Risiko minimiert.“ Ein weiterer Vorteil gegenüber dem Batch-Verfahren ist, dass die einzelnen Prozesse
nacheinander jeweils in einer Kammer ablaufen, ohne dass das Reaktionsgemisch nach jedem Schritt herausgenommen
und für den nächsten aufbereitet werden muss. Weil in den kleinen Reaktoren extreme Temperatur- und Druckbedingungen
erzeugt werden können, erhöht sich die Prozessgeschwindigkeit um ein Vielfaches und es finden weniger
Nebenreaktionen statt, wodurch keine gefährlichen Abfallstoffe entstehen. Im Falle der Synthese von DHAA aus
einer Mischung von AA, Hydrazin und Sauerstoff bleiben nur Wasser und Stickstoff als Nebenprodukte übrig.
Hinzu kommt, dass sich das Verfahren auch einfach für die Produktion in industriellem Maßstab einsetzen
lässt.
Vor einigen Jahren entdeckte Prof. Peter H. Seeberger vom Max-Planck-Institut für Kolloid- und Grenzflächenforschung
in Potsdam einen Weg, Artemisinin mittels Flow Chemistry aus Artemisininsäure herzustellen. Nun ist den Grazer
Kollegen, allen voran Dissertant Bartholomäus Pieber, Erstautor der aktuellen Publikation, auch die Synthese
aus dem zweiten Vorläufermolekül, der Dihydroartemisininsäure, gelungen. Von Letzterer lässt
sich besonders viel aus dem Einjährigen Beifuß extrahieren. Somit ist es nun möglich, alle „Quellen“
der Pflanze mit Hilfe der Flow Chemistry zur Artemisinin-Produktion optimal zu nutzen.
Publikation: Continuous Flow Reduction
of Artemisinic Acid Utilizing Multi-Injection Strategies – Closing the Gap Towards a Fully Continuous Synthesis
of Antimalarial Drugs; Bartholomäus Pieber, Toma Glasnov and Oliver Kappe; Chemistry: A European Journal,
first published online: 5 Feb 2015
DOI: 10.1002/chem.201406439
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