Nowotny informiert Finanzausschuss, Griechenland bereitet Schelling Sorgen
Wien (pk) – Die Europäische Zentralbank (EZB) lockert angesichts schwachen Wirtschaftswachstums im
Euroraum, niedriger Inflationsraten zu Jahresbeginn 2015 und einer schwachen Kreditdynamik ihre Geldpolitik weiter.
Niedrigzinspolitik allein und der im letzten Herbst gestartete Ankauf von Schuldverschreibungen und Asset-Backed
Securities (ABS) reichten bisher nicht aus, um die Deflationsgefahr im Euroraum zu bannen. Seit Anfang März
kauft die Europäische Zentralbank (EZB) daher bei Banken Anleihen der Euro-Staaten sowie von Emittenten mit
Förderauftrag und von europäischen Institutionen. Das Programm "Quantitative Lockerung" sieht
bis September 2016 Ankäufe von 60 Mrd. Euro pro Monat mit dem Ziel einer Anhebung der jährlichen Inflation
auf knapp unter 2% vor. Hintergründe und Auswirkungen dieser Geldpolitik erläuterte Nationalbank-Gouverneur
Ewald Nowotny heute den Mitgliedern des Finanzausschusses. Die EZB setzt darauf, dass Banken die zunehmende Liquidität
nutzen werden, um mehr Kredite als bisher zu vergeben, was Investitionen erleichtern, Wachstum fördern und
mehr Jobs schaffen soll.
Förderung von Wachstum und Beschäftigung ist auch das finanzpolitische Motto von Rat und EU-Kommission
im Jahr 2015. Das diesbezügliche Arbeitsprogramm der Europäischen Union für 2015 nahm der Finanzausschuss
eingangs seiner Sitzung vom 12.03.nach einer öffentlichen Debatte mit SPÖ-ÖVP-Mehrheit definitiv
zur Kenntnis. In der Aktuellen Aussprache mit Nationalbankgouverneur Ewald Nowotny kam auch die aktuelle Situation
im hochverschuldeten Griechenland zur Sprache. OeNB-Gouverneur Nowotny stellte klar, dass Griechenland Hilfe von
außen aufgrund einer politischen Entscheidung brauche und eine Finanzierung des Landes durch die EZB nicht
möglich sei. Finanzminister Hans Jörg Schelling zeigte sich besorgt wegen der Situation in der Ägäis,
berichtete aber auch von Aussagen des griechischen Finanzministers Varoufakis, Griechenland wolle keinen Kreditausfall
und keinen Austritt aus der Eurozone. Schellings Hoffnung richten sich auf Gespräche mit der griechischen
Regierung sowie auf bessere Informationen über die finanzielle Situation des Landes. SPÖ-Abgeordneter
Christoph Matznetter hielt es in der Debatte für unverständlich, dass Griechenlands Hauptgläubiger
Deutschland die Situation eskaliere, und warnte vor einem Crash in der Ägäis.
Aktuelle geldpolitische Maßnahmen des Eurosystems
In einem Rückblick auf das Maßnahmenpaket von Juni bis September 2014 informierte Nowotny darüber,
dass die EZB seit September 2014 mit "gezielten längerfristigen Refinanzierungsgeschäften"
(Targeted Longer-Term Refinancing Operations, TLTROs) Banken zusätzliches Zentralbankgeld für maximal
vier Jahre zur Verfügung stellte, um damit Kredite an Unternehmen und private Haushalte (jedoch nicht für
den Kauf von Immobilien) zu vergeben. Dazu kam im Oktober 2014 das dritte Covered Bonds Purchase Programme (CBPP3)
zum Ankauf von Euro-Schuldverschreibungen von Euroraum-Banken und im November das Asset-Backed Securities Purchase
Programme (ABSPP) zum Ankauf einfacher und transparenter ABS. Diese beiden Programme zielen auf die Finanzierung
der Realwirtschaft, insbesondere von KMU, ab.
Das erweiterte Programm zum Ankauf von Vermögenswerten (expanded asset purchase programme, APP) zielt auf
den Ankauf von Anleihen im Euroraum ansässiger Zentralstaaten, Emittenten mit Förderauftrag sowie von
Institutionen wie der Europäischen Investitionsbank oder dem Europäischen Stabilitätsmechanismus.
Das Programm steht im Einklang mit dem EU-Vertrag, der den Ankauf marktfähiger Instrumente als geldpolitisches
Instrument vorsieht. Staatsanleihen werden nicht direkt von den Mitgliedstaaten, sondern am Sekundärmarkt
erworben. Die Preise entstehen auf dem Markt, das Eurosystem wird nicht zum bevorzugten Gläubiger, sondern
hat den gleichen Status wie private Investoren, erfuhren die Abgeordneten von Nationalbankgouverneur Ewald Nowotny.
Hilfe für Griechenland ist eine politische Entscheidung
Das hochverschuldete Griechenland, dessen Banken zuletzt von Einlagenabflüssen betroffen waren, musste auf
Instrumente verzichten, die bislang für geldpolitische Geschäfte des Eurosystems genutzt wurden. Griechische
Banken werden daher mit Liquiditätshilfen (Emergency Liquidity Assistance - ELA) durch die griechische Notenbank
finanziert.
Die öffentlichen Schulden Griechenlands betrugen Ende 2014 318 Mrd. € oder 176,3% des BIP. Davon werden 69%
von der EU (European Financial Stability Fund und bilaterale Kredite) und dem IWF gehalten. Zählt man die
EZB-Anleihen im Rahmen des SMP dazu, beläuft sich der Anteil öffentlicher Schuldner an der griechischen
Staatsschuld auf 77%. Dazu kommen weitere 40 Mrd. € in Anleihen und kurzfristige Schuldtitel im Ausmaß von
15 Mrd. €.
Für die Hilfspakete der EU (EFSF, bilalterale Kredite) und für mögliche Verluste aus dem SMP Programm
haften die Staaten des Euroraums im Ausmaß ihres EZB-Kapitalschlüssels. Insgesamt betragen die Kredite
und Anleihen 219,7 Mrd. €. Österreich hat ein Kreditexposure von 6,5 Mrd. € und darüber hinaus einen
260 Mio. Euro-Anteil an IWF-Krediten erfuhren die Mitglieder des Finanzausschusses. Griechenland könne seine
Verpflichtungen ohne Hilfe von außen nicht erfüllen, sagte Nowotny. Daher sei eine politische Entscheidung
notwendig. Die Europäische Zentralbank könne dies Entscheidung nicht ersetzen.
In der Debatte bezeichnete OeNB-Gouverneur Nowotny das Programm zur geldpolitischen Lockerung als sinnvoll, weil
es negative Auswirkungen auf Investitionen und Wachstum habe, wenn das Preisniveau insgesamt zurückgehe. Zugleich
räumte Nowotny ein, dass von lang anhaltenden niedrigen Zinsen auch negative Struktur-Effekte ausgehen können.
Deflation behindert Investitionen und Wachstum
SPÖ-Abgeordneter Christoph Matznetter meinte beim Thema Geldpolitik, die USA hätten gezeigt, wie man
mit einer offensiven Politik schneller aus der Krise komme als mit Sparen. Demgegenüber warnte Robert Lugar
(T) vor Staatsfinanzierung durch die EZB sowie vor Fehlallokationen von Kapital und vor dem Ankauf teurer Anleihen
durch die EZB, die künftig an Wert verlieren würden. Angesichts der Politik billigen Geldes hielt Lugar
Überziehungszinsen für Private von bis zu 13% für korrekturbedürftig.
Für Bruno Rossman (G) ist es positiv, dass die EZB die Krise ernst nehme und handle. Was fehle, sei eine Ergänzung
der EZB-Geldpolitik durch expansive fiskalpolitische Maßnahmen, sagte der Abgeordnete und sprach die Befürchtung
aus, dass "die Pferde trotz niedriger Zinsen nicht saufen werden", wenn die Nachfrage nicht zugleich
von Seiten der Staaten erhöht werde.
Werner Groiß (V) drängte darauf, durch Reformen im Steuerrecht und im Gesellschaftsrecht - etwa durch
einen Mittelstandsfond oder Crowd-Funding - dafür zu sorgen, dass das Geld der EZB auch in der privaten Wirtschaft
ankomme.
Elmar Podgorschek (F) erkundigte sich nach Überlegungen für eine Eigenkapitalunterlegung beim Ankauf
von Staatsanleihen durch Banken.
Darüber werde in der EZB diskutiert, sagte Nowotny. Um Nachteile für den Euroraum im globalen Wettbewerb
zu vermeiden, solle darüber aber auf internationaler Ebene entschieden werden, sagte Nowotny. Seiner Einschätzung
nach werde die derzeit bei Null liegende Inflation der Eurozone in der zweiten Hälfte des Jahres steigen.
Von der geldpolitischen Lockerung gingen unterschiedliche Auswirkungen aus, analysierte der OeNB-Gouverneur. Langfristig
haben niedrige Zinsen auch negative Auswirkungen auf die Kapitalallokation, was Maßnahmen gegen die Blasenbildung
am Kapitalmarkt notwendig mache. Uneingeschränkt positiv beurteile er die Auswirkungen des niedrigeren Euro-Wechselkurses
und berichtete von ersten positiven Auswirkungen auf die Exporte. Den Vorwurf Lugars, die EZB betreibe Staatsfinanzierung,
wies Nowotny entschieden zurück. Die EZB kaufe Anleihen nur auf dem Sekundärmarkt, also nach einer marktkonformen
Preisbildung.
Schelling: Sorgen wegen Griechenland, Hoffnung auf Gespräche
"Ich bin besorgt wegen der Entwicklung in Griechenland" sagte Finanzminister Hans Jörg Schelling.
Es bestünden Probleme in der Kommunikation mit der griechischen Regierung, berichtete der Finanzminister und
vermisste Zahlen und Daten aus dem hochverschuldetem Land. Die Europäische Kommission durchleuchte derzeit
Szenarien, wobei klar sei, dass die EZB Griechenland nicht finanzieren könne und Notkredite nur eine kurzfristige
Lösung darstellten. Ein drittes Hilfsprogramm habe die erfolgreiche Beendigung des zweiten Hilfsprogramms
zur Voraussetzung. Er hoffe auf eine Klärung der Situation in Gesprächen mit der griechischen Regierung.
Finanzminister Yanis Vanoufakis habe jedenfalls festgestellt keinen Kreditausfall herbeiführen und die Eurozone
nicht verlassen zu wollen.
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