Schwierigkeit öffentlicher Investitionen – sie würden Schuldenstand Österreich
erhöhen
Wien (pk) - Die von EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker initiierte und vom Europäischen
Rat am 18. Dezember des Vorjahres gebilligte Investitionsoffensive der Europäischen Union nimmt nun rasch
konkrete Konturen an. Mittels eines neu zu gründenden Europäischen Fonds für strategische Investitionen
(EFSI), der innerhalb der Europäischen Investitionsbank (EIB) errichtet wird, sollen in den nächsten
drei Jahren für private und öffentliche Investitionen zusätzlich rund 315 Mrd. € mobilisiert werden.
Der Fonds soll über ein Grundkapital von 21 Mrd. € verfügen, 5 Mrd. € kommen von der EIB, die weiteren
16 Mrd. € sind EU-Garantien. Wie man seitens des Finanzministeriums betonte, handelt es sich im Grunde genommen
um keinen Fonds, sondern um ein Garantieinstrument, das der EIB die Möglichkeit gibt, ihr Portfolio zu erweitern.
Ziel ist es, die infolge der Wirtschafts- und Finanzkrise schwächelnde Wirtschaft in der EU anzukurbeln und
vor allem kleineren und mittleren Unternehmen einen besseren Zugang zu Finanzmitteln zu ermöglichen. Die Kommission
macht hinsichtlich der Realisierung des Vorhabens Druck, laut Plan ist vorgesehen, dass der EFSI bereits im Herbst
dieses Jahres seine operative Tätigkeit aufnehmen kann. Das heißt, die Verhandlungen darüber müssen
auf EU-Ebene im kommenden Juni abgeschlossen sein.
Neben Mitgliedstaaten können sich auch Dritte am EFSI beteiligen, etwa nationale Förderbanken oder öffentliche
Stellen, die im Eigentum oder unter der Kontrolle von Mitgliedstaaten stehen, Einrichtungen des privaten Sektors
und Einrichtungen außerhalb der Union.
Nach Aussagen von Finanzminister Hans Jörg Schelling am Rande des Finanzministertreffens in Brüssel am
10.03. wird Österreich bis spätestens Juni dieses Jahres über einen möglichen Beitrag zur Investitionsoffensive
entscheiden, wobei vor allem genau geklärt werden müsse, was statistisch auf das Defizit angerechnet
wird. Der Finanzminister kann sich auch eine Beteiligung über die Förderbank Austria Wirtschaftsservice
Gesellschaft mbH (AWS) vorstellen.
Für EU-Ausschuss noch einige Fragen offen
Im EU-Ausschuss des Bundesrats wurde der Verordnungsvorschlag zur Gründung des EFSI generell als ambitioniert
erachtet, es herrschte jedoch Skepsis, ob die Erwartungen tatsächlich erfüllt werden können. Ausschussvorsitzender
Edgar Mayer (V/V) kündigte an, das Thema werde bei der nächsten Sitzung des Ausschusses wieder auf die
Tagesordnung genommen und eine Mitteilung an die EU-Kommission vorbereitet.
Allgemein wurde unterstrichen, dass der neue Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker als Vertreter der Sozialen
Marktwirtschaft andere Wege zur Lösung der Probleme beschreitet als sein Vorgänger, indem er versucht,
die Wirtschaft zu stimulieren und damit auch einen positiven Effekt auf dem Arbeitsmarkt zu erzielen. Stefan Schennach
(S/W) sieht das Ganze daher unter der Überschrift "Prinzip Hoffnung". Monika Mühlwerth (F/W)
sprach von "Hilfe zur Selbsthilfe", was für sie einen positiven Aspekt darstellt. Für Mühlwerth
sind Investitionen genauso wichtig wie sinnvolles Sparen, etwa bei der Verwaltung oder bei den Förderungen.
Sie warnte aber davor, mit zusätzlichen Instrumenten eine neue Art der Transferunion zu schaffen. Heidelinde
Reiter (G/S) ortete das zentrale wirtschaftliche Problem in der Tatsache, dass es nicht gelungen sei, den Bankensektor
so zu reformieren, dass wieder Investitionen in die Realwirtschaft fließen.
Weder Bundesratspräsidentin Sonja Zwazl (V/N) noch Stefan Schennach (S/W) können den von der Kommission
immer wieder hervorgehobenen Fokus auf die Klein- und Mittelbetriebe erkennen. Das Paket wirke ungemein bürokratisch,
sagte Zwazl und es sei fraglich, ob das Geld wirklich dort ankommt, wo es hin soll. Für Klein- und Mittelbetriebe
sei es jedenfalls schwierig, zur EIB zu gehen. Ausschussvorsitzendem Edgar Mayer (V/V) fehlen im Programm insbesondere
auch Förderungen sozialer Dienstleistungen.
Mayer sprach damit auch das Problem der öffentlichen Investitionen und der Daseinsvorsorge an, die vor allem
von Städten und Gemeinden bereitgestellt wird. In diesem Sinne plädierte Stefan Schennach (S/W) dafür,
kommunale Infrastrukturprojekte in das Förderprogramm miteinzubeziehen und Städte und Gemeinden aus der,
wie er formulierte, Investitionsklemme zu befreien. Konkret trat er dafür ein, nachhaltige öffentliche
Investitionen nicht in den Schuldenstand einzurechnen und damit den Stabilitäts- und Wachstumspakt flexibler
zu gestalten. Er traf sich damit inhaltlich mit dem Vertreter der Arbeiterkammer, der sich für die Einführung
der sogenannten Goldenen Investitionsregel stark machte. Demnach sollten öffentliche Investitionen, die einen
Mehrwert bringen, im Sinne des Stabilitätspakts nicht sanktionsrelevant sein. Das Problem liegt im zufolge
nämlich nicht in der Finanzierung, sondern in der Nachfrageschwäche im EU-Raum, was mit der Europäischen
Sparpolitik zu tun habe. Deshalb sollte man die öffentliche Nachfrage und die öffentlichen Investitionen
ankurbeln, meinte er.
Seitens des Finanzressorts hieß es dazu, dass man zwar auf Europäischer Ebene beginne, Ausnahmen beim
Stabilitätspakt zu schaffen, diese gelten aber nur für Länder mit einem negativen Wachstum des BIP.
Da das BIP-Wachstum in Österreich jedoch positiv ist, würden öffentliche Investitionen nach den
derzeitigen Regeln die Schuldenquote in die Höhe treiben. Es liege daher im Interesse Österreichs, dass
mit der Investitionsoffensive vor allem die Privatwirtschaft angesprochen wird.
Investitionsoffensive soll auf Bedürfnisse der Realwirtschaft abstellen
Die Investitionsoffensive stellt kein Konjunkturpaket für die Mitgliedstaaten dar, wie im Ausschuss mehrmals
betont wurde, kann aber sicherlich einen Beitrag zur Ankurbelung der Konjunktur leisten. Sie stützt sich auf
drei Komponenten: Die Mobilisierung von den erwähnten 315 Mrd. € an zusätzlichen Investitionen soll zugleich
sicherstellen, dass diese Investitionen auf die Bedürfnisse der Realwirtschaft abgestellt sind. Zudem sind
Maßnahmen zum Abbau von Investitionshemmnissen ins Auge gefasst, die jedoch nicht von der vorliegenden Verordnung
umfasst sind. Erste Schritte dazu nennt die Kommission jedoch in ihrem Arbeitsprogramm für 2015.
Im Mittelpunkt der Fondstätigkeit steht die Finanzierung von Projekten mit höherem Risikoprofil. Dadurch
soll nicht nur die Wirkung der öffentlichen Mittel maximiert werden, man will damit auch private Investitionen
erschließen helfen. Der Fokus soll dabei insbesondere auf Klein- und Mittelbetriebe gelegt werden. Gefördert
wird laut Papier der EU-Kommission der Ausbau der Infrastruktur, Investitionen in Bildung, Gesundheit, Forschung,
Entwicklung, Informations- und Kommunikationstechnologie und Innovation, ferner der Ausbau erneuerbarer Energien
und Verbesserung der Energieeffizienz sowie Vorhaben in den Bereichen Umwelt, natürliche Ressourcen, Stadtentwicklung
und Soziales. Für die Förderung werden Kriterien festgelegt, wobei Österreich darauf besteht, dass
keine Finanzierung der Atomenergie aus diesem Programm erfolgt.
Als Organe des Fonds sind ein Lenkungsrat und ein Investitionsausschuss vorgesehen. Der Lenkungsrat beschließt
im Einklang mit den Politischen Leitlinien der Kommission über allgemeine Ausrichtung, Investitionsleitlinien,
Risikoprofil, strategische Grundsätze und Portfoliostrukturierung des Fonds. Die Mitglieder des Lenkungsrats
werden von den Parteien, die einen Beitrag zur Risikoübernahmekapazität leisten, ernannt. Gegen die Stimmen
der Kommission oder der EIB kann keine Entscheidung getroffen werden.
Dem Investitionsausschuss, der dem Lenkungsrat gegenüber rechenschaftspflichtig ist, gehören sechs unabhängige
Wirtschaftsfachleute und ein geschäftsführender Direktor bzw. eine Direktorin an. Der Ausschuss prüft
spezifische Projekte und entscheidet ohne geografische oder sektorbezogene Quoten, welche Projekte aus dem EFSI
gefördert werden.
Der Verordnungsvorschlag umfasst auch den Aufbau einer Europäischen Plattform für Investitionsberatung
(European Investment Advisory Hub - EIAH), die bei der Ermittlung, Vorbereitung, Entwicklung und Finanzierung von
Projekten in der Union helfen soll. Eine beratende Aufgabe kommt ihr ferner zu, wenn es um die Nutzung innovativer
Finanzierungsinstrumente und öffentlich-privater Partnerschaften geht.
Außerdem wird ein europäisches Investitionsprojekteverzeichnis eingerichtet, damit sich Investoren besser
über laufende und künftige Projekte informieren können. Österreich hat bereits im Vorjahr 19
Projekte angemeldet, insgesamt wurden rund 2.000 vorgeschlagen. Diese sind auf der Homepage des EFSI abrufbar.
Eine Entscheidung über die Förderwürdigkeit der Projekte ist noch nicht gefallen, wie der diesbezügliche
Prozess aussieht, werde aber bald entschieden, so die Information aus dem Finanzministerium.
Schließlich soll die Errichtung eines EU-Garantiefonds als "Liquiditätspuffer" dienen, der
den Unionshaushalt gegen mögliche Verluste absichern soll, die der EFSI bei der Unterstützung von Projekten
erleiden könnte. Diese Möglichkeit der Rückversicherung soll risikoreiche Investitionen erleichtern.
Die finanzielle Ausstattung erfolgt nach und nach mit Mitteln aus dem EU-Haushalt und soll bis 2020 insgesamt 8
Mrd. € betragen, also 50% der vorgesehenen Mittel für die EU-Garantien im EFSI.
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